Neugeschäft des Münchner PCM-Anbieters stagniert:

XA-Fähigkeit wird zum Problem für Amdahl

06.07.1984

CW-Bericht, Manfred Hasenbeck

MÜNCHEN - Die Amdahl Corporation, weltweit größter Anbieter von IBM-steckerkompatiblen Großrechnern, hat Probleme mit ihrer deutschen Tochter. Anhaltende Management-Querelen, mangelnde XA-Fähigkeit ihrer PCM-Prozessoren sowie die Verzögerungen der vor mehr als drei Jahren angekündigten High-end-Maschine 5880 und der Plattensysteme 8380 führten die Münchner GmbH jetzt in eine tiefe Krise: Seit Monaten stagniert das Neugeschäft der Amdahl Deutschland. Von der Auslieferung der ersten "XA-Rechner" in diesen Tagen erhofft sich der neue Geschäftsführer Christoph von Blankenhagen eine baldige Belebung.

Blankenhagen versprüht wohl nur Zweckoptimismus. Der Höhenflug, den die Münchner PCM-Filiale in 1983 noch unter der Führung des im Mai vorzeitig ausgeschiedenen Bernhard Sauer unternahm, scheint jedenfalls vorerst gebremst. So erzielte die GmbH im vergangenen Jahr mit einer Zuwachsrate von 74 Prozent und einem Umsatz von rund 100 Millionen Mark das beste Ergebnis seit ihrer Gründung im Herbst 1978.

Mit einem derartigen Resultat dürfte Sauer-Nachfolger Blankenhagen in diesem Jahr wohl nicht brillieren können. Amdahl-Verantwortliche lassen durchblicken, daß sie bei der augenblicklichen Geschäftslage mit einem "Null-Wachstum" schon zufrieden wären. Nach Aussagen von Dr. Peter Rother, XA-Projektmanager in der Londoner Europa-Zentrale des PCM-Lieferanten, stehe die derzeitige Entwicklung der GmbH indes keineswegs für ein spezielles Amdahl-Problem, sondern drücke vielmehr die Schwierigkeiten der deutschen Tochtergesellschaft aus. Kommentiert Rother: "Wir haben uns hierzulande massiv in die Ecke drängen lassen."

Die Ursachen der Krise sieht der Londoner PCM-Manager insbesondere in der fehlenden Verfügbarkeit der erweiterten Architektur (Extended Architecture = XA) innerhalb des Amdahl-Produktangebots. Großrechnerbenutzer hätten inzwischen XA zum "Thema Nummer eins" erklärt. Diese Ansicht vertritt auch Ex-Amdahl-Boß Sauer, der jetzt die Belange des Hamburger Broker- und Leasingunternehmens ICC vertritt. Der Anwender erwarte die Verfügbarkeit der erweiterten Architektur und mache sie mittlerweile zu einem zwingenden Muß beim Kauf eines PCM-Prozessors. Wenn wir es geschafft hätten, XA-fähige Maschinen Ende vergangenen Jahres auszuliefern, wäre das derzeitige Vertriebsloch nicht entstanden, bekräftigt Sauer.

Wie verantwortliche Mitarbeiter des PCM-Lieferanten bestätigen, habe die Verzögerung der Extended Architecture bei zahlreichen Kunden zu einer wachsenden Verunsicherung geführt. Während die IBM bereits Anfang 1984 auf die ersten XA-Installationen verweisen konnte, ließen sich Amdahl-Systeme nur dann verkaufen, wenn die Münchner vertraglich zusicherten, daß ihre Jumbos künftig auch mit dem Betriebssystem des Marktführers liefen.

XA-Upgrades mit Vorrang

Während sich Blankenhagen mit einer baldigen XA-Verfügbarkeit einen Aufschwung seines Rechnergeschäftes verspricht, stößt er in den eigenen Reihen auf erhebliche Skepsis. Zwar werde die erste XA-Aufrüstung noch in diesem Monat bei den Volkswagenwerken in Wolfsburg vollzogen, doch die Auftragsbücher der GmbH seien nach wie vor leer. Zudem bliebe der Amdahl-Crew kaum Zeit, neue XA-Maschinen zu installieren. Die Techniker seien in den nächsten Monaten vielmehr damit beschäftigt, die in 1983 verkauften Maschinen mit den zugesicherten XA-Upgrades auszustatten. Dies gilt als eine aufwendige Prozedur, die keineswegs die Kassen klingeln lasse, da die Benutzer die Aufrüstung im vergangenen Jahr bereits mitbezahlt hätten. Räumt Blankenhagen ein: "Der entstandene Order-Backlog kann sich ins erste Quartal 1985 verschieben.

High-end-Terrain an IBM

Die Schwierigkeiten der Amdahl Deutschland GmbH könnten sich demzufolge nach Ansicht von PCM-Beobachtern schon bald eher zuspitzen. Basierte der Absatzerfolg des kalifornischen Mainframe-Lieferanten in der Vergangenheit vor allem darauf, daß er die leistungsstärksten Maschinen im Markt anbot, so mußte

er in den letzten zwei Jahren das High-end-Terrain nahezu kampflos

dem Großrivalen IBM übergeben. Von der 1981 vorgestellten Jumbo-Serie 580 brachten die Techniker in Sunnyvale bislang nur das kleinste System (5860) zum Laufen. Dieser Rechner erwies sich lediglich als magerer Konterschlag gegen den IBM-Prozessor 3081K. Da die 5860 mit Performance-Macken behaftet war, wurde Amdahl mit einem weiteren Problem konfrontiert. Das bisher vortreffliche Technologie-Image wurde angeknackst - die Maschine kam in Verruf. Noch schlimmer: In Anwendungsbereichen, in denen ursprünglich die 5870- und 5880-Prozessoren zum Einsatz kommen sollten, machte sich schnell die IBM breit und pflasterte den Markt mit ihren 3084Q-Systemen zu.

Während sich in den USA das Gerücht hält, Amdahl wolle die Auslieferung seines High-end-Jumbos 5880 auf ungegrenzte Zeit verschieben, äußern sich Verantwortliche des PCM-Anbieters nur ungern über dieses Thema. Fest stehe indes, so Insider, daß die mittlere 580-Version, das System 5870, noch im Herbst dieses Jahres verfügbar sein werde. Wie Amdahl-Chef Blankenhagen sagt, könne die Erweiterte Architektur auf den anfänglichen ausgelieferten Maschinen erst ab zweitem Quartal 1985 gefahren werden. Die Aussage Blankenhagens bestätigt die Vermutungen von Mainframe-Spezialisten, daß die Rechnerprobleme des PCM-Produzenten hauptsächlich in XA liegen.

Chancenlos im 3380-Geschäft

Während mit schleppendem Mainframe-Absatz die wichtigste Umsatzsäule Amdahls allmählich abzubröckeln beginnt, gerät durch die diffizile Situation im deutschen Plattenspeichergeschäft auch ein zweites Standbein der GmbH ins Wanken. Da Amdahl-Hoflieferant Fujitsu es nicht schaffte, die Massenproduktion von Dünnfilmplatteneinheiten in den Griff zu bekommen, konnte die IBM mit ihren vorzeitig lieferbaren 3380-Systemen den Massenspeichermarkt nahezu eineinhalb Jahre ungehindert abgrasen (siehe auch CW Nr. 6 vom 3. 2. 1984, Seite 1). Als die ersten Systeme Anfang dieses Jahres von japanischen Bändern liefen, konterte der Marktführer mit einem neuen Vertriebspartner, der Münchner Siemens AG. Der süddeutsche Elektrokonzern durfte fortan die IBM-3380-Platteneinheiten zum PCM-Preis vermarkten, die Amdahl-Bosse konnten nicht mithalten. Die deutschen Statthalter, die dem Vernehmen nach in den vergangenen Jahren etwa 30 Prozent ihres Umsatzes mit Speichersystemen machten mußten insbesondere vor der Siemens-Preispolitik kapitulieren, denn die US-Mutter in Sunnyvale war nicht bereit, diese Preisakrobatik nachzuturnen. Der Elektroriese bot Original-IBM-Equipment bis zu 30 Prozent unter dem Listenpreis der Stuttgarter an. Folge: Amdahl konnte bislang in Deutschland noch kein vergleichbares System installieren heißt es in PCM-Kreisen.

Wie XA-Manager Rother versichert, habe es hierzulande einige Bestellungen für die 6380-Platteneinheiten gegeben, die aber storniert wurden, weil sich die Benutzer für die preisgünstigeren Siemens/IBM-Geräte entschieden. Ärgert sich Ex-Geschäftsführer Sauer über die Produktstrategie seiner einstigen Vorgesetzten: "Es war ein strategischer Fehler, die 6380-Plattensysteme bei dem vorgegebenen Preis überhaupt anzukündigen." Er habe versucht, seinen Bossen zu verdeutlichen, daß die Amdahl-Speicher hierzulande nur dann wettbewerbsfähig seien, wenn er sie ebenso günstig wie die Siemens-Platten anbiete. Dabei stieß Sauer nach eigenen Worten vor allem bei Europa-Chef Peter Williams auf taube Ohren.

Inkompetenz im Management

In den Aussagen des ehemaligen Amdahl-Lenkers drückt sich der zwischen ihm und seinem direkten Vorgesetzten seit längerem schwelende Konflikt aus. So führt der jetzige ICC-Manager denn auch als Grund für sein frühzeitiges Ausscheiden in der GmbH die ständig wachsenden Kontroversen mit Williams an. "Ich hatte keine Lust mehr, mich mit einem absolut inkompetenten Manager auseinanderzusetzen", höhnt Sauer. Er habe 60 Stunden pro Woche gearbeitet und mindestens 50 Prozent seiner Zeit damit verbracht, Entscheidungen nachzulaufen oder eigene Entscheidungen zu verteidigen. Die gleichen Probleme wurden auch Sauer-Vorgänger Dieter Knoppke nachgesagt, der im Oktober 1981 die Koffer packte. Meinungsverschiedenheiten mit Williams gelten auch als Ausscheidungsgrund von Hans Jörg Aschmann, dem Geschäftsführer der schweizerischen Amdahl-Gesellschaft, der zum gleichen Zeitpunkt wie Sauer das Unternehmen verließ.

Fujitsu ziehlt auf Europa

Williams scheint jetzt die Quittung für seine Management-Praktiken zu erhalten. Wie aus dem Hauptquartier des Unternehmens verlautet, werde der Londoner Europa-Chef ab Herbst seines derzeitigen Postens enthoben, um künftig "internationale Aufgaben" in Sunnyvale zu übernehmen. Aber auch im sonnigen Kalifornien dürfte Williams einen schweren Stand haben. Nachdem sich der Anteilseigner Fujitsu durch einen geschickten Aktiendeal im Frühjahr 1984 nahe an einen 50-Prozent-Besitz der Corporation heranschieben konnte, wollen die Japaner nach Informationen aus dem Silicon Valley über ihre "De-facto-Kontrolle" die Fäden bei ihrem PCM-Partner selbst in die Hand nehmen. Dabei machten die Nippon-Leader augenblicklich Tabula rasa und strebten entscheidende Managementpositionen an.

In Amdahl-Kreisen spricht man bereits über eine Zweiteilung der Unternehmensorganisation. Diese könne so aussehen, daß die Amerikaner weiterhin den US-Markt beackern, während die europäischen Gesellschaften künftig unter der Aufsicht der Japaner operierten. Nachdem Fujitsu-Vertreiber Siemens unlängst durch sein IBM-Plattenspeicher-Abenteuer abtrünning wurde und das Rechner-Geschäft beim britischen Nippon-Partner ICL nur äußerst zäh läuft, halten auch deutsche PCM-Kenner ein Europa-Engagement der Asiaten für möglich.