Analysten halten größten Deal der Wirtschaftsgeschichte für realistisch

Worldcom-Offerte an MCI macht BT-Strategie zu Makulatur

10.10.1997

Mit einem angeblich schlichten dreiseitigen Schreiben hat Worldcom-Chef Bernard Ebbers vergangene Woche die internationale TK-Szene kräftig durcheinandergewirbelt: Worldcom bietet darin dem MCI-Management den Kauf des Unternehmens für 30 Milliarden Dollar an - die bis dato größte Firmenübernahme der Wirtschaftsgeschichte. Der Merger soll via Aktientausch realisiert werden und verspricht den MCI-Anteilseignern eine Gewinnmitnahme, die den derzeitigen Börsenwert des Unternehmens um rund 40 Prozent übersteigen dürfte. Gleichzeitig liegt das Angebot um mehr als zwölf Milliarden Dollar höher als der zwischen MCI und BT bereits ausgehandelte Preis für den Kauf der restlichen 80 Prozent der MCI-Anteile.

Die BT-Zentrale wurde von der Worldcom-Offerte offensichtlich kalt erwischt. Erst vor wenigen Wochen hatten die Mannen um BT-Chef Peter Bonfield auf Druck der eigenen Aktionäre den ursprünglich vereinbarten Übernahmepreis für das restliche Kapital von 21 auf 18 Milliarden Dollar gedrückt. Ein zuletzt unerwartet schlechter Geschäftsverlauf bei den Amerikanern, vor allem aber die immens hohen Anlaufverluste beim Einstieg von MCI ins lokale US-Telefongeschäft wurden als Gründe genannt.

BT-Management ging zunächst auf Tauchstation

Man sei informiert und prüfe derzeit die Angelegenheit, lautete ein knappes erstes BT-Statement. Ansonsten ging man in London bis auf weiteres auf Tauchstation. Analysten sprechen indes in ersten Reaktionen von einem "Scherbenhaufen", vor dem das BT-Management in Sachen Internationalisierungsstrategie stehen könnte. Nahezu das gesamte Auslandsgeschäft der Briten, vor allem das Engagement im lukrativen US-Markt, waren auf die Partnerschaft und letztlich die Fusion mit dem US-Branchenzweiten abgestellt.

Für ein Gelingen des Coups spricht nach Ansicht von Experten einiges. Der als hemdsärme- liger Cowboy geltende Worldcom-Chef hat bisher seinen Worten stets Taten folgen lassen und seine Company binnen zehn Jahren durch eine aggressive Akquisitionsstrategie nicht nur zur Nummer vier im US-Markt, sondern auch international zu einem gewichtigen Anbieter gemacht. Ebbers bietet überdies den MCI-Aktionären, die über das Ergebnis der Nachverhandlungen mit BT alles andere als glücklich waren, nicht nur einen weitaus attraktiveren Preis - auch die Synergieeffekte eines Joint-ventures Worldcom/ MCI wären größer, wird in Fachkreisen gemutmaßt.

Sollte Worldcom mit der Übernahme von MCI Erfolg haben, bliebe BT lediglich die Rolle des Juniorpartners in einem Worldcom/MCI-Konzern. Andere Alternative: BT bietet mit und zettelt damit eine Übernahmeschlacht an, was allerdings aufgrund des Drucks der BT-Aktionäre, die besagte Nachverhandlungen mit MCI durchgesetzt haben, unwahrscheinlich sein dürfte. Dritte Variante, die von nicht wenigen Zeitgenossen als die realistischste eingestuft wird: BT verkauft seinen 20-Prozent-Anteil an MCI, liquidiert das mit MCI bestehende Joint-venture Concert und orientiert sich im internationalen TK-Markt neu.