x-faches BeziehungsManagement

30.08.2012
Die CRM-Zukunft heißt xRM. Das Besondere daran: Die Software bildet nicht nur Kunden-, sondern auch beliebig viele andere Beziehungsgeflechte ab. Lösungen dafür gibt es schon.

Begonnen hat die Geschichte von XRM bereits in den 90er Jahren. Damals stand das Kürzel für Extended-Relationship-Management und sollte zum Ausdruck bringen, dass sich damit alle möglichen Arten von Beziehungen darstellen ließen. In der Folge hat sich allerdings bis heute - auch infolge des Wandels der Märkte - vor allem die Kurzform CRM für das Management der Kundenbeziehungen (Customer-Relationship-Management) durchgesetzt. Im deutschsprachigen Markt buhlen derzeit rund 150 CRM-Softwarehersteller um die Gunst der Kunden.

xRM statt XRM

CRM-Systeme unterstützen in erster Linie Vertrieb, Marketing und Service. Vorrangiges Ziel dabei ist, den Kunden einen 360-Grad-Blick auf die Absatzmärkte und damit möglichst vollständige Transparenz zu bieten. Die Kundenorientierung steht seit mehr als zehn Jahren im Fokus. Wobei anzumerken wäre, dass der CRM-Markt noch lange nicht gesättigt und nach wie vor großes Investitionspotenzial vorhanden ist. Allerdings taucht im CRM-Geschäft jetzt der Begriff "xRM" wieder neu auf, nun jedoch mit kleinem "x" geschrieben und mit anderer Bedeutung. Das x im Akronym steht für "Any", "Anything Relationship Management" wird als natürliche Weiterentwicklung des CRM verstanden.

Der neuen Benennung liegt die Überlegung zugrunde, dass mit der Technik und Logik von CRM-Systemen auch andere Beziehungen inner- und außerhalb der Unternehmen abgebildet werden können. Clevere Anwender nutzten ihr CRM-System längst auch für die Verwaltung von Beziehungen zu Lieferanten und Geschäftspartnern wie Presse, Ämtern oder Behörden. Für ein einfaches Kontakt-Management mag das CRM-System dabei auch hier durchaus genügen. xRM möchte jedoch diese vielfältigen Beziehungen mit ihren speziellen Anforderungen jeweils mit der dafür geeigneten Funktionalität unterstützen.

Wer macht was mit wem?

Das "x" soll dabei wie in der Mathematik eine unbekannte Variable darstellen und zum Ausdruck bringen, dass es um das Management beliebiger Arten von Beziehungen geht und nicht mehr nur um Kunden wie bei CRM. Als Zielgruppen werden alle Stakeholder eines Unternehmens wie Lieferanten, Behörden, Presse, die Öffentlichkeit und Mitarbeiter betrachtet. Daneben stellen Firmen in verschiedenen Branchen jedoch sehr unterschiedliche Anforderungen an ihre Geschäftsbeziehungen, woraus sich völlig neue Branchenlösungen und auch Abkürzungen ergeben, etwa

• im Einkauf die Beziehungen mit Lieferanten (SRM = Supplier-Relationship-Management),

• zu Mitgliedern in Vereinen und Verbänden (MRM = Mitglieder-Relationship Management),

• in Spenden- und Non-Profit-Organisatio-nen,

• im Gesundheitsmarkt (HRM = Healthcare- Relationship-Management),

• im Personalwesen (HRM = Human-Relationship-Management oder Human-Ressource-Management),

• im Beziehungsgeflecht von Universitäten und Hochschulen,

• im Event-Management für die Organisation von Veranstaltungen,

• als Bürgerinformationssystem in Behörden.

Zu den branchenspezifisch neu geschaffenen Beziehungskategorien innerhalb des Relation-Managements gesellen sich weitere geschäftliche Beziehungsebenen zu Objekten und Sachen: zum Beispiel Produkte, Seminarräume, Hotelzimmer, Anlagegüter, Immobilien, Fahrzeuge, Schiffe, Tiere sowie virtuelle Güter wie Projekte, Konzerttickets, Campingstellplätze, Ferienziele, Dokumente, Verfahren, soziale Netzwerke usw.

"x"-beliebige Ebenen abbilden

Vereinfachend kann man also von einer Erweiterung der CRM-Strategie auf alle möglichen, x-beliebigen Beziehungsebenen eines Unternehmens sprechen. Damit erweitert sich der Blickwinkel gegenüber der reinen Kundenorientierung, die das Hauptziel von CRM seit Beginn dieses Trends war. Alle Beziehungen eines Menschen, eines Unternehmens und einer Organisation zur Umwelt sollen mit dem Management-Konzept xRM erfasst und abgebildet werden können.

Viele Anbieter kennen xRM nicht

Noch aber hat sich der Begriff xRM selbst unter den Anbietern nicht durchgesetzt. Das zeigte auch eine Befragung auf der CRM-expo im Jahr 2010, als 60 Prozent der Aussteller mit dem Terminus xRM nichts anfangen konnten. Das verwundert nicht, weil xRM den bislang auf Vertrieb und Kunden gelegten Schwerpunkt verlässt. Das neue Akronym wird noch eine Weile brauchen, um sich neben CRM und ERP zu etablieren. Die Treiber dieses Konzepts sind Forschungseinrichtungen, Softwareanbieter, aber auch Anwenderunternehmen.

Bei einer aktuellen Online-Befragung unter rund 150 überwiegend deutschen CRM-Anbietern gab ein Drittel an, bereits Projekte außerhalb der klassischen CRM-Einsatzgebiete Vertrieb, Marketing und Service, also im Zielgebiet von xRM, umgesetzt zu haben. Darunter waren 78 Prozent CRM-Softwarehersteller und 22 Prozent Systemintegratoren sowie Partnerfirmen.

Branchenlösungen etablieren sich

Die Analyse der Anwendungsgebiete und Branchen von xRM-Projekten unterstreicht, dass sich die Vorhaben jenseits des klassischen CRM-Einsatzes abspielen:

• Ein Hersteller für Babynahrung hatte sich zum Ziel gesetzt, das komplexe Geflecht aus Kinderkliniken, Geburtshelfern, Hebammen, Gynäkologen, Entbindungsstationen, Abteilungen, Klinikärzten, Krankenschwestern, Kinderärzten, Fachärzten, Arzthelferinnen etc. übersichtlich und navigierbar abzubilden.

• In der Baubranche ist es das vielfältige Zusammenwirken von Bauherren, Bauträgern, Baufirmen, Handwerkern, Baubehörden, Architekten, Statikern, Bauleitern sowie Objekten wie Bauanträgen, Bauplänen und Ausschreibungen, das mit Hilfe von xRM geregelt werden könnte.

• Die Energieversorger wollen über xRM-Anwendungen nicht nur die Stromabnehmer, sondern auch die Zähler, Zählerstände und Konten verwalten.

• Ein Bürgerinformationssystem in der öffentlichen Verwaltung soll für Bürger Anträge, Serviceanfragen, verschiedene Bereiche aus Meldebehörden, Kfz-Zulassung und Passabteilungen koordinieren.

• Der öffentliche Sektor möchte Beziehungsstrukturen mit Bürgern besser organisieren. Eine Lösung für ein Finanzamt behandelt die Abwicklung von Steuern und Abgaben, Zweitwohnungssteuer, Vergnügungssteuer, gesplittete Abwassergebühr sowie die Kommunikation mit den Bürgern.

• Ein Tierheim versucht, die Beziehungen zwischen den Züchtern, bisherigen Besitzern, Tierärzten und Interessenten auf Grundlage von xRM zu managen.

xRM eröffnet neue Einsatzfelder

Wirft man heute einen genaueren Blick auf die xRM-Projekte, so zeigt sich, dass sie gleichermaßen von Anbietern und Anwendern angestoßen werden. Wenngleich der Ausgangspunkt der Vorhaben bislang zumeist auf der CRM-Ebene lag, ist ein Trend zu xRM unverkennbar. 57 Prozent von 51 befragten Softwareanbietern erwarten in künftigen Kundenanfragen eine starke beziehungsweise sehr starke Tendenz in Richtung xRM. Entsprechend optimistisch bewerten die Anbieter das zusätzliche Potenzial für neue Einsatzgebiete ihrer CRM-Software infolge des xRM-Trends. Drei Viertel dieser Anbieter sehen darin große bis sehr große Chancen für neue Markt- und Umsatzfelder.

xRM vernetzt Menschen und Dinge

Johannes Britsch, xRM-Experte am Institut für Mittelstandsforschung der Universität Mannheim, erachtet die zunehmende Netzdichte im Geschäftsumfeld als einen Grund für die Entwicklung auf diesem Gebiet: "Immer häufiger werden Menschen und Dinge digital miteinander verknüpft." Daraus hätten sich neue Beziehungsstrukturen, Prozesse und Geschäftsmodelle ergeben, für deren Management in den letzten Jahren neue xRM-Plattformen entwickelt worden seien.

Wolfgang Schwetz ist Inhaber des CRM-Beratungshauses Schwetz Consulting in Karlsruhe, Mitglied im CRM-Expertenrat und gibt den "CRM-Marktspiegel" heraus.