Serie: Die Jobs im neuen Jahrtausend

Workflow-Berater im Kampf gegen die Wissensflut

22.02.2000
Von VON Ingrid
Bei vielen Stellenanzeigen wird nur selten auf den ersten Blick klar, wen die Firmen überhaupt suchen. Auch das Wörterbuch hilft beim Workflow-Berater nicht weiter. Darum stellt YOUNG PROFESSIONAL in jeder Ausgabe Einsteiger vor, die einen Beruf haben, für den sich ein zweiter Blick lohnt.

Mancher Bewerber beginnt am Wert seiner akademischen Ausbildung schon zu zweifeln, bevor er den ersten Tag im Unternehmen hinter sich gebracht hat. Oft reicht ein Blick in die Stellenmärkte von Zeitungen und Internet-Börsen aus, um angesichts der vielen Anglizismen und exotischen Berufsbezeichnungen den Durchblick zu verlieren.

Mitunter erfahren gerade einfachere Tätigkeiten durch eine englische Bezeichnung die gewünschte Aufwertung. "Call Center Agent" hört sich ziemlich chic an, ist aber in der Realität oft eine Art Kummerkasten für genervte Konsumenten, wenn die Software mal wieder nicht funktioniert oder das Betriebssystem regelmäßig abstürzt. Jobs an der technischen "Hotline" ließen sich mit Seelsorger für frustrierte Anwender besser umschreiben.

System- und Workflow-Berater

Harald Rau hat in Würzburg und New York Informatik mit Nebenfach Betriebswirtschaft studiert. Nach zwei Jahren bei einem DV-Dienstleister, im Geschäftsfeld Groupware, wechselte der 31-Jährige zu Debis. Dort arbeitet er als Dokumenten-Management- und Workflow-Berater. "Die Bewerber in diesem Bereich verfügen in der Regel über einen Hochschulabschluss in den Fächern Informatik oder Wirtschaftsinformatik und idealerweise Berufserfahrung", umschreibt Alfred Aue, Competence Unit Leiter für Dokumenten-Management bei Debis, die Qualifikationen seiner Mitarbeiter.

Grundsätzlich beschäftigt sich ein Dokumenten-Management- und Workflow-Berater mit der Organisation von Prozessen und Dokumenten. Die Spezialisten kennen sich bestens mit allen Technologien aus, mit denen sie die Wissensflut eines Unternehmens managen können. Anstelle der früheren Ablage in tausend Fächern und Ordnern brauchen moderne Firmen eine effektive Software. Welche Technologien am besten sind und wie sie sich in ein vorhandenes System integrieren lassen, weiß ein Dokumenten-Management- und Workflow-Berater. In einer Prozessanalyse klären die Experten, welche Anforderungen das neue System erfüllen muss.

"Der Mensch steht bei unserer Arbeit im Mittelpunkt", sagt Rau, "denn seine Arbeit soll durch das neue System vereinfacht werden." Mit dem Kunden klärt der Berater die Anforderungen und technischen Möglichkeiten ab. Damit die entsprechenden Dokumente nicht im virtuellen Nirwana verloren gehen, entwirft der Dokumenten-Manager die passende Systemarchitektur. "Vorhandene Systeme nimmt man unter die Lupe und ergänzt sie um die erforderlichen Features", erklärt Aue. Die Dokumenten-Management- und Workflow-Berater entscheiden auch, ob das Unternehmen neue Produkte kaufen sollte, um ein effektives Verwaltungssystem aufzubauen.

"Grundsätzlich muss man zwischen einem Berater und einem Systemintegrator unterscheiden", erklärt Aue. "Bei den Beratern kommen zu den fachlichen Qualifikationen die analytischen und kommunikativen Fähigkeiten, denn diese Mitarbeiter besprechen mit dem Kunden vor Ort die Anforderungen an das neue System." Die Systemintegratoren dagegen entwerfen die Architektur und programmieren die komplexen Schnittstellen. Sie müssen besonders mit den technischen Anforderungen und Methoden einer schnellen Umsetzung vertraut sein.

Viel Fingerspitzengefühl

"Als Berater brauche ich vor allem ein Gespür dafür, was technisch machbar ist und die Anwender akzeptieren", erklärt Rau. Er arbeitet vor Ort beim Kunden an dem neuen Dokumenten-Management-System. Sein Schreibtisch steht gerade bei einer großen Versicherung. Hier geht es für ihn auch darum, die Sachbearbeiter in die Entwicklung des neuen Systems einzubeziehen und ihnen die Technologie näher zu bringen. Ein Job, bei dem neben einem umfangreichen technologischem Wissen viel Fingerspitzengefühl erforderlich ist.

Certified Networking Specialist

Knut Noske studierte an der Deutschen Sporthochschule in Köln Sportwissenschaften und Publizistik. Nebenher arbeitete er als freier Journalist bei Hörfunk, Fernsehen und im Marketing-Bereich. Die IT-Branche war nicht das Berufsziel des Journalisten. Computer kannte er seit 1985 nur von der Anwenderseite. "Vom Atari bis zum Pentium III habe ich alle Neuerungen mitgemacht", erzählt er.

Irgendwann schlich sich die große Sinnfrage in das Studentenleben ein. Diese Überlegungen begrenzten sich nicht auf philosophisch angehauchte Mußestunden. "Das Studium wollte kein Ende nehmen und in meinem Leben musste etwas passieren", beschreibt er seine damalige Situation. Da die Aussichten für Publizisten und Sportjournalisten in Festanstellung seiner Meinung nach nicht allzu rosig waren, entschloss er sich, in die Computerbranche zu wechseln. "Meine Frau arbeitet bei der BOV AG in Essen als Trainerin und so erfuhr ich von den Möglichkeiten der beruflichen Qualifizierung in der Branche."

Die BOV AG bietet seit 1998 zusammen mit dem Arbeitsamt in Essen verschiedene Qualifizierungskurse an, die sich hauptsächlich an Studienabbrecher und arbeitslose Akademiker richten. "Allerdings müssen die Interessenten vorab in einem längeren Gespräch ihre Motivation unter Beweis stellen", so Klaus Böcher-Danzeglocke, Leiter des BOV Bildungsbereichs. Neben einem Gespräch sind die Vorkenntnisse und Zeugnisse wichtige Kriterien für die Auswahl. "Da wir in kurzer Zeit viel Wissen vermitteln, muss die Arbeitsatmosphäre in der Gruppe sehr gut sein."

Sportstudent Noske entschloss sich zur Exmatrikulation und meldete sich für den Kurs "BOV Certified Networking Specialist" an. "Ich wollte nicht in der Welt der Einzelplatz-PCs hängen bleiben. Über das Internet und ISDN hatte ich bereits Zugang zu anderen Rechnern und wollte einfach mehr technisches Know-how und Verständnis für die Netzwerke und alles was dazu gehört", erklärt er. In sechs Monaten lernte er viel über Netztechnologie auf der Windows-NT- Ebene. Der erste Ausbildungsabschnitt schloss mit der Prüfung zum Microsoft Certified Systems Engineer (MCSE) ab. Projekt-Management und didaktische Kurse rundeten das Programm ab. Anschließend vertiefte er seine theoretischen Kenntnisse in einer Trainingsphase. "Der Lehrgang hat meine Erwartungen bei weitem übertroffen," sagt er heute.

Einstieg als Trainer gefunden

Der erste Job kommt Noske sehr gelegen. Seit Januar diesen Jahres arbeitet er selbst für die BOV AG: "Ich bin überwiegend als Trainer tätig und entwickle gleichzeitig neue Kurskonzepte und Inhalte. Diese Aufgaben entsprechen meinen Neigungen, der Umgang mit Schülern ist für mich nichts Neues." Auch wenn derzeit die Perspektiven für den jungen Experten gut sind, ist er sich bewusst, dass er sein Wissen ständig aktualisieren muss. Die berufliche Eingliederung ist ihm mit Hilfe des Kurses gut geglückt. Aus den Zeiten als Freiberufler kennt er Flexibilität und Mobilität bereits bestens.

Wenn er heute in einer ruhigen Stunde über seine beruflichen Zukunftspläne nachdenkt, dann träumt er von spannenden Tennisspielen, der nächsten Olympiade und immer noch von einer Karriere als Journalist. "Das Sportfernsehen ist immer noch mein Traumjob".

*Ingrid Weidner ist freie Journalistin in München.