Wachstumshoffnung Breitband

Worüber die Telekom stolpern könnte

27.07.2016
Eigentlich hat die Telekom gerade einen Lauf wie seit Jahren nicht. Umsatz und Gewinne sprudeln wieder, weil sich die teuren Investitionen in die US-Mobilfunktochter zunehmend auszahlen. Doch unter der Oberfläche muss Chef Tim Höttges im lukrativen Heimatmarkt gleich an mehreren Fronten darum kämpfen, dass es auch so bleibt.

Zwar hat sich der Konzern im monatelangen Streit um die Vectoring-Technik nun weitgehend durchgesetzt, die EU-Kommission hat unter Auflagen grünes Licht für die Pläne der Bundesnetzagentur gegeben. Die Telekom will in bestimmten Netzbereichen die Leitungen exklusiv mit Vectoring-DSL betreiben und so mit schnellerem Internet bei rund 6 Millionen Kunden punkten. Rivalen warnen aber vor einem neuen Quasi-Monopol. Denn technisch werden bei dem Verfahren Störungen nah beieinander liegender Frequenzen im Kupferkabel herausgefiltert - was aber nur geht, wenn ein Anbieter allein die Kontrolle über alle Leitungen am Kabelverzweiger hat.

Dank DSL, Vectoring und Fernsehangeboten soll die Telekom-Kasse klingeln.
Dank DSL, Vectoring und Fernsehangeboten soll die Telekom-Kasse klingeln.
Foto: Telekom

Die grundsätzliche Kritik: Mit Vectoring, so wettern die Wettbewerber-Verbände VATM, Breko und Buglas, werde eine Übergangstechnik gefördert und die superschnelle Glasfaser als Zukunftstechnologie benachteiligt.

Symptomatisch für die Auseinandersetzung sind kleine Nicklichkeiten. Als der Netzanbieter United Internet mit seiner Marke 1&1 vor Jahresfrist im Festnetz-Test einer Fachzeitschrift vor der Telekom landete, spöttelte das Unternehmen von Internetunternehmer Ralph Dommermuth in Werbespots genüsslich über den ehemaligen Staatskonzern. In Bonn dürfte man es mit Genugtuung zur Kenntnis genommen haben, dass die Konkurrenz aus dem Westerwald dieses Jahr wieder auf die Plätze verwiesen wurde. Zuvor nahmen die Telekom-Werber in eigenen Spots ihrerseits 1&1 auf die Schippe.

Geplänkel, könnte man meinen. Dabei ist es durchaus ernst für Europas größten Telekomkonzern. In den fest verlegten Leitungen schlummert nämlich aktuell das größte Wachstumspotenzial. "Mit schnellen Netzen und günstigen Tarifen wollen Telekommunikationsanbieter wie die Deutsche Telekom die Zahl Ihrer Internet-TV-Nutzer verdoppeln und die Marktstellung im Festnetz sichern", sagt Experte Werner Ballhaus, bei der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (Pwc).

Im Mobilfunk lässt sich der schnelle Datenfunk LTE wegen des harten Preiskampfs in Deutschland derzeit nach wie vor nicht dauerhaft in höhere Rechnungen ummünzen. Und der künftige superschnelle Funkstandard 5G, der viele Geräte im Internet der Dinge vernetzen soll, wird wohl erst um das Jahr 2020 marktreif.

Im Breitbandfestnetz wollen Höttges und Deutschland-Chef Niek Jan van Damme den Umsatz dagegen bis 2018 jährlich im Schnitt um 2 Prozent steigern. Mit DSL, Vectoring und Fernsehangeboten zusammen sollen die Rechnungen wieder wachsen. Zuletzt gelang das immer besser. Einen regelrechten Boom legte das TV-Angebot über das Internet hin.

Videostreaming, Computerspiele, Virtual Reality - all das soll in hoher Auflösung ruckelfrei ins Wohnzimmer gelangen. "Die Breitbandzukunft wird aus gebündelten Diensten bestehen. Der Fernsehanschluss könnte sich in den kommenden Jahren in etwaige Video-on-Demand Abos wandeln", sagt Ballhaus.

Um das Tempo zu steigern, sind aber hohe Investitionen nötig. Insbesondere 2017 würden die Ausgaben deutlich größer ausfallen als bisher gedacht, hatte Telekom-Finanzvorstand Thomas Dannenfeldt im Frühjahr gesagt.

Für die T-Aktionäre ist das Thema durchaus heikel. Denn die sogenannten freien Barmittelzuflüsse - also die nicht durch Investitionen und Betriebskosten aufgezehrten Einnahmen - bestimmen maßgeblich über die Höhe ihrer Dividende mit.

Doch Höttges hat noch ein weiteres Problem. Er hat den Investoren versprochen, in Deutschland bis 2018 den Marktanteil im Breitbandinternet bei über 40 Prozent zu halten. Ende 2015 betrug dieser laut Bundesnetzagentur noch 41 Prozent - zwei Prozentpunkte weniger als 2013. Insgesamt geht es im Festnetz inklusive Fernsehkabel um ein Marktvolumen von rund 27 Milliarden Euro. Das weckt Begehrlichkeiten. Kabelgesellschaften wie Unitymedia und Vodafone Kabel Deutschland nutzen ihre technisch schnelleren Leitungen, um der Telekom die Kunden abzujagen.

Sinkt der Marktanteil der Telekom weiter, könnte sie Gefahr laufen, einen Teil der teuren Investitionen ins Netz nicht wieder einzuspielen. Im Festnetz macht die Telekom mit eigenen Kunden knapp 44 Prozent ihres Umsatzes in Deutschland, im vergangenen Jahr waren das fast 10 Milliarden Euro.

Analysten wie Ulrich Rathe von der US-Investmentbank Jefferies warnen Aktionäre daher, dass die Telekom im Breitband versuchen könnte, mit Preissenkungen das Ruder wieder herumzureißen. Als die Telekom vor rund zehn Jahren das letzte Mal drohte, unter die Marke von 40 Prozent abzurutschen, habe sie ihre Strategie deutlich in diese Richtung geändert. (dpa/ad)