Wissen, was der Markt braucht

03.07.1992

Ein angeschlagener amerikanischer Minicomputer-Hersteller, wohl doch tiefer im Schlamassel, als es zunächst den Anschein hatte; ein italienischer Büromaschinen-Konzern, der mit Amerikanern als DV-Partnern (AT&T) schlechte Erfahrungen gemacht hat: Die Digital Equipment Corporation beteiligt sich an Olivetti (Seite 3), worauf der DEC-Kurs an der New Yorker Börse nachgibt, Mittlerweile hat Wallstreet gelernt, mit Ankündigungen aus der Computerbranche umzugehen. Denn daß DEC in Europa PCs von Olivetti vermerkten will, die aus Fernost stammen, hat den Charakter eines Gottschalk-Werbespruchs für den Hamburger Royal TS von McDonald's: "Da isser wieder." Auf den PC von "Digivetti" bezogen: - immerhin. Daß sich aber die De-Benedetti-Company darauf festlegt - wie das Abkommen des weiteren vorsieht -, Digitals zukünftige Alpha-Chip-Technik in zukünftigen Olivetti-RISC-Workstations einzusetzen: etwas viel Zukunft.

In der aktuellen Branchenchronik nehmen die Fälle zu, deren Ausgang von Hoffnung bestimmt ist. Vor einem Jahr überraschten IBM und Apple die Fachwelt mit der Absichtserklärung, unter dem Namen Taligent eine Corporate-Desktop-Ehe einzugehen (CW Nr. 24 vom 14. Juni 1991, Seite 1: "Gemeinsam gegen die Microsoft-Vorherrschaft"). Geheiratet wurde im Herbst 1991, und man nahm sich gegenseitig das Versprechen ab, vor 1995 keine Betriebssystem-Kinder in die Welt zu setzen. Dann aber soll "Klein-Pink" mit RISC-Power und lautem Werbegeschrei die Konkurrenz nerven.

Allein die Ankündigung genügte, um RISC-Nachzügler wie Bull, DEC oder Olivetti in helle Aufregung zu versetzen. Das Ergebnis kennen wir: Bull hofft, in der Allianz mit IBM etwas von dem Glanz der großen blauen Welt abzubekommen, Olivetti rechnet mit der DEC-Hilfe (siehe oben). Und was liegt für die Anwender nahe? Neben die Erwartungshaltung tritt für sie die abwartende Haltung. Mehr noch: Meist wissen sie sehr genau, was sie nicht wollen, nämlich Ankündigungsschimären nachzujagen - merkwürdig, daß diese Version in den Hersteller-Szenarien nicht vorkommt.

Schön, einen amerikanischen Anwender zitieren ,zu können: "Ich erwarte nicht, daß etwas Weltbewegendes dabei herauskommt. Ehrlich gesagt, ich erwarte gar nichts", so Allen Head, DV-Manager bei der Universal Flavor Corp., Indianapolis, in der "Computerworld" über das IBM-Apple-Bündnis. Aber IBM und Apple konnten wohl auch keine andere Reaktion erwarten, als sie zu ihrem Höhenflug ansetzten. Die Konkurrenz schläft nicht. Hewlett-Packard etwa macht mit einer klaren und überzeugenden Produktpolitik, die darauf eingeht, was der Markt 'heute braucht, gerade in bisherigen IBM-Domänen Boden gut - das sollte den blauen Marketiers zu denken geben.