XDEV 2: Java-Entwicklung für Dummys

08.02.2007
Von Gerald Kammerer
Das für Rapid Application Development (RAD) konzipierte Tool erfordert kein Java-Know-how.

Vor allem mittelständische Betriebe befinden sich häufig im Zwiespalt, dass sie einerseits durch maßgeschneiderte Anwendungen, Online-Portale und Web-basierende Lösungen ihre Marktposition verbessern wollen, ihnen jedoch andererseits die IT-Spezialisten fehlen, um zum Beispiel entsprechende Java-Programme aufzusetzen. Das Outsourcing solcher Projekte kommt für viele nicht in Frage, da die Kosten und Risiken oft schwer kalkulierbar sind. Ihnen bietet der Markt eine Reihe erstklassiger Java-Tools, darunter Eclipse, Netbeans, IntelliJ oder JBuilder, die alle mit dem Versprechen einhergehen, die Arbeit mit Java erheblich zu vereinfachen. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass die Entwicklung vollständiger Geschäftsanwendungen mit klassischen Java-Editoren ohne langjährige Programmiererfahrung im Grunde nicht möglich ist.

Mit XDEV 2 lassen sich grafische Benutzeroberflächen auf Basis von Java Swing ähnlich einfach und schnell wie mit einem Grafikprogramm gestalten. Die so erzeugten Java-Anwendungen sind automatisch unter Windows, Linux, Unix, auf dem Mac und im Web-Browser lauffähig.
Mit XDEV 2 lassen sich grafische Benutzeroberflächen auf Basis von Java Swing ähnlich einfach und schnell wie mit einem Grafikprogramm gestalten. Die so erzeugten Java-Anwendungen sind automatisch unter Windows, Linux, Unix, auf dem Mac und im Web-Browser lauffähig.

Diesen Schwachpunkt will die im kalifornischen Silicon Valley beheimatete XDEV Software Corp. beheben, deren gleichnamiges Produkt erstmals ein Rapid Application Development unter Java erlaubt. Die Suite umfasst einen GUI-Builder, einen neuartigen Code-Editor, eine speziell für Datenbankanwendungen ausgelegte Funktionsbibliothek sowie eine leistungsfähige Report-Engine. Der Einstieg in XDEV 2 ist leicht und gelingt auf Anhieb, da der nach dem Wysiwyg-Prinzip arbeitende GUI-Builder für die Oberflächenentwicklung wie ein Grafikprogramm funktioniert. Die einfache Arbeitsweise erinnert an Coreldraw und Powerpoint, was vor allem Anwendern ohne Programmierkenntnisse sehr entgegenkommt.

Drag-and-Drop-Editor

Alle Oberflächenelemente wie Textboxen, Formularkomponenten und Buttons lassen sich per Drag and Drop in den Arbeitsbereich ziehen und dort pixelgenau positionieren. Raster, Hilfslinien und spezielle Werkzeuge zum Anordnen und Verteilen von Objekten helfen beim exakten Layouten. Da hierfür Java Swing die Basis bildet, stehen neben zahlreichen GUI-Komponenten auch Layout-Manager wie das Gridbag-Layout für die Entwicklung von Oberflächen zur Verfügung, die sich dynamisch an die Fenstergröße anpassen können. Besonderen Komfort bietet ein spezieller Layout-Manager, der wie eine Excel-Tabelle funktioniert. Alle Zeilen und Spalten des Layouts lassen sich mit der Maus vergrößern beziehungsweise verkleinern sowie einzelne Zellen miteinander verbinden. Die benötigten Komponenten und weitere Tabellen-Layouts werden dann per Drag and Drop eingefügt. Über einen Dialog lassen sich die Ausrichtung und Ausdehnung der Komponenten einstellen. Man kann davon ausgehen, dass die einfache Handhabung des Tools die zur Oberflächenentwicklung benötigte Zeit im Vergleich zur klassischen Programmierung leicht halbiert.

Integriertes Projekt-Management

Mit Hilfe eines globalen Schlüsselverwaltungssystems können international tätige Unternehmen auch mehrsprachige Anwendungen realisieren. Um auch in großen Projekten den Überblick zu behalten, bietet der GUI-Builder ein übersichtliches Projekt-Management. Zudem werden Styles und das Anlegen globaler Templates unterstützt.

Nach Fertigstellung der Oberfläche ermöglicht das IDE den nahtlosen Übergang zur Logikentwicklung. Da die komplette Infrastruktur einer interaktiven Oberfläche automatisch vom IDE erzeugt wird, verliert man keine Zeit mit dem Schreiben eigener Event-Handler zum Abfangen von Mausereignissen. Somit ergibt sich in XDEV 2 eine klare Trennung zwischen GUI-Design und Business-Logik. Teams können diese beiden grundverschiedenen Bereiche also auch in der Praxis personell aufteilen, da sich anders als in der GUI-Programmierung üblich, die Aufgaben nicht mehr überschneiden. Der für die Planung und Usability zuständige Mitarbeiter kann die Oberflächenentwicklung komplett selbst in die Hand nehmen und notwendige Änderungen vornehmen, ohne dabei mit Code in Kontakt zu kommen.

Geschäftslogik ist keine Hürde

Wo die RAD-Ansätze anderer Java-IDEs enden, fängt es bei XDEV 2 erst richtig an, interessant zu werden. Das liegt an dem neuartigen Code-Editor, der vor allem für Java-Einsteiger entscheidende Erleichterungen für die Logikentwicklung mit sich bringt. Alle Anweisungen und Funktionen lassen sich damit wie gewohnt über die Tastatur eingeben, wahlweise jedoch auch per Drag and Drop in den Editor ziehen. Dabei werden nicht nur die Schlüsselwörter, sondern die kompletten Kontrollstrukturen inklusive Klammern und Operatoren automatisch erzeugt. Selbst wer die Java-Syntax nicht beherrscht, wird mit diesem Konzept auf Anhieb in die Lage versetzt, die Aktionslogik für seine Anwendung zu entwickeln. Auch die Parameterzuweisung funktioniert mit Drag and Drop und wird zudem von Assistenten unterstützt. Besonders bei längeren Funktionsnamen und -parametern zeigt sich, wie komfortabel und schnell diese Technik ist.

Bos-it spart Geld

Die auf Sun-Hardware und Schulungen spezialisierte Firma BOS-it mit Sitz in Hamburg, Putbus und Dänisch-Nienhof hat mit XDEV 2 innerhalb von sieben Monaten eine Schulverwaltungs-Software mit angeschlossenem Web-Portal für das eigene Sun-Schulungszentrum in Hamburg geschaffen. Laut Inhaber Thomas Mitzka konnte sein Team, das sich aus Datenbankadministratoren, Delphi- und Basic-Entwicklern zusammensetzt, das Projekt nicht nur selbst umsetzen, sondern war dabei acht Wochen schneller, als es vom Software-Dienstleister veranschlagt worden war. BOS-it sparte dadurch spürbar Kosten.

Den Ausschlag für die Entscheidung, das Projekt selbst in die Hand zu nehmen, gaben die Testergebnisse nach einer unerwartet kurzen Einarbeitungszeit in die neue Entwicklungsumgebung. Den Erfolg des Projekts begründet Mitzka damit, dass sein Team das eigene Wissen über die Projektanforderungen, die sich während der Entwicklung mehrmals änderten, selbst anwenden und umsetzen konnte: "Wegen der notwendigen Korrekturen und einiger wichtiger Erweiterungen, die wir bei der Planung noch nicht vorhersehen konnten, wäre es nicht nur zu schwierigen Nachverhandlungen mit dem Dienstleister gekommen, wir hätten zudem viel Zeit verloren und in jedem Fall mit deutlich höheren Kosten rechnen müssen. Durch die eigene Entwicklung waren wir in der Lage, auf Planungsmängel schnell zu reagieren."

Während Syntax-Highlighting und Autovervollständigung mittlerweile zu den Standardfunktionen eines vernünftigen Code-Editors zählen, sind die Refactoring-Fähigkeiten von XDEV 2 als erstklassig hervorzuheben. Die Änderung von Variablennamen erfolgt live im gesamten Quellcode, und kopierte Codepassagen werden beim Einfügen automatisch an den neuen Kontext angepasst.

Umstellen auf Basic

Eine absolute Neuerung für Java bringt XDEV 2 mit der Möglichkeit, den Programmcode während der Entwicklung auf Basic-Syntax umzuschalten. Dadurch lassen sich J2SE-Anwendungen erstmals auch in Basic schreiben. Das Ergebnis ist immer ein und derselbe Bytecode. Im Java-Umfeld klingt dieses Konzept geradezu revolutionär und dürfte unter Experten sicher für Zündstoff sorgen. Microsoft profitiert mit .NET bereits seit Jahren von einer mehrsprachigen Plattform, denn ein Großteil aller .NET-Anwendungen wird immer noch in Basic geschrieben. Basic ist im Vergleich zu C# und Java deutlich einfacher, bildet die Grundlage für zahlreiche Makro- und Skriptsprachen und ist seit jeher stark verbreitet. XDEV-Basic wird in jedem Fall die J2SE-Plattform für wesentlich mehr Nutzer zugänglich machen. Vor allem für IT-Abteilungen, die über kein oder nur wenig Java-Know-how verfügen, wird der Umstieg auf Java dadurch leichter und kostengünstiger als bisher.

Wechsel der Datenbank

Für Datenbankzugriffe bietet das System modulare Interfaces für alle wichtigen Datenbanken, die auf die jeweiligen JDBC-Datenbanktreiber aufsetzen. Mit dieser abstrahierten Zwischenschicht wird ein zukünftiger Datenbankwechsel einfach und unkritisch. Anstatt die Applikationslogik an eine neue Datenbank anpassen zu müssen, was nicht nur zeitaufwändig, sondern zudem eine große Fehlerquelle ist, kann in XDEV 2 per Assistent eine neue Datenquelle ausgewählt und das Projekt anschließend neu kompiliert werden. Darüber hinaus enthält das IDE einen SQL-Assistenten, mit dem sich auch komplexe Abfragen sehr schnell konstruieren lassen. SQL-Kenntnisse braucht man dazu nicht. Transaktionen werden ebenso unterstützt wie der Zugriff auf verschiedene Datenbanken oder der Aufruf von Stored Procedures.

Ein Report-Generator rundet das RAD-Konzept von XDEV 2 ab. Mit ihm lassen sich beliebige Datenmengen an eine Report-Engine übermitteln, die daraus dynamische PDF-Dokumente generiert. Angebots- und Rechnungsschreiben sind damit ebenso möglich wie mehrseitige Berichte und Statistiken. Die dazu notwendigen Vorlagen können mit einem integrierten DTP-Modul individuell entworfen werden. Die ausgegebenen Daten lassen sich nicht nur formatieren, sondern auch Kopf- und Fußzeilen sowie Gruppenwechsel werden unterstützt.

Steckbrief

Hersteller: XDEV Software Corp.

Produkt: XDEV 2

Produktgruppe: Java-IDE für Rapid Application Development

Varianten und Preise:

  • XDEV 2 Professional Edition, 699 Euro;

  • XDEV 2 Enterprise Edition, 1699 Euro;

  • XDEV 2 Team Server, 4999 Euro.

Positiv

  • Hervorragender GUI-Builder;

  • erster Drag-and-Drop-Code-Editor;

  • Umschalten auf Basic- Syntax;

  • beliebig austauschbare Datenbankschnittstellen;

  • sowohl Rich-Client- als auch Web-Anwendungen möglich;

  • wird mit der postrelationalen Datenbank Caché ausgeliefert;

  • für Windows, Linux, Solaris und Mac OS X verfügbar;

  • keine Runtime-Lizenzen.

Negativ

  • Spartanische Aufgabenverwaltung;

  • noch wenig Tutorials verfügbar.

XDEV 2 eignet sich auch für die Entwicklung großer Business-Applikationen, denn neben dem Schreiben eigener Funktionen und Komponenten sind auch das Einbinden von GUI-Beans, Interoperabilität mit externen Anwendungen via Sockets sowie objektorientiertes Entwickeln möglich. Die IDE ist nach Java hin völlig offen und erlaubt es, alle Möglichkeiten der Sprache zu nutzen, weshalb XDEV 2 auch für erfahrene Java-Entwickler interessant sein dürfte. Externe Java-Klassen und APIs sowie Javabeans können problemlos eingebunden werden, was gleichzeitig die Skalierbarkeit garantiert.

In Bezug auf das Deployment hat der Entwickler die Wahl zwischen einer klassischen Rich-Client-Applikation, die automatisch unter Windows, Linux, Unix und auf dem Mac lauffähig ist, einer Web-Anwendung auf Java-Applet-Basis oder einer Java-Webstart-Applikation. Um eine Rich-Client-Anwendung auf eine Web-Anwendung umzustellen, muss lediglich das Projekt neu kompiliert werden. Weitere Anpassungen sind nicht erforderlich.

Fazit

  • XDEV 2 eignet sich vor allem zur Entwicklung von Business-Applikationen.

  • Durch die niedrige Einstiegshürde und die deutlich kürzeren Entwicklungszeiten im Vergleich zur klassischen Java-Programmierung lässt sich das Projektrisiko selbst bei zeit- und budgetkritischen Vorhaben verringern.

  • Für IT-Abteilungen, die über kein oder nur wenig Java-Know-how verfügen, ist XDEV 2 derzeit im Grunde die einzige Alternative, um schnell und kostengünstig auf Java umzusteigen.