Kommentar

Wunsch und Wirklichkeit

14.02.1997

Nimmt man die Eindrücke von der OOP '97 für bare Münze, dann arbeiten die Unternehmen noch in diesem Jahr alle mit objektorientierten Komponenten. Microsoft-Techniken spielen dann außer bei Siemens-Nixdorf und einigen kleinen Softwarebuden keine Rolle mehr. Active X ist als Middleware-Konkurrent zum Corba-Standard bedeutungslos, und selbst der Szene-interne Sprachstreit ist beigelegt: C++ eignet sich für Embedded-Systeme und hardwarenahe Programmierung, Smalltalk hat sich für Geschäftsanwendungen etabliert, und Java ist die Intranet-Sprache der Wahl. Doch schon hier zeigt das Wunschbild Risse. Unübersehbar war die durch den Java-Boom ausgelöste Verunsicherung in der Smalltalk-Gemeinde. Auch ist der Schluß von der Abwesenheit der Microsoft-Fraktion auf ihre Nichtexistenz unzulässig. Diese Programmierer brauchen keine OOP, sie bekommen ihre Informationen direkt vom Hersteller und ihre strategischen Vorgaben von den Redmond-orientierten Geschäftsleitungen.

Dennoch liegt der Wunsch der Wirklichkeit nicht allzu fern. Unstreitig hat sich die Objektorientierung etabliert, Pilotprojekte weichen immer öfter ernsthaften Geschäftsanwendungen. Ein klares Zeichen, daß es sich bei dem Java-Boom nicht um ein Strohfeuer handelt, setzen Applix und Corel mit ihren Office-Paketen. Vor allem brennen die Entwickler darauf, mit dem Java Developer Kit ein Toolset zur massenhaften Produktion von Applets zu bekommen. Ob nun Microsoft oder die Konkurrenten die Nase vorn haben, die Weichen in eine von der gesamten Branche gewollte objektorientierte Softwarezukunft mit einer Komponentenindustrie sind gestellt.gfh