Kundenkonferenz in Dublin

Workday will Druck auf SAP und Oracle aufbauen

11.01.2016
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Insider-Wissen über Wettbewerber

Für einen großen SAP-Kunden wie Sanofi wäre es naheliegend gewesen, konzernweit SAP HR einzuführen. Doch dann übernahmen die Walldorfer SuccessFactors und kommunizierten, dass die Migration der HR-Anwender auf das Cloud-basierende Produkt aus SAP-Sicht der obligatorische Weg in die Zukunft sei. Sacré sagte sich: Wenn Sanofi seine HR-Unterstützung schon aus der Cloud beziehen soll, dann lohnt sich vielleicht auch ein Blick auf die SAP-Wettbewerber.

Das taten damals offenbar auch andere Unternehmen. Europa-Chef Fernandez stand vor seinem Engagement bei Workday in Diensten von SAP. Seinen Ausführungen zufolge wurde die Arbeit dort schwieriger, weil einige wichtige Kunden zu Workday wechselten. Neben Sanofi hätten sich auch Unilever, Philips sowie der Getränkekonzern Diageo, bekannt durch zahlreiche geistige Getränke und das schwarze Guiness-Bier, zum Newcomer geflüchtet.

Denis Sacré, Vice President HR Services beim französischen Pharmakonzern Sanofi, und Workday EMEA-Chef Chano Fernandez auf der Bühne in Dublin.
Denis Sacré, Vice President HR Services beim französischen Pharmakonzern Sanofi, und Workday EMEA-Chef Chano Fernandez auf der Bühne in Dublin.
Foto: Workday

Sanofi-Manager Sacré erläutert die Gründe für den Anbieterwechsel: Mit Success Factors hätte er sich nach eigenen Worten ein vierjähriges Projekt ans Bein gebunden, "ohne wirklich viel Innovationen dafür zu bekommen." Dann doch lieber gleich einen harten Schnitt! Die Cloud-Software von Oracle schied aus damaliger Sicht ebenfalls aus: "Die wäre heute vielleicht diskutabel, damals war sie es nicht." Workday sei folglich "der einzige ernstzunehmende Konkurrent gewesen." Für dessen Produkt habe unter anderem gesprochen, dass es sich leicht navigieren lasse und "wirklich integriert" sei.

Cape-Clear-Übernahme brachte Infrastrukturbasis

Die tiefe Integration verdankt Workday seiner One-Platform-Strategie. Und die wiederum lässt sich auf eine im Jahr 2008 getätigte Akquisition zurückführen. Damals verkaufte Annrai O`Toole, einer der Pioniere in Sachen Web-Services, sein Unternehmen Cape Clear an Workday. Die dort entwickelte Web-Services-Integration bildet nun die infrastrukturelle Basis für alle Workday-Applikationen.

O’Toole selbst ist heute der "europäische CTO" von Workday. Darauf angesprochen, wozu das Unternehmen einen dedizierten europäischen Technikchef brauche, lacht der charismatische Ire: "Mir ist es völlig egal, welchen Titel ich trage." Workday sei schon vor der Übernahme sein Kunde gewesen. Und es habe sich damals gerade der Trend abgezeichnet, dass Anwendungsanbieter eine eigene Infrastruktur als Integrationsbasis verwendeten: "Die ursprünglichen Standalone-Infrastrukturen haben sich überlebt. Tibco ist als letzter Anbieter übrig geblieben."

Weshalb braucht ein SaaS-Anbieter wie Workday eine solche Infrastruktur? - Vor allem deshalb, weil ein HR-System Anschluss an bis zu 200 unterschiedliche Anwendungen habe, erläutert O’Toole. Um diese Komplexität zu managen, sei eine robuste und flexible Infrastruktur unabdingbar.

O’Tooles Entwickler erledigen die Arbeit, die der Kunde zwar spürt, aber nicht sieht. Derzeit sind sie unter anderem damit beschäftigt, die noch weitgehend monolithischen Workday-Applikationen in Microservices zu zerteilen. Das ist zum Beispiel notwendig, um innovative Funktionen wie lernende Maschinen und Sprachverarbeitung (Natural Language Processing) differenzierter unterstützen zu können.

Annrai O Toole, europäischer CTO von Workday, kennt sich aus mit Softwareintegration. Er kam durch die Übernahme von Cape Clear ins Unternehmen.
Annrai O Toole, europäischer CTO von Workday, kennt sich aus mit Softwareintegration. Er kam durch die Übernahme von Cape Clear ins Unternehmen.
Foto: Workday

Darüber hinaus will das Entwicklerteam das klassische ETL-Verfahren (Extract, Transform, Load) für Datenübernahme- und Dateanalyseverfahren durch einen weniger aufwändigen und schnelleren Prozess ersetzen, der auch das Bereinigen und Kategorisieren der Fremddaten während der Übernahme unterstützt. Die "CloudLoader" getaufte Funktion soll das Go-live für neue Objekte beschleunigen und die Verbindung zwischen Workday-Daten und externen Datenquellen vereinfachen.

Eigenes Ökosystem im Aufbau

Da Workday nicht alle von seinen Kunden benötigten Anwendungen selbst entwickeln kann oder will, geht das Unternehmen seit Jahren Partnerschaften mit anderen Softwareanbietern ein. Bereits vier Jahre dauert eine Kooperation mit dem CRM-Experten Salesforce.com an. Laut Enterprise-Development-Chef Nittler wird diese Zusammenarbeit immer "reicher" und stärker: Kunden könnten die Vertriebsfunktionen von Salesforce nutzen und die Daten an Workday Financials übergeben.

Ganz neu ist ein Abkommen mit ADP, einem alteingesessenen Spezialisten für Software und Services auf dem Gebiet der Personalinformationen: Ab der HCM-Version 27 soll ADP dort bei der Erfassung lokaler Payroll-Informationen aushelfen, wo es dafür noch keine landesspezifische Workday-Funktion gibt. Auch mit Microsoft strebt Bhusri eine "tiefere Integration" an, die er aber zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht näher spezifizieren möchte.

Oracle und SAP hingegen werden wohl aus diesem Ökosystem ausgeschlossen bleiben. Ersteres nicht nur wegen persönlicher Antipathien der Workday-Gründer, sondern auch, weil Oracle mit HCM Cloud mittlerweile ein ernstzunehmendes Konkurrenzprodukt zu bieten hat. Auch SAP ist mit SuccesFactors ein direkter Wettbewerber, eine Partnerschaft schließt Geschäftsführer Kull deshalb kategorisch aus. Immerhin hat Workday vor etwa sechs Monaten eine Schnittstelle freigegeben, über die sich beispielsweise die SAP-Payroll-Anwendung mit Workday HCM integrieren lässt.

In der Kooperation mit anderen Anbietern sieht Crisp-Research-Mann Haydecker eine Trumpfkarte, die Workday ausspielen könne. "Auch wenn es nicht immer einfach ist, einem Mitbewerber einen Teil vom Kuchen zu überlassen, unterstützt Workday durch seine offenen Schnittstellen die Anbindung von Konkurrenzsystemen", stellt der Marktbeobachter fest. "Das bietet Kunden einen wichtigen Vorteil, da sie sich ihr System so zusammenstellen können, wie es für ihre Bedürfnisse am besten ist."

Partnerschaften wie die mit ADP ebnen Workday in Deutschland den Weg, meint Frank Niemann, Vice President Software and SaaS Markets bei PAC.
Partnerschaften wie die mit ADP ebnen Workday in Deutschland den Weg, meint Frank Niemann, Vice President Software and SaaS Markets bei PAC.
Foto: PAC

Auch PAC-Analyst Niemann sieht hier Chancen: "Partnerschaften wie die mit ADP in Sachen Global Payroll sind strategisch, um den Kunden umfassende Services zu bieten." Die Partner spielten eine zentrale Rolle für das weitere Wachstum des Unternehmens, da mit der Verbreitung der Plattform auch der Bedarf an Umsetzungskapazität steige.

Produkt und Plattform genießen Sympathien

Eher ungewöhnlich ist laut Niemann in diesem Zusammenhang, dass Workday die Lösungen durchweg selbst verkauft, anstatt Dienstleistungs-Partnerschaften dafür zu nutzen. Das Vertriebskonzept sehe sogar vor, dass immer ein Workday-Team in das Projekt eingebunden sei, sogar wenn ein Partner das Vorhaben steuere. Eine entscheidende Frage sei folglich, ob und wie es Workday gelinge, hierzulande aus eigener Kraft die erforderlichen Vertriebs- und Beratungskapazitäten vorzuhalten.

Davon abgesehen habe das Unternehmen "angesichts der wachsenden Nachfrage nach innovativen HCM-Lösungen" gute Chancen, "eine wichtige Rolle auf dem deutschen Markt zu spielen", urteilt Niemann. Produkt und Plattform seien jedenfalls überzeugend. Diese Ansicht teilt auch das renommierte Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Gartner. Es bescheinigt der HCM-Suite sowohl hinsichtlich des Funktionsumfangs als auch in Bezug auf die Architektur mit den beiden großen Konkurrenten Oracle und SAP mehr als nur mithalten zu können.

Vor allem in Sache Kundenzufriedenheit sticht Workday seine Mitbewerber Gartner zufolge aus: In den Kategorien Produktqualität, Systemdurchsatz, Anwenderfreundlichkeit (Mitarbeiter/Manager), Systemverwaltung, Workflow, Reporting/Analytics, Integration mit anderen Anwendungen, Anpassungsfähigkeit/Erweiterbarkeit, Dokumentation und Verfügbarkeit von Trainings liegen die Urteile, die Workday-Kunden abgeben, über dem von Gartner errechneten Durchschnitt. Die höchsten Punktzahlen erzielen die Aspekte Qualität, Integrationsfähigkeit und Performance. Trainings und Benutzerfreundlichkeit fallen dagegen leicht ab.

Weniger überzeugt ist Gartner allerdings vom Community-basierten Entwicklungskonzept: "Workdays Fähigkeit zur Entwicklung erweiterter Funktionen ist beschränkt", urteilen die Analysten. Zudem bemängeln sie, dass es außerhalb Nordamerikas noch zu wenige Referenzkunden gebe. Und last, but not least sei Workday nicht gerade eine Billiglösung. Der Anbieter nehme "Premium-Preise", und der Wechsel auf seine HCM-Suite erfordere hohe Anfangsinvestitionen, die sich möglicherweise jedoch auf längere Sicht auszahlten.