WLANs/Hotspots/Wie die Lausitzer Braunkohle AG rangiert

WLAN koordiniert Lokomotiveneinsatz

28.03.2003
Der Rangierbetrieb eines Eisenbahnnetzes erfordert hohe logistische Leistungen. Die Lausitzer Braunkohle AG setzt hierzu ein WLAN ein, um jederzeit den Überblick zu behalten. Von Günter Unterholzner*

"Weiss jemand, wo Waggon 5229 abgeblieben ist?" Wer auf einem Rangierbahnhof arbeitet, kennt diese Frage nur allzu gut, denn hier verliert man schnell den Überblick. Das Zusammenstellen von Zügen und Anliefern von Waggons, Informationen über freie und belegte Gleislängen sowie aktuelle Weichensperrungen - all dies erfordert einen ausgeklügelten, lückenlosen Informationsfluss. Nur so lassen sich auch komplizierte Rangieraufträge reibungslos und termingerecht abwickeln.

Um die termingerechte Abwicklung zu gewährleisten, hat die Lausitzer Braunkohle AG (Laubag) auf dem über zwölf Quadratkilometer großen Anschlussbahngelände am Standort Schwarze Pumpe zehn Rangierlokomotiven an das DV-Netz angekoppelt. Hierzu hat die Laubag die Rangierloks mit stationären Routern und Funk-Bridges sowie mobilen Repeatern ausgestattet und so auf jeder Lok einen WLAN-Access-Point realisiert. Damit sind die Lokführer auf dem Gelände fast durchweg online erreichbar. Mit Pocket-PCs nehmen sie Rangieraufträge entgegen und melden deren Ausführung unverzüglich zurück. Zudem sind sie in der Lage, Gleisbelegungen und Wagenreihungen in Echtzeit abzufragen. Den kompletten Datenfluss in diesem Funk-LAN sowie die Transportgüterbewegungen und Geschäftsprozesse steuert die Dispositionssoftware "Vips".

Papier, Telefon, Fax und Sprechfunk

Vor der Einführung des WLAN verlief die Koordination recht kompliziert: An neun Stellen des Unternehmens wurden separate Gleisbelegungslisten geführt, was oft für inkonsistente Daten sorgte. Diese mussten dann zeitraubend telefonisch abgestimmt werden. Letztlich hatte die Kommunikation via Papier, Telefon, Fax und Sprechfunk viele Medienbrüche zur Folge. Selbst wichtige Daten gingen dadurch mitunter verloren.

So kam es immer wieder vor, dass sich der momentane Standort eines oder mehrerer Waggons nicht sofort lokalisieren ließ. Folglich konnte man diese tage-, zuweilen wochenlang nicht nutzen und musste ihre Position durch aufwändige Suchaktionen ermitteln. Das bedeutete nicht nur mehr Arbeitsaufwand, sondern zog bei Wagen des öffentlichen Verkehrs auch die Zahlung von Wagenstandgeld nach sich. Die Laubag beschloss deshalb, ein softwaregestütztes Dispositionssystem einzuführen, um alle Fehlerquellen zu beseitigen und die Arbeitsabläufe zu automatisieren und zu beschleunigen.

Die neue Lösung sollte die Transportprozesse verbessern, die mobilen Arbeitsplätze in die zentralen Geschäftsprozess-Applikationen einbinden und elektronischen Zugriff auf zentrale, betriebsrelevante Informationen wie Sperrungen, Gleisbelegungen, Waggonreihung und -daten ermöglichen. Oder anders ausgedrückt: Der Informationsfluss sollte vereinfacht und gestrafft und damit das Personal entlastet werden. Außerdem wollte man die Abrechnung von Transportleistungen wie auch die Nachweisführung automatisieren und eine zentrale Informationsbasis schaffen.

WLAN statt Richtfunk

Nach Aufstellung dieses Anforderungskatalogs schrieb die Laubag diese Arbeiten aus. Als IT-Partner machte die PC-Soft GmbH aus Senftenberg das Rennen. Entscheidende Kriterien waren die langjährige Erfahrung des Anbieters mit IT-Lösungen für die Transportindustrie und die Erfüllung sämtlicher Anforderungen durch das Logistik-Management-System "Vips/D" zu einem annehmbaren Preis.

Für die kabellose Kommunikation im Gleisbereich hatte man bei der Laubag zuerst eine herkömmliche Richtfunklösung vorgesehen. Lösungspartner PC-Soft überzeugte das Unternehmen dann von den Vorteilen einer WLAN-gestützten Installation. So entfällt bei WLANs die Notwendigkeit der oft aufwändigen, genauen Ausrichtung von Sender und Empfänger, wie sie beim Richtfunk erforderlich ist. Zudem hätten sich die Gesprächspartner ständig neu ausrichten müssen, da die Lokomotiven ständig in Bewegung sind. Last, but not least sprachen für die WLAN-Lösung auch die deutlich geringeren Kosten.

In Sachen Hardware entschied man sich für Equipment von Cisco, da PC-Soft als lokaler Partner des Herstellers über eine langjährige Erfahrung mit der Technik verfügte. Für die "Aironet 350 Funkbridges" sprach zudem ein Temperaturbereich von minus 20 bis plus 50 Grad Celsius, in dem die Geräte arbeiten. Ein Punkt, der bei den zuweilen extremen Witterungsbedingungen im Gleisgelände von entscheidender Bedeutung ist.

Als erster Schritt zur Optimierung der Transportprozesse wurde das elektronische Dispositionssystem eingeführt. Durch die zentrale Zusammenfassung der Aufgaben brachte das System bereits eine Reihe von Verbesserungen im Arbeitsablauf. Wesentliche Voraussetzung, um Fehler und Datenverluste zu vermeiden, ist dabei das mit Hilfe des Dispositionssystems erstellte aktuelle Gleisbelegungsbild: Ursprünglich führte hierzu der Zugfertigsteller 21 unterschiedliche Schriftstücke und Nachweisbücher - alles von Hand. Diese wurden durch die automatische Dokumentation per Vips/D vollständig ersetzt.

Außerdem sind etwa die Waggonreihung von zulaufenden Zügen der Deutschen Bahn AG (DB AG), deren Transportgut und die Empfänger bei der Laubag-Anschlussbahn schon vor dem Eintreffen bekannt. Dies wurde durch die Edifact-Anbindung zum Kundenservicezentrum der DB AG erreicht, die den Annahmeprozess beschleunigt und sicherer macht. Dynamische und statische Wägesysteme, SAP-Module und betriebliche Informationssysteme kommunizieren innerhalb der offenen Architektur des Dispositionssystems direkt miteinander. Flexible und einfach erweiterbare Auswertungen gehören inzwischen bei der Laubag zum Arbeitsalltag und erlauben gezieltes, kostenoptimiertes Arbeiten. Damit lässt sich nicht nur beantworten, wo die Waggons zu finden sind, sondern auch andere wichtige Fragen wie: Welcher Waggon steht schon am längsten? Wo steht ein Waggon der Baureihe FCS mit einer bestimmten Ladung? Werden die Fristen der vereinbarten Standzeiten überschritten?

Durchgängiger Datenfluss

Das mobile Rangierpersonal hatte auf diese Daten jedoch keinen Zugriff. Auftragserteilung, Bestätigung und Quittierung der Rangieraufträge erfolgten nach wie vor über Sprechfunk. Die strategische Planung sah aber vor, dass sich der Fahrtenleiter vom Auskunftsbüro zu einem Logistik-Manager entwickelt, der Arbeitsabläufe in ihrer Abfolge vorplant und deren Abwicklung sicherstellt. Voraussetzung hierfür war die Erweiterung des Dispositionssystems mit einer Datenfunklösung, die etliche Punkte erfüllen musste, um einen reibungslosen Kommunikationsfluss zu gewährleisten. So forderte das Pflichtenheft eine hohe Stabilität und ständige Verfügbarkeit sowie einen bidirektionalen Betrieb. Ferner sollte der Datenfunk einen direkten Online-Zugang zu Informationen wie Gleisbelegungen, Sperrungen von Gleisen und Weichen auf dem gesamten Gelände erlauben. Informationen, die den Lokführern auch bei den vielfältigen Arbeiten außerhalb ihres Fahrzeugs zur Verfügung stehen sollten. Um eine schnelle Verfügbarkeit der Daten zu gewährleisten, kamen zudem nur Systeme mit einem hohen Datendurchsatz in Frage. Unter betriebswirtschaftlichen Aspekten wurde eine Lösung erwartet, die in einem lizenzfreien Frequenzband arbeitet, um die laufenden Kosten gering zu halten. Eine Wunschliste, auf die PC-Soft mit einer speziell auf die besonderen Erfordernisse zugeschnittenen WLAN-Lösung gemäß IEEE-Standard 802.11b reagierte.

Hatte die Laubag mit der Einführung des Dispositionssystems bereits die Effizienz der Anschlussbahn deutlich erhöht, so sollte das Datenfunksystem nun alle Arbeitsplätze in die elektronische Informationskette einbinden. Dabei stellte Roland Rauch, Projektleiter Zentraler Eisenbahnbetrieb bei der Laubag, hohe Ansprüche in puncto Leistungsfähigkeit, Flexibilität und Betriebssicherheit. Anforderungen, die nur durch eine genaues Netzdesign und eine sorgfältige Auswahl der Komponenten zu erfüllen waren.

Technische Umsetzung

Aus einer begrenzten Anzahl möglicher Antennenstandorte wurde anhand der geografisch gegebenen Sichtachsen ein hierarchisches Netzdesign für das stationäre Funknetz erstellt. Aus den hiervon abgeleiteten Anforderungen für jeden einzelnen Standort ergab sich die Auswahl der Funktechnologie und der geeigneten Antennentechnik sowie der Netzkomponenten. Jede Rangierlok erhielt hierzu vier Dachantennen und einen Access-Point-Repeater. Eine Installation, die eine Funkausleuchtung für den Handheld-PC im Umfeld des Fahrzeuges gewährleistet und gleichzeitig als mobiler Funkverteiler dient.

Über die Handheld-PCs erfolgt jetzt sowohl die Übermittlung, Bearbeitung und Rückmeldung von Rangieraufträgen als auch der Abruf aktueller Gleis- und Weichensperrungen. Zudem signalisieren sie akustisch eingehende Rangieraufträge und Sperrungen und rufen die aktuellen Gleisbelegungen in der gesamten Anschlussbahn mit Wagenreihungen, Waggondaten und freien oder belegten Gleislängen auf. Ferner erfasst der Lokführer per Pocket PC die Betriebsparameter der Rangierloks wie Motor- und Kompressorlaufstunden oder Kraftstoffverbrauch. Eine DV-Kette, mit der die bisherigen Medienbrüche der Vergangenheit angehören.

Das eigentliche Logistik-Management erfolgt auf den Arbeitsplatz-PCs des Fahrtenleiters und des Oberrangierers. Dies umfasst unter anderem die Planung, Erstellung und Aktivierung von Rangieraufträgen, die Koordinierung mit externen Eisenbahnverkehrsunternehmen und Kunden sowie innerbetrieblichen Transporten. Außerdem ist der Fahrtenleiter zuständig für die Eingabe von Sperrungen sowie für die Auswertung und Abrechnung von Transportleistungen. Einen unbefugten Zugriff auf diese Logistikdaten verhindern dabei Firewall, dynamischer WEP-Schlüssel, Access-Control-Server sowie eine fortschrittliche Authentifizierung mit dem Extensible Authentication Protocol (EAP).

Die inzwischen im Dauerbetrieb arbeitende Lösung erfüllte die Anforderungen und Erwartungen in vollem Umfang. Angesichts der vielen Vorzüge wurde das neue System auch seitens der Anwender sehr gut akzeptiert, zumal die Abschaffung des papiergestützten Schriftwesens für sie weniger Arbeitsaufwand bedeutet und der Sprechfunkverkehr reduziert wurde. Die Laubag selbst profitiert von einer effizienteren Ausnutzung der vorhandenen Rangierkapazitäten. Zudem können die Aufwendungen und Transportleistungen für alle Kunden im Territorium besser erfasst und damit genauer abgerechnet werden. (hi)

*Günter Unterholzner ist freier Journalist in München.

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Laubag

Die Lausitzer Braunkohle Aktiengesellschaft (Laubag) ist ein Bergbauunternehmen mit Betriebsstätten im Land Brandenburg und im Freistaat Sachsen und beschäftigt knapp 5700 Mitarbeiter. Hauptgeschäftsfeld ist die Förderung von Rohbraunkohle im Tagebau - jährlich rund 55 Millionen Tonnen. Diese werden zu 95 Prozent als Rohstoff für die Stromerzeugung in den grubennahen Kraftwerken der Vattenfall Europe Generation (VE-G) verbraucht. Die dafür notwendigen Transporte leistet der Zentrale Eisenbahnbetrieb auf rund 360 Kilometern Streckennetz mit gegenwärtig 450 Mitarbeitern. Die Anschlussbahn zwischen Werkbahn und dem Gleisnetz der Deutschen Bahn AG rangiert mit 55 Beschäftigten und zehn Diesellokomotiven die Waggons, um sie für verschiedene Abnehmer und Transportgüter bereitzustellen.