DEC-System schafft offene Kommunikation

X.400 muß die Wertschöpfung der "gelben Post" erbringen

19.07.1991

X.400 entstand aus der Erkenntnis, daß herstellerspezifische Lösungen den Anforderungen offener Kommunikationssysteme nicht genügten. Deshalb erfuhr der Standard seine ersten systemtechnischen Realisierungen in Form von Schnittstellen, um die die bestehenden Systeme zum Austausch elektronischer Nachrichten erweitert wurden. Erst in den letzten zwei Jahren entwickelte die Industrie Techniken, die den Standard effektiv umsetzen und technische Übergangslösungen überflüssig machen.

Hemmschuh einer offenen, systemunabhängigen und organisationsübergreifenden Kommunikation war bisher das Fehlen geeigneter Systeme, die tatsächlich eine Funktionalität bieten, welche die Wertschöpfungskette "Kommunikation technisch ausführen" abbilden. X.400-Schnittstellen an bestehenden Systemen sind eine technische Grundvoraussetzung, die bei weitem nicht ausreicht. Arbeitet ein Mitarbeiter der Firma A mit einem elektronischen Mail-System und sein Geschäftspartner in der Firma B mit einem anderen, so können sie nicht ohne weiteres elektronisch ihre Korrespondenz austauschen, selbst wenn ihre Systeme über X.400-Schnittstellen verfügen .

Diese Umsetzung des X.400-Standards regelt nämlich lediglich, daß bildlich ausgedrückt das Format des Briefumschlags der das eine Gebäude verläßt, in den Briefkasten des Adressaten paßt und daß die Adressierung verständlich und eindeutig ist. Auf diese Art und Weise ist aber der elektronische Brief noch nicht effektiv von Firma A zu Firma B übertragen. Dazu gehört mehr: Inhalt der Adreßfelder, Übertragungsprotokolle, genutzte Dienste, Dienstübergänge und Konvertierungen sowie Netzübergänge sind einige der Stichpunkte, die abzuarbeiten sind, bevor eine elektronische Kommunikation auch tatsächlich vollzogen wird. Mit anderen Worten: Die Wertschöpfung, welche die sogenannte "gelbe Post" erbringt, muß auch geleistet werden, wenn die Übermittlung elektronisch erfolgen soll, nämlich im einzelnen das Sammeln der Post, Sortieren, Übertragen, Verteilen und Ausliefern.

Systemlösungen, die eben diese Anforderungen erfüllen, sind seit einiger Zeit verfügbar. Eine davon stammt von Digital Equipment und nennt sich "Telecom/400G-X". Es handelt sich dabei um ein System, das die für eine offene Kommunikation erforderliche Infrastruktur bietet. Das System dient als Drehscheibe für elektronische Kommunikation oder als elektronisches Postamt und ist für die Integration bestehender Anwendungen konzipiert.

Telecom/400G-X kann mehr als nur Mail-Systeme unterschiedlicher Hersteller miteinander verbinden. Beispielsweise sind VAXmail, All-in-1-Mail, Disoss, Profs und Memo standardmäßig integrierbar. Neben diesen Übergängen auf der System- und Anwendungsebene läßt sich aber auch auf unterschiedlichen Dienstebenen kommunizieren. So gibt es Gateways zu Telefax und Telex und allen sonstigen X.400fähigen privaten und öffentlichen Mail-Diensten. Es kann also auf diese Art beispielsweise ein All-in-1-Anwender seine Nachricht elektronisch an einen Geschäftspartner schicken, der nur über ein Telefax-Gerät verfügt, und gleichzeitig eine Kopie an einen Telex-Nutzer versenden. Verteilerlisten sind im System speicherbar. Für Anwender, die bisher noch kein Mail-System im Einsatz hatten, bietet das DEC-Produkt eine eigenständige Mailbox-Lösung.

Zum Einsatz kommt Telecom/400G-X bei öffentlichen und privaten Anbietern von Telekommunikations-Dienstleistungen.

Die Telekom hat ihren seit kurzem angebotenen Mailbox-Dienst auf X.400-Basis, genannt Telebox-400, auf einem solchen

System realisiert. Die private Dienstleistungs-Gesellschaft

Comlink in Dänemark ist eine weitere Referenz. Ähnliche, den örtlichen Besonderheiten angepaßte Systeme sind in den USA im Einsatz.

Die Nutzung solcher X.400-Lösungen ist aber auch für interne Dienstleistungsabteilungen großer Organisationen, etwa für Zweckverbände und Konzerne, interessant. Sie stehen letztlich vor derselben Aufgabe wie öffentliche Dienstbetreiber: Die Anwender diverser Mail-Systeme, Fax-Nutzer und Telex-Teilnehmer müssen in der Lage sein, mit dem jeweils verfügbaren Medium über die System-, Dienst- und Anwendungsgrenzen hinweg zu kommunizieren. Derartige Forderungen werden immer dringlicher. Die Märkte ändern sich rascher als in der Vergangenheit, Konzerne sind gezwungen, schneller als bisher zu reagieren. Zukäufe von Unternehmen und neue Unternehmensverbindungen unterschiedlicher Art gehören zur Tagesordnung.

An die Organisationsabteilungen und die erforderliche Telekommunikations-Infrastruktur werden deshalb die Anforderungen hinsichtlich Flexibilität immer höher. Gleichzeitig sehen sich solche Abteilungen einem zunehmenden Kostenbewußtsein gegenüber. Immer häufiger werden sie als Profit Center geführt. Das bedeutet, daß sie in der Lage sein müssen, ihre erbrachten Dienstleistungen zu verrechnen. Telecom/400G-X bietet deshalb nicht nur eine Systemadministration, die den hohen Anforderungen professioneller Dienstleistungsunternehmen genügt, sondern auch die Erfassung der Nutzungsdaten und zugehörige Statistiken. Damit ist die Voraussetzung für die Datenweiterverarbeitung und Verrechnung sichergestellt.

Aufgrund seiner Konzeption bietet das DEC-System zur Abwicklung von Mehrwertdiensten wie zum Beispiel elektronischen Datenaustausch (Electronic Data Interchange) die geeignete Infrastruktur. Mit zunehmendem Trend zu verringerter Lagerhaltung und Just-in-time-Fertigung wird insbesondere der elektronische Austausch des Bestellverkehrs zwingend notwendig. Durch die Verfügbarkeit eines PC-User-Agents ist auch sichergestellt, daß mittelständische Industrie, Kleinunternehmen oder auch freiberufliche Geschäftspartner integrierbar sind, die nicht über ein Computersystem verfügen. Dabei sind die PCs wahlweise über ein X.25-Netz (zum Beispiel Datex-P) oder das Telefonnetz mittels Modem anschließbar.

Telecom/400G-X ist also dann sinnvoll einsetzbar, wenn mehrere verschiedene Kommunikationsmittel zu verknüpfen sind. Die Ausbaufähigkeit des Systems wird auch stark wachsenden Nutzerzahlen gerecht. Die Konformität mit dem internationalen Standard X.400 gewährleistet die Offenheit zum Anschluß beliebiger Systeme, die ebenfalls diesem Standard folgen. Hohe Anforderungen an Flexibilität, Anpassungsfähigkeit, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit werden erfüllt. Durch den Einbau von integrierten Informationssystemen in unternehmensweite Netzwerke oder öffentliche oder private Dienstleistungsnetze wird die Implementierung des Standards X.400 maßgeblich vorangetrieben. Damit ist ein wichtiger Fortschritt in Richtung auf offene, systemunabhängige Kommunikation vollzogen.