Micropro zeigt Reue und will dem Anwender künftig mehr bieten:

Wordstar soll öfter gepflegt werden

05.06.1987

MÜNCHEN(CW)-"Micropro hat drei Jahre geschlafen und den Anwender vernachlässigt", bekannte jetzt selbstkritisch President Leon Williams. Nachdem der Wordstar-Entwickler Immer mehr Marktanteile verloren hatte, war im vergangenen Jahr eine Kur fällig, die inzwischen auch die deutsche Tochter hinter sich gebracht hat. Jetzt ist auch hierzulande die Version 2.0 von Wordstar 2000 auf dem Markt, Version 4.0 folgt im Juni und zur Herbst-Comdex soll das erste Desktop-Publishing-Programm fertig sein.

Unsanft aus dem Schlaf gerissen hat den Software-Anbieter im vergangenen Jahr die Tatsache, daß er in der Rangfolge der Textverarbeitungssoftware-Anbieter (nach verkauften Stückzahlen) immer weiter nach hinten gerutscht war, nach neuesten Erhebungen auf Platz 3. Williams führte im letzten Jahr die Reorganisation durch, sorgte dabei für eine schnelle Fertigstellung der neuen Wordstar-Versionen und will nach eigenem Bekunden das Unternehmen noch in diesem Jahr auf Platz 2 bringen. Speziell für die Bereiche Marketing sowie für Forschung und Entwicklung hat die US-Mutter seit November letzten Jahres 50 neue Mitarbeiter eingestellt. Das zweite Quartal '87 schloß Micropro mit einem Gewinn von 550000 und einem Umsatz von 9,3 Millionen Dollar ab.

Das Ruder der bundesdeutschen Tochter hat im November 1986 Peter Ruef übernommen, Die in den vergangenen Wochen durchgeführte Restrukturierung endete hier allerdings vorerst mit der Entlassung dreier Mitarbeiter. Als wichtigste Aufgabe für die Zukunft hat sich das Münchner Team vorgenommen, den Kunden mehr Service zu bieten. Dieses Vorhaben wird gegenwärtig mit der Einstellung von Support-Personal in die Tat umgesetzt.

Den immer kürzer werdenden Produktzyklen im Softwaremarkt will Micropro mit einer gestrafften Produktpalette (der "Wordstar Easy" zum Opfer fiel) begegnen, die künftig in kürzeren Abständen (alle drei Monate Add-ons, alle sechs Monate eine neue Wordstar-Version) überarbeitet und ergänzt werden soll. Geplant ist auch, Wordstar 2000 und Wordstar Professional zusammenzufassen. Künftig will der Textverarbeitungs-Spezialist jeweils zwei Versionen pro Produktlinie anbieten, und zwar eine Basisversion und eine Version mit speziellen Leistungen.

Künftig zwei Versionen

Das überarbeitete Wordstar 2000 weist neue Features wie Mehrspaltendruck und Grafik-Integration (GraphMerge) im Text auf. Es verfügt über eine integrierte Adressenkartei und Fußnotenverwaltung, Rechtschreibprüfung (Orthographietest) und ermöglicht den Zugriff auf versehentlich gelöschte Texte (Undo). Mit der Funktion Register lassen sich Inhalts-, Stichwort- und Bildverzeichnisse erstellen. Bei Graphmerge handelt es sich um eine speicherresidente Einrichtung, mit der Bilder und Grafiken aus anderen Programmen übertragen und im Text plaziert werden können. Über das Menü können Micropro zufolge über 100 Matrix- und Typenraddrucker sowie zehn Laserdrucker angesteuert werden. Version 2.0 erfordert im Hauptspeicher 320 KB, schneller und komfortabler läßt sich laut Anbieter mit 512 KB arbeiten. Neu ist auch ein Lernprogramm mit acht Lektionen für Einsteiger.

Wordstar 2000 2.0 wird auf 14 Disketten (Installationsdiskette, Programmdiskette 1 und 2, RAM-Version, Umwandlungs-, Beispiel- und Lexikondiskette, vier Wörterbuchdisketten sowie die Lernprogrammdisketten A und B) geliefert und kostet ebenso wie der Vorgänger 1690 Mark. Anwender von Wordstar 2000 können für 390 Mark umsteigen, Benutzer des klassischen Wordstar zahlen für den Umstieg 590 Mark. Ab Juni tauscht die deutsche Tochter sechs Monate lang kostenlos 51/4-Zoll- Versionen von Wordstar gegen 31/2-Zoll-Versionen um.

Wordstar 4.0, seit Februar in den USA auf dem Markt, kann ab Ende Juni auch in der Bundesrepublik bezogen werden. Wie das Programm sich mit dem neuen IBM-Betriebssystem OS /2 verträgt will man testen, sobald IBM Beta-Versionen zur Verfügung stellt. Neuerungen der Version 4.0 sind beispielsweise volle Pfadunterstützung, ein Batchprogramm, Unterstützung der EGA-Karte sowie Eingabe von Tastaturmakros. Die Extra-Version von 4.0 soll im Sommer auf den Markt kommen.

Auch Micropro hat sich vorgenommen, im Desktop-Publishing-Markt mitzumischen, verriet Williams, President der Muttergesellschaft. Zu diesem Zweck ist eine Software mit der Bezeichnung "Prism" in Vorbereitung, die über Windows-Fähigkeiten verfügen soll. Micropro hofft, Prism zur Herbst-Comdex ankündigen zu können.

PS/2-Famille soll durch Modell 70 ergänzt werden

MÜNCHEN(CW)-Die Lücke zwischen den Modellen 60 und 80 der neuen PS/2-Familie soll Gerüchten zufolge mit einem weiteren 80386-System gefüllt werden.

Insider aus der US-Industrie wollen das Modell 70 schon gesehen haben. Ihrer Meinung nach wird der Rechner sich gegenüber dem Modell 80 so wie das Modell 50 zu dem Modell 60 verhalten: Er soll wie Modell 80 mit dem Intel-Mikroprozessor 80386 ausgestattet sein, doch deutlich weniger leisten.

Peter Tighe, Analyst des Marktforschungsinstituts Dataquest, vermutet, daß das Modell 70 noch Ende des Jahres auf den Markt kommen wird. Ihm sei auch schon von verschiedenen Seiten von Beta-Tests berichtet worden. Jeff Ehrlich, Manager Produkttechnologie der General Electric, hingegen war sich gar nicht so sicher, ob Big Blue Oberhaupt mit einem weiteren 386-Rechner aufwarten will. Auch eine Anfrage bei IBM Deutschland selbst half nicht weiter. Die Gerüchte konnten weder bestätigt noch dementiert werden.