Das Ziel ist die lernende Organisation

Wissens-Management ist eine Frage der Unternehmenskultur

19.11.1999
Unternehmen müssen neue Wege der Vermittlung von Know-how beschreiten. Die Henkel KGaA in Düsseldorf setzt mit einer auf "Lotus Notes/Domino" basierenden Knowledge-Management-Anwendung im IT-Training an. Hier ist der Nutzen allen Mitarbeitern sofort einsichtig, und hier sind auch die Barrieren, Wissen weiterzugeben, niedrig.

Wie funktioniert ein Auto? Wie arbeitet ein Telefon? Kinder beherrschen die Kunst des Fragens, um aus Antworten neue Erkenntnisse zu gewinnen. Lern- und Organisationspsychologen wie John Dewey, Kurt Lewin und Jean Piaget haben sich bereits vor vielen Jahren mit dieser Art des "fragenden Lernens" beschäftigt.

Auch in Unternehmen finden derartige Gedanken Eingang. An der Sloan School of Management des MIT in Boston gibt es ein Center for Organizational Learning, das sich mit der Theorie und Praxis lernender Organisationen beschäftigt. Daß sich solche Ideen nun auch in deutschen Konzernen durchsetzen, beweist das Beispiel der Henkel KGaA in Düsseldorf.

Das Unternehmen stand vor dem Problem, daß durch traditionelle Schulung die Einführung neuer DV-Programme kaum mehr zu bewältigen war. Darüber hinaus konnte der hohe Bedarf an Wissen, der sich unter anderem in jährlich 120000 Anfragen beim Helpdesk niederschlägt, nicht mehr abgedeckt werden. "Die Halbwertszeit des einmal erworbenen Wissens wird immer kürzer, deshalb mußten wir neue Wege der Wissensvermittlung suchen, um das im Unternehmen vorhandene Know-how direkt am Arbeitsplatz abzurufen", berichtet Winfried Albrink, Leiter der technischen Aus- und Fortbildung der Henkel KGaA.

Knowledge-Management als Prozeß der Bereitstellung und Beschaffung von wertvollem und aktuellem Wissen erfordert die ständige Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter. Es bedeutet aber auch, zu jedem Zeitpunkt gezielt auf Know-how im Unternehmen zugreifen zu können und dazu beispielsweise ein Expertennetz aufzubauen und zu pflegen.

In diesem Projekt galt es, eine unternehmensweit zu nutzende Knowledge-Management-Lösung zu schaffen. Sie soll zum einen die Bereitstellung, Nutzung und Vermittlung des vorhandenen Wissens, zum anderen dessen Aktualisierung und den Aufbau neuen Wissens gewährleisten.

Die Anwendung Tech-Knowledgy basiert auf Lotus Notes/ Domino. In Düsseldorf nutzen etwa 6000 Mitarbeiter diese Plattform, an den anderen Standorten in Deutschland sind es noch einmal weitere 2000 Anwender. Die technologischen Voraussetzungen, wie sie Groupware, Messaging und Internet/Intranet mit den Applikations-Entwicklungsumgebungen bieten, bilden die Basis zur Realisierung von Wissens-Management-Lösungen.

Entwickelt wurde die Applikation von der Teachware AG in Düsseldorf. Eine Prozeßanalyse erfaßt das vorhandene Wissen, bereitet es auf und stellt es in Form einer Datenbank zur Verfügung. Per Volltext- oder Schlagwortsuche findet der Anwender dann rasch die gewünschten Informationen innerhalb einer oder über mehrere Datenbanken hinweg. Zugangskontrollen und Sicherheitsstufen regeln den Zugriff von Gruppen, virtuellen Teams und Einzelpersonen auf die Wissensdatenbanken.

Mit dem virtuellen Trainingsraum, der in Schulungen eingesetzt wird, stellt Tech-Knowledgy eine ganze Palette von Mechanismen zur Verfügung, um die Weitergabe von Wissen zu unterstützen. Innerhalb der Diskussionsforen wird neues Wissen generiert und steht nach einer Bewertung durch Experten anschließend in der Datenbank bereit. "So bleibt das im System enthaltene Wissen dynamisch und immer aktuell", sagt Ausbildungschef Albrink.

Henkel setzt Tech-Knowledgy seit Februar dieses Jahres ein. Die Erfahrungen damit sind positiv. Knowledge-Management ist keine Applikation im traditionellen Sinn, sondern ein Ansatz für eine Unternehmenskultur, in der die lernende Organisation einen hohen Stellenwert hat.

Henkel

Anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung zählen zu den Kernkompetenzen des Unternehmens, das führend im Umwelt- und Verbraucherschutz sein will. Als größte Einzelgesellschaft des weltweit tätigen Henkel-Konzerns (21,3 Milliarden Mark Umsatz 1998) erwirtschaftete die Henkel KGaA in Deutschland 1998 rund sechs Milliarden Mark in den Geschäftsfeldern Fettchemische Produkte, Klebstoffe, Oberflächentechnik, Wasch- und Reinigungsmittel, Kosmetik und Körperpflege sowie Hygiene. Weltweit beschäftigt die Henkel-Gruppe rund 56000 Mitarbeiter, davon rund 16000 in Deutschland.

Wissens-Management-System

Zunächst hat Henkel die Anforderungen an das neue System formuliert:

- Systematischer Aufbau und Pflege von Wissensdatenbanken,

- Umgang mit Wissens- und Diskussionsdatenbanken erlernen,

- Entlastung des Helpdesk,

- systematische Vor- und Nachbereitung der Seminare,

- Schaffung eines gemeinsamen Wissensstands in den Lerngruppen,

- kontinuierliche Betreuung durch den Trainer oder einen Experten,

- flexible, bedarfsgerechte Wissensvermittlung,

- reduzierte Dauer des Trainings mit Fokussierung auf wichtige Inhalte,

- Komplettierung des Wissens in Eigenarbeit durch Nutzung von Web-gestütztem Training,

- zeitlich und örtlich unabhängiges selbstgesteuertes Lernen,

- Entwicklung der Lern- und Problemlösefähigkeit,

- Anleitung zum Finden und Nutzen vorhandenen Wissens in Wissensdatenbanken,

- Problemlösung durch Teamarbeit und Weitergabe eigenen Wissens in Diskussionsforen sowie

- Erarbeitung neuen Wissens in den Diskussionsforen, das in die Wissensdatenbanken eingeht.

*Jürgen Wasem-Gutensohn ist freier Journalist in München.