CW-Prognose

Wohin geht die IT-Reise 2002?

11.01.2002
Prozessoptimierung und schneller Return on Investment stehen wegen der Konjunkturflaute im Pflichtenheft vieler IT-Abteilungen. CW-Redakteure wagen einen Ausblick, wo Anwender den Hebel ansetzen können und wie Hersteller diesen Trend unterstützen.

"Web-Services - Mythos oder Realität?" Diese Frage zu einem im letzten Jahr aufgekommenen Hype-Thema glaubt die Meta Group klar beantworten zu können: Beginnend 2002 werde sich diese Technologie in den nächsten vier Jahren vor allem durch die in den Unternehmen aufkommenden Aktivitäten im Bereich Enterprise Application Integration (EAI) durchsetzen. Der inzwischen oft falsch verwendete Begriff der Web-Services steht für eine Architektur, die verteilte Anwendungen auf Basis von Web-Standards wie XML und HTTP lose koppelt. Noch sind allerdings die Kerntechnologien für Web-Services wie Soap, WSDL und UDDI nicht als offene Standards verabschiedet. Doch die Chancen stehen gut, denn im Vergleich zu Corba und DCOM verfolgen sie einen eher minimalistischen Integrationsansatz. Microsoft realisiert Web-Services mit .NET, einer sprachenunabhängigen Komponentenarchitektur für verteilte Applikationen. Zahlreiche Hersteller von Windows-Anwendungen wollen .NET unterstützen - was dabei abseits der Marketing-Aussagen technisch entsteht, muss sich erweisen.

Zu den Technologietreibern der Java-Szene gehören 2002 die J2EE-konformen Applikations-Server. Hier geht es darum, ob die Middleware weiterhin nur als Engine für Java-Server-Pages (JSP) oder Java-Servlets fungiert und sich damit auf Funktionen eines Content-Lieferanten beschränkt, oder ob der große Durchbruch für objektbasierende Transaktionsverarbeitung mit Enterprise Javabeans gelingt.

Anwendungsseitig stehen nach wie vor Front-Office-Applikationen etwa für Customer-Relationship- und Supply-Chain-Management im Vordergrund. Aus technischer Perspektive gilt es in diesem Umfeld die Versprechen der Hersteller zu überprüfen, ihre Systeme seien Web-fähig. Letzteres bedeutet immerhin, dass die oft mächtige Client-Logik der Windows-Frontends zurück auf eine nachträglich eingezogene Middleware, meist auf einen Applikations-Server, verlagert wird.

Der Blick auf die Open-Source-Szene legt nahe, dass die Verbreitung von Linux auf Servern weiter zunehmen wird. Das freie OS wächst immer mehr über die angestammte Funktion als Web-Server hinaus und wird zunehmend für unternehmenskritische Anwendungen (vor allem Datenbanken, Firewalls und sogar SAP-Standardsoftware) akzeptiert. Die meisten Softwarehersteller unterstützen inzwischen diese Plattform.

Obwohl Linux als Aushängeschild für freie Software besondere Aufmerksamkeit zuteil wird, sollte die Bedeutung zahlreicher anderer Open-Source-Projekte nicht übersehen werden. Genannt seien hier etwa Apache mit seinem marktführenden Web-Server und zahlreichen Java- sowie XML-Tools oder Scriptsprachen. Auch wenn in einzelnen Kategorien Open Source noch als einzige Alternative zum Microsoft-Monopol verbleibt, so fällt es Anbietern dennoch immer schwerer, daraus finanziellen Nutzen zu ziehen. Deshalb dürften sich 2002 trotz prosperierender Open-Source-Szene jene Unternehmen weiter auf dem Rückzug befinden, die ihre Geschäftsmodelle auf Service und Support für freie Software bauen.

Zu den Highlights der Hardwarebranche gehören in diesem Jahr die ersten Racks mit "Blade"-Technik - also vertikal stehenden Server-Boards. Im Reich der Prozessoren dürfte Intels zweiter 64-Bit-Itanium-Chip im Mittelpunkt stehen, sofern er sich nicht wie sein Vorgänger, der Itanium, dramatisch verspätet. Derzeit noch unter dem Codenamen "McKinley" gehandelt, soll die zweite IA-64-Generation Mitte 2002 auf den Markt kommen. In der zweiten Jahreshälfte will Gegenspieler AMD Einzug in das Enterprise-Server-Segment halten: Der erste 64-Bit-Kandidat des Intel-Rivalen hört auf den Namen "Hammer" und soll sowohl bestehende 32-Bit- als auch künftige 64-Bit-Anwendungen unterstützen.

Angesichts knapper IT-Budgets dürften die Unternehmen verstärkt Ausschau nach Bereichen mit Konsolidierungspotenzial halten. Perspektiven bieten hier unter Umständen Speichernetze und das System-Management. Im System-Management ist außerdem eine Abkehr von den mächtigen Framework-Konzepten erkennbar. Teure und schwer administrierbare monolithische Lösungen sind out. Sie werden durch modulare Produkte abgelöst, die sich nicht nur schneller implementieren lassen, sondern sich auch rascher amortisieren.

Im Speicherbereich deutet vieles auf einen Trend hin, der die Vorzüge der Speicherkonzepte Storage Area Network (SAN) und Network Attached Storage (NAS) kombiniert. Außerdem sehen die Analysten insbesondere in der Virtualisierung ein weiteres Mittel der Effizienzsteigerung. Der Vorteil dieses verteilten Ansatzes liegt darin, die alte Hardware weiternutzen sowie Speicherressourcen besser auslasten zu können.

Obwohl schon mehrfach totgesagt, haben die drahtlosen Übertragungsverfahren Bluetooth und Wireless LAN im letzten Jahr an Popularität gewonnen. Wireless LAN wird für Unternehmen aber vor allem wegen der jetzt höheren Bandbreite von 11 Mbit/s, des Vermeidens von Kabelsalat sowie der sinkenden Preise interessant. Allerdings besteht in Sachen Abhörsicherheit noch Nachbesserungsbedarf.

Bluetooth, das im so genannten Personal Area Network die drahtlose Übertragung von Daten über bis zu zehn Meter erlaubt, wird 2002 auf breiter Front Einzug in Handys, PDAs, Drucker, Scanner, aber auch Consumer-Produkte wie Videokameras halten.

Abschließend noch ein Ausblick auf den Dauerbrenner Ethernet sowie Voice over IP. Ethernet streckt in seiner Gigabit-Variante die Fühler in den Backbone- und Metro-Bereich aus. Dabei schickt es sich an, Protokolle wie FDDI und ATM zu verdrängen. Allerdings wird dieses Jahr noch nicht im Zeichen von Praxislösungen stehen, sondern von der Standardisierung beherrscht.

Um Voice over IP ist es im vergangenen Jahr etwas stiller geworden. Doch der Schein trügt. Die integrierte Sprach- und Datenübertragung könnte 2002 unter dem Kostenaspekt eine neue Dynamik bekommen. Eine Infrastruktur, vereinfachte Administration sowie eine gegenüber der ersten Produktgeneration stark verbesserte Funktionalität sind für Unternehmen eine Überlegung wert. (pg/ue)