X/Open: Wir bleiben unabhaengig COSE-Oberflaeche avanciert im Eilverfahren zum Standard

13.08.1993

MUENCHEN (gfh) - Eine Ablehnung der COSE-Techniken als Open- Systems-Standard darf nicht vorkommen. Unter diesem Motto laeuft das Eilverfahren, mit dem X/Open die von den COSE-Mitgliedern eingereichte grafische Standard-Benutzerumgebung fuer Unix ueberprueft.

"Wir sind nicht der verlaengerte Arm von Sun, IBM, HP und USL", verteidigt Michael Lambert, Technical Director von

X/Open den Anspruch seiner Organisation auf Herstellerunabhaengigkeit. Sie habe lediglich die Vorschlaege auf Open-Systems-Konformitaet zu pruefen.

Um die Unabhaengigkeit der Organisation zu garantieren, sei es keinem Mitglied erlaubt, sich durch besonders hohes finanzielles Engagement einen groesseren Einfluss zu verschaffen. Lambert konzediert allerdings, dass besonders grosse Hersteller auf die Richtung einer Spezifikation insofern einwirken koennen, als sie es seien, die in der Regel die technischen und menschlichen Ressourcen zur Ueberpruefung der Vorschlaege bereitstellen. Ausschlaggebend sei jedoch einzig die formale Schlussabstimmung - und hier stuenden selbst HP und IBM nur zwei von 18 Stimmen zu.

Darueber hinaus streitet Lambert ab, dass der regulaeren Ablauf bei X/Open zugunsten die COSE-Initiative veraendert worden sei. So sei das im Falle des COSE-Vorschlags fuer ein Common Desktop Environement (CDE) gewaehlte Fast-track-Verfahren schon immer Teil der Spezifikation gewesen. Der Technical Director raeumt indessen ein, dass der formale

X/Open-Prozess fuer CDE erstmals durch die Einrichtung der Common Desktop Environment Working Group (Desktop Group) ergaenzt wurde.

Diese Gruppe soll schon vor dem eigentlichen Spezifikationsprozess sicherstellen, so Lambert, "dass alles so funktioniert, wie es sich die Branche und X/Open vorstellen". Ohne dieses Gremium sei es hoechst unwahrscheinlich, dass ein Vorschlag das ordentliche Verfahren ohne zeitaufwendige Beanstandungen durchlaufe. X/Open

wolle jedoch nicht riskieren, dass die Hersteller ihre fuer Mitte 1994 geplante Freigabe von Desktop-Produkten nicht einhalten koennen.

Finanziert wird die Desktop Group von ihren Teilnehmern. Das sind neben den vier CDE-Initiatoren all jene Unternehmen, die bereit sind, sich finanziell zu engagieren. Da pro Sitzung zu zahlen ist, kann sich die Zusammensetzung laufend aendern. Staendige Mitglieder sind lediglich die Initiatoren, die sich dadurch einen ueberproportionlalen Einfluss auf die Entwicklung der Destop- Umgebung sichern koennen.

Dennoch vertraut Lambert darauf, dass es nicht zu Kungeleien kommt. Schliesslich muessten sich die Ergebnisse auch im regulaeren X/Open-Prozess bewaehren. Dieser wird jedoch durch das Fast-track- Verfahren abgekuerzt.

Im X/Open-Ablauf erarbeitet normalerweise eine eigene Arbeitsgruppe einen Standardisierungsvorschlag, bevor er in den eigentlichen Spezifikationsprozess eingeschleust wird. In dem fuer die Desktop-Umgebung gewaehlten Eilverfahren entfaellt diese Stufe jedoch.

Fuer die Aufnahme in das Eilverfahren muss der Vorschlag nach X/Open-Angaben eine Reihe von Qualitaetstests durchlaufen und vor allem die Zustimmung von 75 Prozent des zustaendigen Gremiums gewinnen. Dieses ist mit den Anteilseignern, einer Reihe von kleineren Unternehmen, die als technische Berater fungieren, sowie je einem Vertreter der Anwender und der Independent Sofware Vendors (ISVs) besetzt. Insgesamt gibt es 18 stimmberechtigte Mitglieder. Vier davon sind sowohl X/Open-Sponsoren als auch COSE- Mitglieder, naemlich HP, IBM, Sun und USL.

Da an der Zustimmung zum Eilverfahren im Falle der Desktop- Umgebung nicht gezweifelt wird, duerfte der fuer die Jahreswende bei X/Open erwartete COSE-Vorschlag unverzueglich zur regulaeren Pruefung weitergegeben werden. Trotz der detaillierten Vorarbeit haben laut Lambert alle COSE-Mitglieder zugesichert, jede Aenderungsforderung auszufuehren.

Erst dann durchlaeuft der Vorschlag den ueblichen Weg der in einer Schlussabstimmung muendet. Involviert sind hier alle Anteilseigner von X/Open sowie die Vertreter der Anwender und der ISVs.

Lambert sieht in diesem demokratischen Procedere einen wesentlichen Garanten fuer die Unabhaengigkeit von X/Open. Einen Automatismus zur unkritischen Durchschleusung von Spezifikationen gebe es nicht.