Als Hilfsmittel Normdaten-Anwendungs-System vom DIN

Wirtschaftsbranchen entwickeln eigene Subsets für Edifact-Norm

27.10.1989

Wenn man ihn nicht "strafft", kann der universelle Datenübertragungsstandard Edifact für den Anwender zum Klotz am Bein werden. Aufgrund der Forderung, alle für eine Übermittlung möglichen Inhalte und Informationen zu berücksichtigen, wird die Struktur eines entsprechenden Nachrichtentype oft unübersichtlich. Eine Lösung bietet sich hier über die Subsetbildung an.

Bei einer "ungeschlämerten" Edifact-Bestellung fallen neben einer gewissen Behäbigkeit auch vergleichsweise hohe Kosten ins Gewicht: Die Übertragung wird durch das Senden vieler Daten, die für die spezielle Anwendung nicht benötigt werden, unnötig teuer. Wo Branchenstandards nur die wesentliche Inhalte umfassen, berücksichtigt Edifact ja weltweit Anforderungen aller Branchen. Dieser Punkt ist auch ein wesentlicher Ansatz der Kritik an dieser Norm.

Allerdings - so sehen es die Insidern - gibt der Standard auch schon selbst eine Antwort auf diese Kritik. Die Struktur der Edifact-Nachrichtentypen (zum Beispiel Rechnung, Bestellung, Bestellbestätigung, Gutschrift) kann auf das für die tägliche Kommunikation mit den Partnern Wesentliche begrenzt werden. Die Verkürzung eines Edifact-Nachrichtentyps auf den benötigten Inhalt nennt man Subsetbildung.

Festlegung nach Benutzerkreisen

Die Möglichkeit der Subsetbildung soll nicht dazu führen, daß jeder EDI-Anwender ein eigenes Nachrichtensubset entwickelt und nutzt. Sie ist sinnvoll für einen größeren Kreis von Benutzern zur täglichen Übertragung von Massendaten. Der Benutzerkreis bleibt dabei in der Lage, Nachrichten anderer Edifact-Partner zu empfangen und zu verstehen.

Bei Unternehmen sind heute zwei Situationen typisch. Entweder existiert in bezug auf EDI noch keine Lösung, oder aber die Firmen arbeiten mit nationalen oder Branchenstandards. Für Interessierte, die in Zukunft Edifact nutzen wollen, ergeben sich folgende Fragen: Wie können Inhouse-Daten beziehungsweise Dateninhalte der nationalen- oder Branchenstandards der Edifact-Struktur zugeordnet werden und wie entwickelt man in beiden Fällen Nachrichtensubsets?

Der Vorgang der Zuordnung und Subsetbildung erfordert Know-how, sowohl über die Datenstruktur und -inhalte auf Seiten von Edifact, als auch von Seiten der Inhouse-Anwendungen beziehungsweise der nationalen- oder der Branchenstandards. Basis von Edifact ist das UNRFDED (UN Trade Data Elements Directory). Die Norm umfaßt im einzelnen:

- Verzeichnis der Nachrichten

- Verzeichnis der Datensegmente

- Verzeichnis der Datenelemente

- Code Liste und

- Syntax-Regeln.

Die Syntax-Regeln bilden den Rahmen für alle Nachrichtentypen. Innerhalb der Syntax ist die Hierarchie der Segmente, Datenelementgruppen, Datenelemente und Codes zueinander vordefiniert.

Auf seiten der Inhouse-Anwendung gibt es die unterschiedlichsten Datenstrukturen- und -inhalte. Es ist daher sinnvoll, die für einen Edifact-Typ benötigten Inhouse-Dateninhalte zusammenzustellen, um sie den jeweiligen Segmenten und Datenelementen von Edifact zuzuordnen. Das gleiche gilt für die nationalen und Branchen-Standards.

Zuordnung über das Normdaten-Anwendungssystem

Ein geeignetes Hilfsmittel für solche Nachrichtenzuordnungen ist das Normdaten-Anwendungssystem (NAS) des Deutschen Instituts für Normung (DIN). Das NAS stellt auf der einen Seite Informationen über Edifact-Nachrichten und deren Inhalte in Form einer Datenbank zur Verfügung. Auf der anderen Seite lassen sich Zuordnungen von den Inhouse-Daten zu den Edifact-Segmenten vornehmen und erfassen.

Durch das Erstellen der Zuordnung werden die benötigten Edifact-Segmente definiert. Die Segmente eines Nachrichtentyps, die nicht benötigt werden, können durch Nullsetzen de Wiederholhäufigkeit des Segments unterdrückt werden. Somit entsteht eine verkürzte Form eines Edifact-Nachrichtensubset.

Probelauf bei der Papierindustrie

Ein Beispiel aus der Praxis soll den Vorgang der Subsetbildung verdeutlichen. So läuft zur Zeit ein Projekt zwischen der deutschen Papierindustrie und dem Papiergroßhandel zur Einführung von EDI. Ein Hauptbestandteil dieses Projekts besteht in der Erstellung von Edifact-Nachrichtensubsets. Betroffen sind dabei die Nachrichtentypen Rechnung, Bestellung, Bestellbestätigung, Lieferavis und Anfrage. Die Entwicklung der Subsets führt hier die Firma Lion GmbH in Köln in Zusammenarbeit mit Vertretern der Papierindustrie und des Papiergroßhandels durch.

Es ergaben sich folgende Arbeitsschritte:

1. Erstellung eines Datenkatalogs. Der Inhalt umfaßte alle Inhouse-Felder, die für die genannten Nachrichtentypen benötigt wurden.

2. Grobe Zuordnung der Nachrichtentypen zu den Feldern des Datenkatalogs.

3. Aufhebung von Unklarheiten in bezug auf den Charakter der Felder (zum Beispiel Feldlänge oder numerisches beziehungsweise alphanumerisches Feld), Beseitigung von Muß- und Kannfeldern.

4. Zuordnung der Inhouse-Felder auf die Segmente und Datenelemente der Edifact-Bestellungen mit dem NAS.

Auf der Edifact-Seite ist die vordefinierte Syntax zu beachten. Es sind Muß-Segmente und -Elemente vorhanden, die übernommen werden müssen, denen auf der Inhouse-Seite kein Feld gegenüber steht. Zur Präzisierung von Inhouse-Feldern werden bei Edifact Qualifier benötigt. Codes lassen sich direkt zuordnen oder müssen als Change Request (Antrag auf neue Codes) beim DIN beantragt werden.

Nach Zuordnung der Inhouse-Felder in die Edifact-Nachricht beinhaltet das Bestellsubset für die Papierindustrie und den Papiergroßhandel sechs Segmente im Kopfteilg 14 Segmente im Positionsteil und ein Segment im Summenteil. Somit kann die Edifact-Standardbestellung zu 80 Prozent gekürzt werden. Das beschriebene Verfahren wird auch für die Subsetbildung der weiteren Nachrichtentypen angewendet.

Wirtschaftsbranchen können ihre Nachrichtensubsets beim DIN erfassen lassen. Somit können andere Edifact-Anwender auf diese offiziellen und häufig gepflegten Nachrichtensubsets zurückgreifen. Bei Versionsänderung eines Edifact-Standardnachrichtentyps, ist auch eine Versionsänderung an dem jeweiligen Nachrichtensubset notwendig.

Der Ablauf zur Beantragung eines Nachrichtensubsets beim DIN sieht wie folgt aus:

1. Erstellen von offiziellen Change Requests (Formular zur Beantragung neuer Nachrichtensubsets, Segmente, Datenelemente oder Codes)

2. Verfassen detaillierter Subsetbeschreibungen in der für das DIN erforderlichen Form als Anlage des Subsets (Beschreibung der Segmente und Elemente, zum Beispiel Wiederholhäufigkeit, Datenfeldlänge, Kann-/Mußfeld)

3. Verfassung einer Justification (Rechtfertigung) zur Einreichung des Nachrichtensubsets. 4. Beantragen der Subsets und Einreichung der Change Requests beim DIN.

5. Präsentation, Erläuterung des Subsets auf den DIN-Sitzungen des "NBÜ-3.02 Normenausschuß für Technische Prüfung und Unterstützung" und des "NBÜ-3.11 Normenausschuß für Handels- und Industrie-Nachrichten."

6. Nach Zustimmung des DIN, eventuell Weitergabe des Nachrichtensubsets an das Edifact-Board, zur internationalen Anerkennung.

Mit Hilfe des NAS läßt sich ein Teil der notwendigen Unterlagen, die zum Einreichen eines Nachrichtensubsets beim DIN notwendig sind, erstellen.

Die Erstellung und Nutzung von Nachrichtensubsets verbindet zwei Vorteile. Zum einen die Kompaktheit und die Übertragung der wesentlichen Dateninhalte der Inhouse-Daten beziehungsweise der nationalen- und Branchenstandards. Zum anderen die Möglichkeit der weltweiten und branchenübergreifenden Kommunikation mit Edifact. Die Zahl der Edifact-Anwender steigt ständig. Somit vergrößert sich natürlich auch der Kreis der Kommunikationspartner.

EDI-Interessierte sollten rechtzeitig ihre im Unternehmen bestehende Situation, in Hinblick auf die Kommunikation überdenken. Die Einführung von EDI erfordert eine strategische Entscheidung und eine detaillierte Planung im organisatorischen - und DV-Bereich. Die Entscheidung für EDI mit Edifact wird mit der Öffnung des Binnenmarkts Ende 1992 um so notwendiger. *