D.H. Brown vergleicht Angebote von IBM, HP, Dell und Sun

Wo Linux-Kunden profitieren

05.09.2003
MÜNCHEN (CW) - Keiner der bedeutenden Server-Hersteller kommt mehr an Linux vorbei. Doch die Strategien von Dell, HP, IBM und Sun Microsystems unterscheiden sich gravierend, wie die Analysten von D.H. Brown ermittelten. Nicht in jedem Fall haben die größten Linux-Protagonisten auch das beste Angebot für die Kunden in petto.

Linux etabliert sich als Plattform für Mainstream-Anwendungen, schreibt D.H.-Brown-Forschungschef Pierre Fricke in seinem jüngsten Bericht. Zählten vor einigen Jahren noch Netzfunktionen wie Web-Server, Firewall oder Druck- und Dateidienste zu den klassischen Einsatzfeldern, stoße das Open-Source-Betriebssystem zunehmend in kritischere Anwendungsgebiete vor. Die neue Kernelversion 2.6. werde dieser Entwicklung weiteren Schub verleihen.

Unter den wichtigen Server-Anbietern herrsche Einigkeit darüber, dass Linux eine kritische Masse erreicht habe, so Fricke. Ihnen bleibe deshalb keine andere Wahl, als Open-Source-Lösungen in die Portfolios zu integrieren, dabei aber schädliche Auswirkungen auf andere Plattformangebote möglichst klein zu halten. In diesem Kontext verfolgen die Branchenschwergewichte unterschiedliche strategische Ansätze.

Positionierung

Während etwa IBM und Hewlett-Packard (HP) ihre Linux-Initiativen sehr breit anlegen, konzentrieren sich Dell und Sun auf bestimmte Produkt- und Marktsegmente. Gleichzeitig treten sowohl der texanische Direktanbieter als auch HP und IBM als "aggressive" Anbieter von Windows-basierenden Systemen auf, die ihre Geschäftschancen hier nicht aufs Spiel setzen wollten, so der Autor. Doch trotz einer gewissen Abhängigkeit von Microsoft rechtfertige die dynamische Marktentwicklung ein ebenso aggressives Engagement im Linux-Umfeld.

Solche Überlegungen plagen Sun nicht; die lange gepflegte Unix-only-Strategie bringt aber andere Restriktionen mit sich: Einerseits drängt die McNealy-Company mit ihren Linux-Servern ins Massengeschäft mit preisgünstigen Intel-basierenden Servern. Hinzu kommen Bemühungen im Desktop-Segment. Andererseits halten die Kalifornier parallel auch Solaris für IA-32-Server im Portfolio, um treuen Kunden des eigenen Unix-Derivats in diesem Segment eine Alternative zu bieten. Für die anderen Server-Hersteller lautet die Devise im Intel-Markt dagegen eindeutig: Windows oder Linux.

Produktpalette

Neben der grundsätzlichen Positionierung bewertet D.H. Brown die strategischen Ansätze nach mehreren weiteren Kriterien (siehe Grafik). Betrachtet man die Produktpalette, hat IBM klar die Nase vorn, gefolgt von HP. Big Blue offeriert Linux-Optionen für sämtliche Server-Linien, darunter neben Intel-Systemen auch die Risc-basierenden I-Series- und P-Series-Maschinen bis hin zum Großrechner. Aber auch HP unterstützt mehrere Hardwareplattformen: die auslaufenden Alpha-Prozessoren der ehemaligen Digital Equipment zählen ebenso dazu wie die mit Compaq übernommen Ipaq-Handhelds. Ähnlich wie IBM hat auch HP eine Reihe von Peripheriegeräten für den Einsatz unter Linux angepasst.

Etwas schmäler fällt das Linux-Angebot naturgemäß bei Dell aus, wenngleich die Texaner für die meisten angebotenen Rechner eine Linux-Option feilbieten. Sun hingegen konzentriert sich auf das Lowend. Dazu gehören etwa die "Cobalt"-Appliance-Server, die IA-32-basierenden "LX50"-Rechner sowie Zweiwege-Systeme und Blade-Server aus der Sunfire-Reihe. Eine Besonderheit im Sun-Portfolio ist das kürzlich vorgestellte Projekt "Madhatter". CEO Scott McNealy will damit eine vollwertige Office-Alternative zum Erzrivalen Microsoft etablieren. Die Software umfasst neben dem auf Open Office basierenden "Star Office" den ebenfalls quelloffenen Browser Mozilla, Instant Messaging sowie die von Novells Ximian-Services stammenden E-Mail- und Collaboration-Funktionen.

Systempreise

Dass die Hersteller mit der breitesten Produktpalette nicht die günstigsten sein müssen, zeigt ein Blick auf vergleichbar konfigurierte Systeme. D.H. Brown gibt Dell in dieser Kategorie die beste Wertung, Sun kann in bestimmten Produktsegmenten wie Appliance Server oder Rack-Systeme mithalten. Unterm Strich gehen HP und IBM mit höheren Preisen in den Markt, allerdings fallen die Unterschiede bei größerenVierprozessor-Systemen geringer aus als im Lowend.

Neben harten Produktkategorien gehen die Analysten auch der Frage nach, welchen Mehrwert die Anbieter von Linux-Systemen ihren Kunden bieten können. Dabei punkten etwa in der Kategorie System-Management abermals die Marktführer IBM und HP. Aber auch die vermeintlichen Außenseiter haben ihre Stärken: So hebt die Studie etwa Dells Custom Factory Integration Services hervor. Kunden können damit online eine Vielzahl von Hardware- und Softwarekonfigurationen zusammenstellen und die Informationen in einer Datenbank der Texaner hinterlegen. Dieser Prozess erleichtere Unternehmen die Einführung und Verwaltung ihrer Linux-Systeme erheblich, urteilt D.H. Brown. In der Kategorie Desktop erhält Sun mit seinem umfassenden Softwarestack die beste Wertung.

Services und Support

Anders verhält es sich mit den Dienstleistungsangeboten, sprich Implementierung, technischer Unterstützung und Beratung. Zwar haben alle Server-Anbieter solide Service- und Support-Strukturen für ihre Produkte aufgebaut. Die US-Analysten verweisen jedoch auf die große Palette an Multivendor-Services, mit denen IBM und HP auch Produkte anderer Hersteller einbeziehen. An diesem Punkt fällt Sun etwas zurück.

Linux-Anwendungen

Ähnliches gilt für den Bereich Linux-Anwendungen. D.H. Brown betrachtet unter anderem die Unterstützung mit Middleware, Hilfen für unabhängige Softwarehäuser (ISVs) sowie etablierte und neue Anwendungen für das Open-Source-System. IBM verfolgt dabei eine weit greifende Strategie, die Anwendungspalette für Linux zu vergrößern. Dazu gehören neben Middleware-Produkten etwa Entwicklungs-, Test- und Migrationswerkzeuge. Mit dezidierten Softwareangeboten versucht der Konzern zudem, Kunden aus dem Mittelstand für den Linux-Einsatz zu gewinnen.

Sowohl HP als auch Dell und IBM unterstützen mit ihren Linux-Angeboten Schlüsselanwendungen für geschäftskritische Funktionen, allen voran Oracles Datenbank 9i und SAPs betriebswirtschaftliche Applikationen. Speziell für den Finanzsektor, der in puncto Linux-Einsatz zu den Vorreitern gehört, haben IBM und HP mehrere Linux-Zentren aufgebaut. Sie sollen vor allem die Migration von Solaris-Umgebungen auf Linux unterstützen. Auch Dells Anwendungsstrategie zielt eindeutig auf die Ablösung von Unix- durch Linux-Systeme. Demgegenüber bewirbt Sun für Enterprise-Anwendungen nach wie vor Solaris auf Sparc-basierenden Maschinen.

Open-Source-Engagement

Kaum überraschend erhalten IBM und HP auch mit Blick auf das Engagement in der Linux-Community die höchste Wertung. So beschäftigt allein IBM mehr als 250 Open-Source-Entwickler und engagiert sich in einer Vielzahl einschlägiger Intiativen. Auch HP beteiligt sich an über 45 bedeutenden Projekten. Obwohl Sun sein Linux-Engagement offiziell erst kürzlich ausgeweitet hat, zählt D.H. Brown auch die McNealy-Company zu den längjährigen Open-Soure-Unterstützern. So haben die Kalifornier der Community eine Reihe wichtiger Teilsysteme zur Verfügung gestellt, beispielsweise die Benutzeroberfläche Gnome, das Network File System NFS oder die Java-Entwicklungsumgebung Netbeans. Keine Lorbeeren kann dagegen Dell einheimsen. Den Texanern attestieren die Marktforscher in diesem Zusammenhang eine "opportunistische" Haltung. (wh)

Finanzierung der Studie

Vor der Berichterstattung hat sich die Computerwoche nach den Geldgebern der D.H. Brown-Studie erkundigt. Laut Autor Pierre Fricke haben die vier erwähnten Server-Hersteller Dell, HP, IBM und Sun Microsystems die Untersuchung jeweils zu gleichen Teilen finanziell unterstützt. Hinzu kamen Gelder weiterer IT-Anbieter. Eine einseitige Einflussnahme sei damit ausgeschlossen.

Abb: HP und IBM sind beste Allrounder

Die Analysten bewerten die Linux-Strategien der Server-Hersteller anhand mehrer Kriterien, die hier in Auszügen dargestellt sind. Während IBM und HP ihre Initiativen breit anlegen, konzentrieren sich Dell und Sun auf bestimmte Marktsegmente. Quelle: D. H. Brown Associates