Amerikaner stricken am Image einer IT-Company

Xerox macht den Kopierer zur Dokumenten-Drehscheibe

28.05.1999
LONDON (CW) - Mit neuen High-end-Lösungen für das Dokumenten-Management will die bis dato vorwiegend als Kopiererhersteller bekannte Xerox Corp. noch stärker Kurs in Richtung "Digital Document Company" nehmen und damit auch eine neue Zielgruppe, nämlich das IT-Management, ansprechen. Bereits in zehn Jahren sollen 50 Prozent der Einnahmen im neuen Geschäftsfeld erzielt werden.

Primär nicht um neue Produkte ging es dem frisch gekürten CEO und President Rick Thoman vor kurzem auf einer internationalen Pressekonferenz in London. Der Ex-IBM-Manager versuchte vielmehr, die Ausrichtung seines Unternehmens als "Dokumenten"-Company unter Beweis zu stellen. Die insgesamt 17 von den Amerikanern unter dem Slogan "The Xerox Global Industry Solutions" vorgestellten Lösungen adressieren vor allem die Fertigungs- und Druckbranche, Finanzdienstleister und öffentliche Auftraggeber.

Zweck der zum Großteil Web-fähigen Lösungen ist es, Hardware, Software und Netzservices zu verbinden. Papier- und elektronische Dokumente können dabei zwischen Kopierern und Computern ausgetauscht und über Netzwerke verteilt werden. Stand-alone-Geräte sollen zunehmend aus den Unternehmen verschwinden; der "Kopierer" alter Prägung wird damit Teil der IT, zumindest aber in den jeweiligen Dokumenten(Management)-Prozeß integriert. Für die Kunden ergeben sich daraus Vorteile in puncto Effizienz und Kosten, hieß es.

So umfaßt beispielsweise das Portfolio für Finanzdienstleister Lösungen und Services für die Bereiche One-to-One-Marketing, E-Commerce, integriertes Dokumenten-Management sowie Automatisierung der Arbeitsabläufe. Für die Fertigungsindustrie wurden mehrsprachige Produkte konzipiert, die Transaktionsservices wie den Ausdruck von ERP-Berichten integrieren. Abgerundet wird die Angebotspalette von Softwaremodulen. In die Abteilung "Knowledge-Suite" gehört zum Beispiel das Tool "Ask Once", das Schnittstellen zu Web-Suchmaschinen für die Abfrage von Informationen enthält. Mit "Mobile Doc" können Außendienstmitarbeiter via Telefon, Pager oder Personal Digital Assistants (PDAs) auf Dokumente zugreifen.

Von der neuerlichen Offensive verspricht sich das US-Unternehmen, das ähnlich wie seine bekanntesten Wettbewerber Canon, Minolta und Konica im Markt noch immer vorwiegend als Kopiererhersteller bekannt ist, weitreichende Impulse. "Der Strategiewechsel wird uns zu einem ganz anderen Unternehmen machen", zeigte sich Thoman überzeugt. Nach den Worten des Xerox-Chefs sollen Dokumentenlösungen in acht bis zehn Jahren bereits 50 Prozent zu den Einnahmen beisteuern und damit genauso stark sein wie das traditionelle Geschäft mit Hardware. Bislang lag der Anteil vergleichbarer Dienstleistungen am Gesamtumsatz erst bei 15 Prozent.

Umsatz im ersten Quartal war wenig berauschend

Wie bereits in den Vorjahren fiel die Umsatzsteigerung des US-Konzerns auch 1998 eher moderat aus. Die Einnahmen kletterten um acht Prozent auf 19,4 Milliarden Dollar. Ein kräftigeres Plus gelang dem viertgrößten amerikanischen IT-Unternehmen dagegen beim Gewinn, der um 17 Prozent auf 1,69 Milliarden Dollar zulegte. Nicht zufrieden zeigte sich Thoman mit den Geschäftszahlen für das erste Quartal 1999. "Die Umsätze blieben hinter unseren Erwartungen zurück", kommentierte der Xerox-Chef die Quartalsbilanz, die einen bei 4,3 Milliarden Dollar stagnierenden Umsatz auswies. Immerhin konnte der Gewinn in den ersten drei Monaten gegenüber dem vergleichbaren Vorjahresquartal um 14 Prozent auf 343 Millionen Dollar oder 43 Cent je Aktie gesteigert werden.

Um die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, verkündete der Konzern bereits im April vergangenen Jahres ein umfassendes Restrukturierungsprogramm. Von den insgesamt 9000 zur Disposition stehenden Arbeitsplätzen wurden bislang 6400 Stellen in der Verwaltung abgebaut. Weltweit sind noch rund 92 000 Beschäftigte auf der Payroll. Erklärte Strategie des Kopiererpioniers aus Stamford im US-Bundesstaat Connecticut ist es deshalb schon seit geraumer Zeit, aus der Hardware-Ecke auszubrechen und in neue Geschäftsfelder vorzustoßen. Margendruck und Preisverfall sowie die steigende Bedeutung von Dokumenten (-Management) - vor allem aufgrund des Internet-Booms - setzen das Unternehmen unter Druck.

Um bei netzfähigen Multifunktions-Geräten eine führende Rolle zu spielen, fusionierte Xerox im Dezember vergangenen Jahres mit der US-Company Visioneer. Verstärkt engagierte sich Xerox auch im Bereich Software, wo seit 1998 erstmals Produkte unter eigenem Label auf dem Markt sind. Welchen Kurs der Kopiererriese verfolgt, dokumentieren nicht zuletzt auch Allianzen mit dem IT-Giganten IBM im "Lotus-Notes"- beziehungsweise "Domino"-Umfeld. Eine erst vor wenigen Tagen mit Microsoft geschlossene Technologie- und Marketing-Kooperation zielt ebenfalls in Richtung Dokumenten-Management. Kopierer und Drucker sollen dabei mit Softwareprogrammen verbunden werden.

Bis zum Jahr 2000 soll der Konzernumbau beziehungsweise die Digitalisierung der gesamten Produktpalette abgeschlossen sein. Wie Thoman erklärte, stammten 1998 erstmals mehr als die Hälfte der Einnahmen aus digitalen Produkten. Was natürlich eine gewisse Brisanz in sich birgt: Mit niedrigpreisigen Laserdruckern und Multifunktions-Geräten, die sowohl kopieren, drucken, faxen als auch scannen können, operiert Xerox bereits seit längerem im "Hoheitsgebiet" der traditionellen Druckerhersteller. Die Attacke richtete sich vor allem gegen den erklärten Erzrivalen Hewlett-Packard (HP), der seinerseits im vergangenen Jahr mit um Kopiererfunktionen erweiterten Laserdruckern in das angestammte Xerox-Geschäft vordrang.

Ob die Rechnung von Xerox aufgeht, gilt unter Branchenbeobachtern indes als umstritten. Trotz einer aggressiven Preispolitik, mit der der Kopiererriese zum Angriff auf die arrivierten Druckerhersteller bläst, ist das Unternehmen in diesem Markt immer noch recht unbekannt und spielt demzufolge bisher eine untergeordnete Rolle. So lag 1998 der Anteil von Xerox in allen Segmenten des Druckergeschäfts in Deutschland laut Dataquest unter einem Prozent. Federn lassen mußte der Neuling den Marktforschern zufolge vor allem bei Farblaserdruckern, wo Xerox einen Rückgang des Marktanteils von 7,3 auf 2,5 Prozent erlitt. Gerade noch 670 Einheiten soll die "Document Company" 1998 verkauft haben.

Daß es Xerox bis heute nicht gelang, im Privatkundenmarkt Fuß zu fassen, dürfte den Konzernverantwortlichen ebenfalls ein Dorn im Auge sein. Für Wirbel sorgten im US-Markt dafür eine Reihe von Patentrechtsklagen, die sich Xerox und HP in den zurückliegenden Monaten lieferten. Branchenbeobachter sehen in den Gefechten eine geschickt eingefädelte Marketing-Masche, mit der Xerox nicht zuletzt seinen Bekanntheitsgrad als Druckerhersteller steigern will.