Sun Microsystems will Linux Paroli bieten

Wird Solaris zur Open-Source-Software?

07.05.2004
MÜNCHEN (CW) - Sun denkt offenbar darüber nach, das hauseigene Unix-Derivat Solaris im Rahmen der GNU Public License (GPL) zur Verfügung zu stellen. Damit träte der Hersteller in direkten Wettbewerb mit Linux.

Nach den Worten von Jonathan Schwartz, President und Chief Operating Officer, würde dieser Schritt Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen, die behaupten, wer den Sourcecode nicht hergebe, sei nicht offen. Bisher hatte Sun Vorbehalte gegen GPL-Lizenzen, weil sie die Entstehung mehrerer Varianten der betroffenen Software förderten. So seien Programme, die für die Linux-Distribution von Red Hat geschrieben wurden, nicht automatisch unter Debian lauffähig. Den Standpunkt, dass die Diversifizierung begünstigt werde, teilt das Open-Source-Lager jedoch nicht.

Noch ist die Öffnung von Solaris nicht mehr als ein Gedankenspiel: Weder steht fest, ob Sun diesen Weg geht, noch gibt es einen Zeitplan für eine Open-Source-Verfügbarkeit des Betriebssystems. Sun liefert Solaris sowohl für die eigene Prozessorarchitektur Sparc als auch für die x86-Systeme aus. Während Solaris/Sparc kostenlos ist, gibt Sun Solaris x86 nur an nicht kommerzielle Nutzer gebührenfrei ab und verlangt ansonsten 99 Dollar pro CPU. In beiden Fällen ist der Quellcode nicht Teil des Lieferumfangs.

Falls sich Sun zu einer GPL-Lizenz für Solaris x86 durchringen würde, müsste das Unternehmen hier mit optional vergebenen Supportverträgen sein Geld verdienen. Über diese Dienstleistung erhielten Kunden regelmäßige Updates und Patches.

Von solchen Supportverträgen sowie Anpassungen der Linux-Distributionen an spezielle Kundenanforderungen ("Strip-down") leben auch die Distributoren Red Hat und Novell/Suse. Die eigentliche Software kostet hingegen nichts.

Sun betrachtet Linux als Konkurrenten, da PC-Anbieter wie Dell, Hewlett-Packard und IBM mit preiswerten Intel-Rechnern unter Linux oder Windows gute Geschäfte machen. Viele Kunden geben diesen Rechnern den Vorzug vor Sun-Servern unter Solaris.

Sun hat auf diese Marktsituation bereits reagiert und Ende April die Preise für die x86-Variante von Solaris gesenkt. Die Lizenz- und Supportkosten für einen Server belaufen sich nun auf 500 Dollar. Red Hat verlangt für etwa vergleichbare Dienstleistungen rund um "Enterprise Linux" 799 Dollar, Suse liegt ungefähr gleichauf. Suns Preismodell könnte vor allem Großkunden interessieren: Jeweils 100 Server kosten 50000 Dollar, unabhängig von der Anzahl der CPUs.

Suns Schlingerkurs

Schon seit mehr als einem Jahr verfolgt Sun einen Schlingerkurs in Sachen Linux. So hatte der Hersteller im April 2003 die eigene Linux-Distribution aufgegeben und betätigte sich fortan als Wiederverkäufer von Suse und Red Hat. Das Betriebssystem wird als Alternative zu Solaris gemeinsam mit den x86-Servern angeboten. Zudem vertreibt das Unternehmen mit dem "Java Desktop System" ein auf Suse Linux aufgesetztes PC-Betriebssystem. Dabei wird es wohl nicht bleiben: "Solaris wird eine wichtige Rolle bei Suns Java Desktop System spielen", sagte Schwartz. Abseits der Betriebssysteme engagiert sich Sun sehr wohl im Open-Source-Umfeld: So rief die Firma das Projekt Openoffice.org sowie Netbeans.org rund um das gleichnamige Java-Entwicklungspaket ins Leben.

"Der Markt hat Linux akzeptiert, und wenn Sun nun Solaris als günstige Alternative anpreist, spricht das nicht gerade für die Glaubwürdigkeit des Unternehmens", kommentiert George Weiss, Analyst beim Beratungshaus Gartner, die Strategie. (fn)