Viele Wege zum Ausbildungsziel

Wo lassen Sie lernen!

27.02.1976

MÜNCHEN - Noch ist es nicht soweit. Noch gibt es sie nicht, die Computer der Zukunft, die "Future Systems", deren Einsatz - da in Umgangssprache programmierbar - spezialisiertes EDV-Wissen nicht mehr erforderlich machen sollen. Die Notwendigkeit einer umfassenden EDV-Ausbildung als unerläßliche Voraussetzung für effiziente Arbeit wird deshalb von niemandem bestritten. Aber in welchem Verhältnis stehen die damit verbundenen Kosten zu den tatsächlichen Lernerfolgen - soweit überhaupt meßbar? Wann, wo, mit wem welche Seminare besuchen?

Relativ einfach hatte es bisher EDV-Neuling Manfred Nöbauer, ehemals kaufmännischer Sachbearbeiter, heute RZ-Leiter der Firma J. Schlemmer & Co., Kabelgroßhandel, in München: Parallel mit der ersten Computer-Installation (Honeywell Bull 61/58) begann seine EDV-Karriere. Anfang machte die "Einführung in die EDV", dann kam "seine" Programmiersprache, das Operating lernte er auch noch hinzu. Und alles vom Systemhersteller als sogenannte Einführungsunterstützung kostenlos. Nöbauer: "Der Hauptteil des Lernprozesses kommt erst in der Praxis dazu, das lernt man nicht auf Seminaren." Pläne für die Zukunft: "Nur gerade das lernen, was das System und die Anwendung betrifft" - wieder beim Hardware-Hersteller.

Mit dem Rat des Beraters

Durch Kurse freier Institute läßt Helmut Salzmann, EDV-Leiter der Deutsche Ring Versicherung in Hamburg, im eigenen Schulungsheim seine Systemanalytiker ausbilden. Mitarbeitern aus der Fachabteilung mit abgeschlossener Versicherungslehre wird so das nötige EDV-Know-How beigebracht. Den Lehrstoff sucht ein versierter externer Betriebsberater aus, da "der Ausbildungsmarkt von einem überlasteten EDV-Leiter nicht zu überblicken ist". Anfängliche Versuche mit der Video-Methode wurden nach kurzer Zeit wieder eingestellt, da "für die Ausbildung zum Systemanalytiker nichts Brauchbares dabei ist". Heute setzt Salzmann die Video-Kurse zur Unterstützung seiner Programmierer ein, um deren Wissen um Betriebssysteme zu verbessern. Ansonsten lauft die "Do-it-yourself-Methode": Einzelpersonen, die Hersteller-Seminare besucht haben, geben permanent ihr Wissen an Mitarbeiter weiter.

Die Qual, der Wahl hat derzeit Hans-Jürgen Hehnler, EDV-Leiter der Firma Held & Francke Bau AG, München. Dort wird versucht, einen konsequenten Ausbildungsplan für die EDV--Mitarbeiter aufzustellen. Hehnler, sehr interessiert an neuen Programmiertechniken wie Strukturierte Programmierung und Chief Programmer Team-Konzept verfügt aber über eine Menge Referenzen. Dank seines guten Kontakts zu Anwenderkollegen kann er bereits die Seminare weglassen, die "von anderen schon besucht und nicht für gut befunden wurden". Der Rest soll anhand von ausführlichen Seminarunterlagen - abgestimmt auf die Anforderungen im Haus - ausgewählt werden.

Ausbildung ist Investition

"Wer Geld ausgeben kann für EDV-Mitarbeiter, der muß auch in deren Ausbildung investieren können, um einen optimalen Ablauf des EDV-Geschehens zu garantieren", meint Herbert Ahlstich, Direktor der Organisationsabteilung der Bayerischen Hypo-Bank, München. Anders als viele seiner Anwender-Kollegen reflektiert er nicht auf "möglichst kostenlose Herstellerschulung". Ahlstich ist bereit, "wenn es sein muß", viel Geld für Schulung auszugeben - etwa zehn Prozent der EDV-Belegschaft sind ständig in Sachen Ausbildung abwesend. Für ausgesprochen gut bezeichnet er die IBM-Seminare, die einfach nötig sind, um die große 370/168 effizient auszulassen.

Auswahl fest verdrehtet

Verantwortlich für die Weiterbildung in neuen Software-Technologien zeichnet im Hause Hypo-Bank eine spezielle "Planungsgruppe EDV", die sich ausschließlich mit der Fortentwicklung von Systemsprachen und Software-Produkten beschäftigt. Dieses Team bestimmt darüber, welche Seminare - auch von freien Anbietern - zu besuchen sind, ob im eigenen Schulungsheim unterrichtet oder extern ausgebildet werden soll.

Audio-visuelle Hilfsmittel sind modern, Lernen im Medienverbund ist "in", das Angebot an Seminaren und Schulungsmöglichkeiten wird immer größer und unübersichtlicher. Erstaunlich der Hang vieler EDV-Anwender, bei Weiterbildungsproblemen doch lieber beim Systemhersteller zu bleiben.