Strafbarkeit wegen Beihilfe durch Unterlassen?

Wofür der Compliance Officer einstehen muss

15.05.2011
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Eine Strafbarkeit kommt nur bei einer sogenannten Garantenstellung infrage. Wann eine solche vorliegt, sagt Thomas Feil.

Begeht ein Arbeitnehmer in einem Unternehmen eine Straftat und schädigt dadurch den Arbeitgeber oder einen Dritten, so muss der Täter mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Bemerkt ein anderer Arbeitnehmer die Straftat, unterlässt es aber, sie zu melden oder zu verhindern, so macht er sich damit nur dann wegen Beihilfe durch Unterlassen strafbar, wenn er eine sogenannte Garantenstellung innehat.

Compliance Officer müssen nicht nur für die Einhaltung der Rechtsvorschriften sorgen, sondern auch Pflichtverstösse aufdecken.
Compliance Officer müssen nicht nur für die Einhaltung der Rechtsvorschriften sorgen, sondern auch Pflichtverstösse aufdecken.
Foto: Gina Sanders - Fotolia.com

Eine Garantenstellung folgt aus der Übernahme von Überwachungspflichten. Allerdings begründet nicht jede Übertragung von Pflichten auch eine Garantenstellung im strafrechtlichen Sinne. Hinzutreten muss vielmehr, dass ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht, in dessen Rahmen dem Verpflichteten spezifische Schutzpflichten überantwortet werden (BGHSt. 46, 196, 202). Insofern ist ein einfaches Arbeitsverhältnis nicht ausreichend, da hier regelmäßig nur allgemeine Pflichten übertragen werden. Hat ein Arbeitnehmer jedoch gerade die Aufgabe, für die Einhaltung von Rechtsvorschriften zu sorgen und Pflichtverstöße aufzudecken, korrespondiert hiermit auch eine strafrechtliche Einstandspflicht.

Das Aufgabengebiet eines Compliance Officers umfasst im Gegensatz zu den meisten anderen Arbeitnehmern insbesondere die Verhinderung von Rechtsverstößen und Straftaten, die aus dem Unternehmen heraus begangen werden. Damit soll das Unternehmen vor Nachteilen und haftungsrechtlichen Schäden durch die eigenen Mitarbeiter geschützt werden. Durch die Übertragung dieser Schutzpflichten kommt einem Compliance Officer regelmäßig eine Garantenstellung in seinem Aufgabenbereich zu. Unterlässt er es, in seinem Verantwortungsbereich ihm bekannte Pflichtverstöße anzuzeigen oder zu unterbinden, macht er sich daher der Beihilfe durch Unterlassen strafbar (BGH, Az. 5 StR 394/08).

Bedeutung für die Praxis

Ein Compliance Officer hat in seinem Aufgabenbereich auch strafrechtlich für ihm bekannt gewordene und nicht verhinderte Rechtsverstöße durch andere Arbeitnehmer einzustehen. Diese Verantwortlichkeit betrifft nur den Bereich der übertragenen spezifischen Kontrollpflichten. Im Interesse aller Beteiligten sollten daher die Pflichten und Überwachungsaufgaben schon bei Ernennung des Compliance Officers schriftlich festgehalten werden.

Kontakt:

Der Autor Thomas Feil ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht. Tel.: 0511 473906-01, E-Mail: feil@recht-freundlich.de, Internet: www.recht-freundlich.de