Wird Offshoring zum Auslaufmodell?

06.08.2008
Viele Anwender sind mit ihren Outsourcing-Providern unzufrieden. Sie fordern eine bessere Betreuung vor Ort.

Welche Outsourcing-Anbieter haben die zufriedensten Kunden? Welche Provider bemühen sich besonders um Qualität? Wer verfolgt die beste Auslagerungssstrategie und bietet ein ausgewogenes Offshore-Onshore-Verhältnis? Mit solchen Fragen wenden sich die Marktforscher der Brown Wilson Group einmal pro Jahr an die Outsourcing-Entscheider von Unternehmen rund um den Globus und fassen die Ergebnisse in ihrem "Black Book of Outsourcing" zusammen. Diesmal nahmen insgesamt rund 24 000 Anwender an der Umfrage teil.

Ein prägnantes Ergebnis war dabei die klare Absage, die die Firmen den Offshore-Aktivitäten ihrer Provider erteilten. So stürzte IBM, noch 2005 die Nummer eins, in diesem Jahr steil ab - auf Platz 48. Wie die Bewertungen zeigen, nehmen viele Anwender dem Branchenriesen die massive Verlegung von Services in Niedriglohnregionen übel. Vor allem mit der indischen BPO-Einheit Daksh (Business Process Outsourcing) sind die Kunden offenbar alles andere als zufrieden. Immer wieder komme es zu vorzeitigen Vertragsbeendigungen aufgrund von Qualitätsproblemen. Infosys, der zweitgrößte indische IT-Dienstleister, schaffte es bei der diesjährigen Umfrage noch nicht einmal in die Top 50. Die Kunden bemängeln, der Anbieter orientiere sich zu wenig an ihren Bedürfnissen, es gehe ihm ausschließlich um Umsatzmaximierung. Zudem sei die Firmenkultur stark von elitären Strukturen geprägt.

Trend: "Reverse Outsourcing"

Nicht nur Infosys ist in der Gunst der Kunden zurückgefallen: Noch 2004 kam die Hälfte der 50 beliebtesten Anbieter aus Indien - in diesem Jahr sind es gerade einmal zehn. Das Gros der Top 50, insgesamt 28 IT-Dienstleister, stammt inzwischen aus den USA; zehn kommen aus Europa und zwei aus Lateinamerika. Hintergrund ist eine Entwicklung, die Doug Brown, Co-Autor der Studie, als "Reverse Outsourcing" bezeichnet: Nachdem in den vergangenen Jahren massiv Jobs nach Indien verlagert wurden, zeichne sich jetzt ein Gegentrend ab. Die steigenden Löhne in Indien und die Aufwertung der Rupie gegenüber dem Dollar, vor allem aber die Tatsache, dass viele Anwender mittlerweile mehr Wert auf persönliche Betreuung als auf preiswerte Services legen und im Outsourcing nicht nur ein Mittel zur Kostensenkung, sondern zunehmend ein strategisches Instrument sehen, fördere die Abkehr vom klassischen Offshore-Modell.

Verlierer sind die Inder

Davon profitieren vor allem die Anbieter aus den USA und Europa: "Am zufriedensten sind die Kunden mit IT-Dienstleistern, die lokale Einheiten unterhalten, partnerschaftliche Beziehungen pflegen und sich mit Business Transformation auseinandersetzen", fasst Brown zusammen. Auch Nearshoring sei eine beliebte Option. "Services aus nahe gelegenen Regionen zu nutzen ist für die Kunden einfach komfortabler", bringt es Tony Doye, President Global Outsourcing bei Unisys, auf den Punkt.

Einige indische Provider, allen voran TCS, Satyam und Wipro, haben dies erkannt. Sie eröffnen Servicezentren in den USA und Europa, um ihren Kunden den gewünschten Mix aus Offshore-Onshore-Services zu bieten. "Geschäftsmodelle, die nur auf billigen Arbeitskräften basieren, sind auf Dauer nicht tragbar", räumt Venkatesh Roddam, CEO von Satyam, ein. "Im Sinne langfristiger Geschäftsbeziehungen müssen wir beim Kunden vor Ort sein." Bei den Anwendern kommt diese Strategie gut an: Wipro und Satyam schafften es 2008 in die Top Ten des Black Book, TCS immerhin auf Platz 14.

HP ist am beliebtesten

Zum "bestgeführten IT-Dienstleister" mit den zufriedensten Kunden wurde Hewlett-Packard (HP) mit 247,3 Punkten gewählt. "Die Strategie, mit paketierten Services IBM Konkurrenz zu machen, geht auf", kommentieren die Autoren der Studie. Auch dass HP kurz nach Abschluss der Umfrage EDS übernommen hat, wird sich ihrer Ansicht nach positiv auswirken: "Gemeinsam stehen HP und EDS goldene Zeiten bevor." Mit 247,2 Punkten Zweitbester ist Perot Systems. "Perots Anwenderfokus wird honoriert - bei langjährigen wie bei neuen Kunden", folgern die Analysten. Die folgenden Platzierungen gehen an CSC, Unisys, EDS und Wipro. Alle vier Anbieter kamen auf jeweils 246 Punkte, die Reihenfolge wurde lediglich durch eine Stelle hinter dem Komma bestimmt.

26 Bewertungskriterien

Die Anwender bewerteten ihre Outsourcing-Provider anhand von Kriterien aus vier Bereichen: "Commitment auf C-Ebene" beinhaltet Aspekte wie Qualitätsanspruch, Firmenkultur und Kommunikation sowie die strategische Stärke und Persönlichkeit der Manager. Im Bereich "Corporate Direction" geht es um Leistung und Effizienz der Servicestrukturen sowie um Preistransparenz und Innovation. Die Kategorie "Einfluss der Geschäftsführung" umfasst Aspekte wie Verlässlichkeit und Mitarbeitermotivation. Und unter "Leistung der Mitarbeiter" beurteilten die Anwender die Kundenorientierung ihres Providers sowie Faktoren wie Problemlösung und Personaleinsatz. Die insgesamt 26 Kriterien wurden jedem Diensteister auf einer Skala von eins bis zehn zugewiesen. Die höchste zu erzielende Punktzahl ist 260 (26 x 10). Um ins Black Book aufgenommen zu werden, muss ein Anbieter Stimmzettel von mindestens zehn Anwendern gewinnen.

CSC verdankt seinen dritten Platz nach Ansicht der Experten unter anderem der Reorganisation des Managements sowie seinem klaren Outsourcing-Commitment. Neue Möglichkeiten eröffneten dem US-Dienstleister ferner die Übernahmen des BPO-Spezialisten Covansys und des Healthcare-Dienstleisters First Consulting. Auch mit der Nummer vier, Unisys, sind die Anwender überdurchschnittlich zufrieden. "Nach umfassender Restrukturierung hat Unisys das Management-Team verstärkt und erfreut mit innovativen Strategien Kunden und Anleger gleichermaßen", loben die Analysten. Fünfter wurde der texanische Outsourcer EDS - unter anderem dank seiner Kompetenzen im Rechenzentrum sowie durch die positive Entwicklung der BPO-Einheiten Mphasis und Excellerate HRO.

Hier lesen Sie ...

  • dass HP, Perot, CSC, Unisys und EDS als "bestgemanagte Outsourcer" gelten;

  • warum IBM und Infosys so schlecht bewertet wurden;

  • dass vielen Anwendern guter Support wichtiger ist als billige Arbeitskräfte.

Befragt wurden die Anwender auch nach ihrer Zufriedenheit mit bestimmten Servicekategorien. Zum besten IT-Outsourcing-Anbieter wurde Perot Systems gekürt. Die nachfolgenden Plätze gingen an CSC, Unisys, EDS, HP, TCS, Cognizant, Satyam, Accenture und Ciber. Unisys ist damit innerhalb von zwei Jahren von Rang 47 auf den dritten Platz vorgerückt, was Manager Doyle mit Investitionen in hochskalierbare, globale sowie in kundenindividuellen Services erklärt.

BPO-Services

Die am häufigsten genutzten BPO-Services sind Payroll (Lohn- und Gehaltsabrechnungen), Benefits (Arbeitgeberleistungen) und Procurement (Beschaffung). Die Bestnoten gingen hier an die Spezialisten ADP und Ceridian (Payroll), Fidelity (Benefits) sowie ICG und Genpact (Procurement). Auch im HR-Bereich allgemein landete ADP auf dem ersten Platz, gefolgt von Fidelity, Ceridian, Citistreet, Northgate Arinso, Mercer, Adecco, Excellerate HRO, Accenture HR und Odyssey. Für Geschäftsprozess-Services im Finanz- und Rechnungswesen erhielten HP, Capgemini, IBM, Accenture und Infosys die höchsten Bewertungen. Einen entscheidenden Einfluss haben dabei die Branchenkompetenzen. "Egal, ob Buchhaltungs- oder Helpdesk-Services - je mehr Erfahrung ein Dienstleister im jeweiligen Bereich mitbringt, desto besser wird er den Bedürfnissen des Kunden gerecht", fasst Analyst Brown zusammen.

Die wichtigsten IT-Dienste

IT-Infrastrukturdienste bleiben die Wachstumstreiber im Markt. Aber auch Services, die auf die Transformation und Modernisierung der IT-Landschaft abzielen, sind derzeit ein heißes Thema. Hier erhielten Wipro, IBM, Capgemini und Cognizant die besten Bewertungen. Im öffentlichen Sektor haben ACS, Perot, EDS, CSC, Ciber, Unisys und Capgemini die Nase vorn. Und zu den besten europäischen IT-Dienstleistern wurden Logica, Orange Business, Steria Xansa, BT Global, XChanging, Siemens und Tieto Enator gekürt.