Worthülsen verunsichern Anwender

21.02.2005
Die Outsourcing-Branche findet für ihr Dienste immer neue Begriffe und verunsichert so ihre Kunden. Viele Bezeichnungen sind unsinnig. Andere kleiden alte Themen in neue Gewänder.

Anfang Februar prägte die Deutsche Bank einen Ausdruck, der heute schon als heißer Kandidat für das Unwort des Jahres 2005 gehandelt wird. Obwohl in der abgelaufenen Berichtsperiode der größte Gewinn seit dem Jahr 2000 verbucht werden konnte, schockte Chefbanker Josef Ackermann die Öffentlichkeit mit der Ankündigung, 6400 Stellen streichen zu wollen. Um dennoch den Kernaufgaben nachkommen zu können, plant das Unternehmen, Arbeiten in Länder mit niedrigen Lohnkosten zu verlagern. Diese Form der Beschaffung nennt Ackermann "Smartsourcing".

"Der Begriff ist noch schlimmer als ‘peanuts’, das ist zynisch", schimpfte der Frankfurter Germanistikprofessor und Begründer der sprachkritischen Aktion "Unwort des Jahres", Horst Dieter Schlosser, in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Neu sind aber weder Begriff noch Prozess, denn schon seit Jahren bezieht die Deutsche Bank Dienste aus Indien, und auch das lokale Outsourcing-Projekt mit der IBM wird wie alle anderen externen Beschaffungsvorhaben hausintern unter Smartsourcing subsumiert.

Mit der Wortschöpfung versucht die Deutsche Bank vergeblich, einen Imageschaden zu vermeiden, wie er oft mit dem Begriff "Offshoring" verbunden ist, der immer die Verlagerung von Arbeitsplätzen in Billiglohnländer beschreibt. Mit seiner Ausweichtaktik befindet sich das Finanzinstitut in zahlreicher Gesellschaft. Viele IT-Servicehäuser haben ihre Marketing-Experten beauftragt, neue Begriffe für die Auslagerung zu kreieren: EDS, Bearingpoint und Capgemini sind fündig geworden. Sie nennen ihr Modell "Bestshoring", "Anyshoring" beziehungsweise "Rightshoring". Gemeint ist in allen Fälle dasselbe: Der Bezug von Leistungen aus Ländern und Gegenden mit niedrigen Lohnkosten und möglichst auch noch gut qualifizierten Arbeitnehmern. Das muss nicht immer Indien, sondern kann auch Polen, Tschechien, Portugal, Malaysia oder Kanada sein.

Sehr viel mehr Begriffe enden auf "Sourcing", nicht alle Wortschöpfungen wurden in den Marketing-Abteilungen erdacht. Holger von Jouanne-Diedrich, Outsourcing-Experte am Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen und Chefredakteur des Management-Portals (ephorie.de), hat sich die Mühe gemacht, einen Teil der Permutationen zusammenzutragen und zu systematisieren (siehe Grafik "Die IT-Sourcing-Landkarte"). "In diesen Begriffen steckt die ganze Komplexität der Beschaffung", schildert Jouanne-Diedrich. "Das Problem ist ja nicht neu, sondern so alt wie die Arbeitsteilung. Das Sourcing-Thema ist erst durch die IT wieder modern geworden, greift zum Großteil aber auf bewährte Konzepte zurück."

Alt ist etwa die Frage, ob man Dienste intern (Insourcing) oder extern (Outsourcing) erbringen lassen sowie einen (Single-Sourcing) oder viele (Multi-Sourcing) Lieferanten verpflichten möchte. Für viele herkömmliche Beschaffungsthemen wurden Anglizismen eingeführt - hier hat sich also nur die Bezeichnung geändert. Tatsächlich neu sind aber "aber auch Verfahren, die erst durch die Digitalisierung möglich wurden", klassifiziert Jouanne-Diedrich. "Die Unternehmen können ihre Wertschöpfungsketten zerschneiden und ganze Prozesse wie etwa die Lohnkostenabrechnung in anderen Ländern erledigen lassen." Sinnvoll sei die Unterscheidung, ob Geschäfts- oder IT-Abläufe ausgelagert werden, also Business-Process- oder IT-Outsourcing betrieben wird.

Doch selbst die Begriffe aus der IT-Sourcing-Landkarte des Wirtschaftsinformatikers reichen den IT-Dienstleistern nicht aus. So gibt es Service-Provider für das Application-Hosting, das Application-Management und das Application-Outsourcing. Beim Auslagerungsspezialisten lassen sich heute Outsourcing, Outtasking, Hosting sowie Managed Services beziehen. Und große Servicehäuser, die neben Betriebs- auch Beratungs- und Umsetzungsdienste an den Mann bringen wollen, nennen ihre Offerten Business Transformation Outsourcing (IBM und Accenture). Für Unternehmen, die derartige Dienste unter einem Dach bündeln, führte das Marktforschungshaus Lünendonk den Begriff des Business Innovation Transformation Partners ein.

"Die Inflation der Bezeichnungen ist Ausdruck dafür, dass die Branche immer wieder den großen Outsourcing-Boom erwartet. Trotzdem bewegte sich die Nachfrage in Deutschland bisher aber hartnäckig und meist deutlich unter den von Marktforschungsinstituten und Anbietern erwarteten Steigerungen", sagt Eberhard Schott, Professor an der Fachhochschule Aschaffenburg. Er vermutet hinter der Inflation der Begriffe den Versuch, den Boom endlich heraufzubeschwören. Einen Gefallen, so Schott, tut sich die Branche mit der Verbalkreativität nicht: "Die Verwirrung ist groß. Selbst in Fachpublikationen lese ich immer wieder falsch verwendete Begriffe. Das zeigt, dass die Marketing-Aktivitäten eher als Nebelwerfer wirken. Interessenten und Kunden verlieren die Orientierung und wissen nicht mehr, was sich hinter den vielen Begriffen verbirgt."