Führungswechsel und Klage nach dubiosem Aktiendeal

World Online kämpft um seine Glaubwürdigkeit

21.04.2000
MÜNCHEN (CW) - Der europäische Internet-Service-Provider (ISP) World Online hat seit seinem Börsengang im März eine beispiellose Talfahrt hinter sich. Mitschuldig am dramatischen Kursverfall des niederländischen Online-Dienstes soll die inzwischen ausgeschiedene Gründerin Nina Brink sein.

World Online sollte nach dem Willen der Gründerin Europas größter Internet-Provider werden. Mitte März legte das 1996 in Amsterdam gegründete Unternehmen einen furiosen Börsengang hin. Bei einem Ausgabepreis von 43 Euro erreichte das Unternehmen einen Marktwert von 12,2 Milliarden Euro. Doch schon am zweiten Handelstag setzte ein rasanter Kurssturz ein, der in der ersten Aprilwoche bei einem Tiefststand von 16 Euro stoppte.

Der Abwärtstrend begann, als bekannt wurde, dass Brink schon im letzten Dezember den größten Teil ihrer Aktien vorab an den US-Technologie-Fonds Baystar verkauft hatte. Ihr Anteil am Unternehmen reduzierte sich von 9,5 Prozent auf nurmehr 2,6 Prozent. Der Niedergang des World-Online-Papiers wird in direkten Zusammenhang mit dem Verkauf gebracht. Inzwischen ist Brink auf Druck der Öffentlichkeit zurückgetreten und hat ihren Stuhl für den neuen CEO Simon Duffy geräumt. Sie wird für das Unternehmen weiterhin als Beraterin tätig sein.

Die niederländische Aktionärsvereinigung VEB hat nun den prominenten Anwalt Gerard Spong beauftragt, für jeden Aktionär vor Gericht eine Entschädigung von 43 Euro je Aktie einzuklagen. Die Klage richtet sich gegen World Online, Nina Brink sowie die Emissionsbanken ABN-Amro und Goldman Sachs. Neben Brinks umstrittenem Verkauf verweisen die Kläger auch auf irreführende Formulierungen im Emissionsprospekt. Die meisten Anleger hatten einen Passus auf Seite 99 überlesen, der besagte, dass Frau Brink zwei Drittel ihrer Anteile an zwei niederländische Investmentfonds und Baystar übertragen habe. Für Unmut sorgt nachträglich vor allem der Hinweis, dass Baystar keine Sperrfrist auferlegt wurde und seine Anteile jederzeit verkaufen kann.

Experten monieren auch die überzogene Bewertung von World Online. Ende 1999 brachte es der Online-Dienst auf etwa 1,2 Millionen Benutzer. Damit ist jeder Anwender über 10000 Dollar wert. Die wenigsten davon sind zahlende Abonnenten, die Mehrheit ist lediglich kostenlos über das Web registriert. Der Verlust betrug im letzten Jahr 91 Millionen Euro bei einem Umsatz von 64 Millionen Euro. Im Vergleich dazu wird rein rechnerisch jeder AOL-Kunde mit 7200 Dollar bewertet.

World Online hatte im letzten Jahr den deutschen Provider Nacamar übernommen und ist nun europaweit nahezu flächendeckend vertreten. Hauptanteilseigner ist mit 54 Prozent die Sandoz-Family-Foundation. Auch Intel zählt mit einem Zehn-Prozent-Anteil zu den großen World-Online-Teilhabern.