CW Spezial Top 100 - Servermarkt

x86-Server bedrohen Legacy-Systeme

30.09.2011
Von 
Jan-Bernd Meyer betreute als leitender Redakteur Sonderpublikationen und -projekte der COMPUTERWOCHE. Auch für die im Auftrag der Deutschen Messe AG publizierten "CeBIT News" war Meyer zuständig. Inhaltlich betreute er darüber hinaus Hardware- und Green-IT- bzw. Nachhaltigkeitsthemen sowie alles was mit politischen Hintergründen in der ITK-Szene zu tun hat.

Dell hat viel in Energie in seine Data-Center-Strategie gesteckt

COMPUTERWOCHE: Wenn man über die Großen im Serversegment redet, muss man über Dell reden. Dieses Unternehmen ist irgendwie im Gegensatz zu den anderen wichtigen Wettbewerbern nicht so richtig greifbar. Es ist immer nur im Standardsystemgeschäft mit x86-Maschinen tätig gewesen. Wie kann man sich erklären, dass Dell mit Standardprodukten doch so viel Erfolg hat?

Butler: Dell hat viel Energie in die Entwicklung einer Data-Center-Strategie gesteckt. Das sieht man allein schon an den Zukäufen: Compellent, Equalogic schon vor Jahren. Heute hat Dell ein ziemlich vollständiges Portfolio an Produkten. Dell kann heute sehr interessante integrierte Lösungen anbieten. Mit dem Zukauf 2010 von Scalent hat sich Dell ferner eine Softwarearchitektur einverleibt, mit der es – sicher nicht heute, aber mittelfristig – die Compellent- und Equalogic-Storage-Technologien als zueinander komplementär verkaufen kann. Die Administration dieser beiden Produktlinien lässt sich via Scalent zunehmend integrieren. Dell ist in der Lage, eine sehr gute Converged-Infrastructure-Lösung anzubieten.

Aber mit Ihrer Frage deuten Sie schon die größte Herausforderung für Dell an: Im Bewusstsein der Branche, der Anwender und potenziellen Kunden gilt Dell als das Unternehmen, an das man sich wendet, wenn man preiswerte x86-Server kaufen will. Dell wird nicht als Schwergewicht in Sachen Data Center angesehen. Das ist die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Und die Herausforderung für Dell ist, sich zu repositionieren. Dell muss sich das Image als Data-Center-Spezialist, als Integrator und Modernisierer verschaffen. Das ist alles andere als leicht. Aber Dell macht da langsam Fortschritte.

COMPUTERWOCHE: Bleibt Hewlett-Packard: HP scheint – einmal abgesehen von der Debatte um die Lebensfähigkeit der PA-Risc-Plattform – wenige Probleme zu haben.

Butler: Auch hier gilt das Gesagte: Ich sehe nicht, dass PA-Risc für HP ein zu großes Problem darstellt. HP hat immer noch PA-Risc-Kunden. Die Strategie von HP ist, diese Kundschaft auf Itanium zu migrieren …

COMPUTERWOCHE: … aber bezüglich Itanium scheint HP ein größeres Problem zu haben, nachdem Oracle die Plattform nicht mehr unterstützen will.

Butler: Das ist in der Tat das vordergründig größte Problem, das HP mit Itanium hat: die Ankündigung von Oracle, die Entwicklung für diese Plattform einzustellen. Das wird für HP eine riesige Herausforderung. Anwender, die gerade erst in die Itanium-Plattform investiert haben und vielleicht sogar Oracle-Workloads darauf fahren, haben für die nächsten vier, fünf Jahre sicherlich keine Probleme. Die Schwierigkeiten haben all die Anwender, die alte PA-Risc-Systeme nutzen und gerade überlegen, diese Systeme durch Itanium-Maschinen aufzufrischen, womöglich, um dann auch noch Oracle-Workloads darauf zu fahren. Hier kann man sich schon fragen, ob dies einen Sinn ergibt. Kann schon sein – wenn jemand sich ein Itanium-System zulegt, dann unter der Prämisse, dass er ein Upgrade will, das einfach zu handhaben ist, das vergleichsweise preiswert ist und das ein schnelles System garantiert. Unter dem Aspekt, mit möglichst wenigen Problemen und ohne großen Umstellungsstress so ein Upgrade zu handhaben, da ist das durchaus von Nutzen. Solche Anwender können dann ohne Kopfzerbrechen ihre Oracle-Workloads in den kommenden vier, fünf, sechs Jahren nutzen. Je länger jemand aber mit solch einem Upgrade wartet – etwa erst im nächsten oder übernächsten Jahr –, desto problematischer wird die Entscheidung.

HP muss jetzt anfangen – beziehungsweise die HP-Klientel muss dies tun –, eine „Erfolgsgeschichte“ zu entwickeln, also klar zu sagen, wie lange eine Itanium-Oracle-Strategie noch sinnvoll ist. Auf längere Sicht wird es HPs Ansatz sein müssen, seine Kundschaft von Oracle-Workloads wegzumigrieren, etwa auf DB2 oder Sybase, oder eine Alternativ-Hardwareplattform wie x86/Linux zu protegieren statt Unix. HPs Aufgabe wird also sein, Alternativen anzubieten – hier vorzugsweise die x86-Plattform.
Allerdings muss HP aufpassen: IBM wird diese Klientel seines Konkurrenten sehr aggressiv umwerben. Das kann ein Hardware- oder ein Oracle-Alternativangebot sein. Beide Möglichkeiten funktionieren.