Die BMW AG zeigt den Lieferanten die Vorteile von EDI, aber

"Wir zwingen keinen Partner mit uns DFÜ zu betreiben"

26.07.1991

CW-Bericht, Hiltrud Puf

Die Automobilbranche gehörte schon immer zu den Vorreitern von EDI. Bei der Münchner BMW AG wird seit rund drei Jahren bei der Lieferantenkommunikation verstärkt DFÜ eingesetzt. Mit den Erfahrungen zeigt sich der Konzern im großen und ganzen zufrieden. Wer aber meint, mit EDI unmittelbar viel Geld einsparen zu können, liegt falsch. Die Praxis bei BMW zeigt, daß die Vorteile vor allem qualitativer Natur sind.

Erste EDI-Pilotanwendungen mit Lieferanten gab es bei der BMW AG seit 1985. Die Einführung eines Liefersteuersystems 1989, das den sogenannten Feinabruf ermöglichte, war Anlaß, die Datenfernübertragung zu forcieren. "Es wäre unsinnig, tagesgenaue Abrufe zu produzieren und dann zwei Tage durch den Postweg zu verlieren. Das war für uns ausschlaggebend, verstärkt EDI einzusetzen", erklärt Dietrich Neipp, DFÜ-Koordinator bei der BMW AG.

Inzwischen erhalten etwa 270 Handelspartner die Lieferabrufe papierlos über DFÜ. Weitere 80 sind in der Testphase und tauschen die Daten sowohl per DFÜ als auch auf Papier aus. Bei dem Automobilkonzern steht damit der Lieferabruf nach VDA 4905 mit 350 Anbindungen an erster Stelle der EDI-Anwendungen. Bereits 80 Prozent des gesamten Aufkommens werden über diesen Standard abgewickelt. Danach folgen die Rechnung mit 162 Anbindungen und Lieferschein- und Transportdaten mit knapp 100 Verbindungen.

Der Münchner Automobilhersteller ist demnach ein typisches Beispiel für die EDI-Anwender seiner Branche, da auch in der EDI-Statistik des VDA (Verband der Automobilindustrie) Lieferabruf und Rechnungen die beliebtesten DFÜ-Anwendungen sind. Da die Rechnungsstellung durch den Lieferanten zunehmend durch die Gutschrifterstellung des Kunden abgelöst wird, bietet BMW ab dem dritten Quartal 1991 Lieferanten an, Gutschriftanzeigen elektronisch zu übertragen.

Spediteure sollen einbezogen werden

Auf großes Interesse stößt die elektronische Übertragung von Qualitäts- und Prüfdaten, für die der VDA momentan eine Empfehlung entwickelt. DFÜ-Anwendungen des Einkaufs (Angebot, Anfrage, Bestellung und Preisdaten) nach VDA-Empfehlung werden ab Ende 1991 sukzessive eingesetzt. Zudem plant BMW, die Spediteure in die elektronische Kommunikation einzubeziehen.

Die BMW AG kommuniziert mit ihren Partnern über ein selbstentwickeltes Kommunikationssystem, das die Bereitstellung und Entgegennahme der DFÜ-Daten, die Archivierung und die Konvertierung der Datenstrukturen übernimmt. Es steuert und kontrolliert die Übertragungen zwischen dem Münchner Rechenzentrum, den BMW-Werken und den externen Kommunikationspartnern. Für die DFÜ mit der Zulieferindustrie werden zum Transport der Daten die vom VDA empfohlenen Filetransfer Protokolle eingesetzt. Zur weltweiten branchenübergreifenden Kommunikation ist der Einsatz von FTAM (File Transfer and Access Method) geplant. Als Leitungsarten für die Abwicklung der DFÜ stehen Fernsprechwählleitungen mit 2400 Bit/s, Datex-L und Datex-P mit 9600 Bit/s zur Verfügung.

Momentan setzt das Münchner Unternehmen bei der Kommunikation mit den Lieferanten ausschließlich auf die DFÜ-Empfehlungen von VDA, also auf den nationalen Standard der Automobilbranche. An eine breitangelegte Einführung von Odette, auch ein Standard der Kfz-Industrie, aber auf europäischer Ebene, wird zur Zeit nicht gedacht. "Da auch Odette Pläne zur Konvertierung in Richtung Edifact verfolgt, wollen wir möglichst direkt auf den neuen Standard überwechseln. Die meisten deutschen Automobilhersteller haben ähnliche Pläne", erklärt Kurt Lesch, Leiter DFÜ-Koordination bei BMW. Diese Strategie wird bei dem Kfz-Hersteller derzeit vorbereitet.

Zufrieden äußert sich das Unternehmen über die Beschränkung auf einen nationalen Standard, auch wenn es mit den Auslandsanbindungen nicht so einfach ist.

Im Gegensatz zu Österreich oder der Schweiz, wo VDA-Nachrichten auch relativ weit verbreitet sind, sei der Datenaustausch nach Frankreich und Spanien auf VDA-Basis problematisch, da hier fast ausschließlich Odette eingesetzt werde "Wenn wir einen wichtigen Partner finden, der nur über Odette kommunizieren kann werden wir das tun, aber wir werden Odette nicht als einen gleichwertigen Standard neben VDA einführen", kommentiert Neipp.

Die Vorteile eines internationalen, branchenübergreifenden Standards wie Edifact sind offensichtlich, aber noch ist der Weg dorthin voller Hindernisse: "Momentan gibt es nur sehr wenige Nachrichtentypen im Edifact-Format, die fertiggestellt sind und eingesetzt werden können. Zudem ist Edifact sehr komplex, da sämtliche Industriezweige abgedeckt werden sollen", kritisiert Lesch. Deshalb werde in den Gremien versucht, für die Automobilindustrie Subsets zu entwickeln, also einen eingeschränkten Nachrichtenkorpus, dessen Syntax und Nachrichtenelemente Edifact entsprechen.

Bis jetzt spielt Edifact noch keine Rolle, aber BMW rechnet fest mit diesem weltweiten Standard: "Edifact ist für uns der Standard der Zukunft", erklärt dazu Neipp. Noch müsse man sich allerdings in Geduld üben, einen konsolidierten Stand der Edifact-Nachrichten abwarten und darauf aufbauend die Belange der Automobilindustrie einbringen. "Es hat keinen Sinn, beim allerersten Entwurf einer Nachricht die Inhouse-Systeme anzupassen, da es in dieser Phase häufig zu Änderungen kommt", meint Lesch. Er rechnet frühestens 1993 mit dem verstärkten Einsatz von Edifact bei BMW in der Lieferantenkommunikation, wobei sicherlich in einer längeren Übergangsphase parallel mit beiden Standards gearbeitet werde.

Allerdings sei die Situation für die Zulieferer nicht ganz so einfach. Zwar gebe es mit den VDA-Nachrichten kaum Probleme, aber "was ist mit den Zulieferern, die nicht nur mit der Automobilindustrie, sondern auch mit anderen Branchen zusammenarbeiten, die eigene EDI-Standards haben"? fragt Lesch. "Oder mit denjenigen, die aufgrund ihrer Zusammenarbeit mit französischen oder skandinavischen Kfz-Herstellern noch Odette anwenden?" Wenn dann noch Edifact dazukäme, hätten diese Unternehmen mit einer Vielzahl von Standards zu kämpfen.

Inzwischen kann BMW im Bereich Lieferantenkommunikation auf drei Jahre EDI-Erfahrungen zurückblicken und ist mit den Ergebnissen zufrieden Aber wo liegen für das Unternehmen eigentlich die Vorteile dieser Form der DFÜ? Ergeben sich Kostenreduzierungen? "Das ist ein schwieriges Thema, da es sehr viele qualitative Aspekte gibt, die sich nicht in Mark und Pfennig rechnen lassen. Dazu gehören die Beschleunigung der Auftragsabwicklung oder eine bessere Versorgungssicherheit durch schnellere Information", gibt Lesch zu bedenken .

Er nennt dazu ein Beispiel aus der täglichen Praxis. Wenn die Produktion genau weiß, wann der Spediteur mit wichtigen Materialien eintrifft, erspart dies viel Aufregung und zudem kann die Fertigung darauf ausgerichtet werden.

EDI-Einsatz ist kein K.o.-Kriterium

Es entfallen eine Reihe von Rückfragen und Sondermaßnahmen, ein Vorteil, der in seinem rein finanziellen Nutzen schwer zu kalkulieren ist. Einzig die Kosten für das Porto und die DFÜ lassen einen direkten Vergleich zu. "Hier schneidet zwar EDI besser ab, aber der Overhead, den wir für das Netz brauchen, ist dabei nicht berücksichtigt", meint Lesch. Einsparung ergäben sich zudem in den Bereichen Hauspost, Formularwesen und Datenerfassung. Als weitere Vorteile nennt der BMW-Mitarbeiter die schnelle und sichere Übertragung der Nachrichten, die Reduzierung von Erfassungsfehlern, verbesserte Transparenz des Materialflusses und unmittelbare Weiterverarbeitung von Massendaten .

Wichtigste EDI-Partner sind für BMW bislang die Zulieferer mit dem größten Lieferabrufaufkommen. "Aber auch wenn ein Zulieferer nur wenige Teile für die Just-in-time-Produktion liefert, legen wir dennoch großen Wert darauf, mit ihm über EDI zu kommunizieren", stellt Neipp fest. Allerdings ist der EDI-Einsatz kein K.O.-Kriterium bei der Auswahl von neuen Partnern. "Wir zwingen keinen Lieferanten, mit uns DFÜ zu betreiben. Aber wir weisen darauf hin, daß dies für beide Seiten von Nutzen ist", erklärt Lesch. EDI sei wie die DV-Ausstattung nur einer von vielen Checkposten .

Die anfängliche Scheu der Lieferanten gegenüber EDI hätte inzwischen abgenommen, hänge aber immer noch von der jeweiligen DV-Ausstattung ab. "Für einen Zulieferer, der ein gutes Auftragsverwaltungssystem hat, sind die strategischen Vorteile natürlich deutlicher als für denjenigen, der noch gar kein DV-Equipment besitzt", berichtet Neipp. Daß das Interesse der Lieferanten zunehme, sei in engem Zusammenhang mit der höheren DV-Durchdringung auch in kleineren Betrieben zu sehen.

Um die Hemmschwelle der Lieferanten vor der DFÜ zu senken, greift BMW seinen Partnern unter die Arme, informiert sie über entsprechende Standardprodukte und nennt ihnen den zuständigen Ansprechpartner im Haus

Hat sich der Handelspartner für EDI entschieden, erfolgt eine Testphase. Wann auf den schriftlichen Verkehr in Papierform verzichtet wird, stimmt BMW mit dem Lieferanten ab. Die Dauer der Testphase liegt bei den einzelnen Partnern zwischen zwei Wochen und mehreren Monaten.

Bevor das Papier ersetzt wird, macht BMW mit seinen Lieferanten einen Rahmenvertrag, in dem grundsätzliche Fragen zur Rechtsverbindlichkeit sowie andere Rechten und Pflichten festgelegt sind.

Aber nicht nur die Zusammenarbeit mit den Handelspartnern, sondern auch die Kooperation inhouse bedingen den EDI-Erfolg. Die einzelnen Unternehmensbereiche von BMW arbeiten eng zusammen und stimmen die Anbindung neuer DFÜ-Partner ab. "Wenn ich weiß, daß andere Abteilungen mit dem Partner CAD-Daten austauschen wollen, kommt für ihn keine Wählleitung in Frage, die ja für den puren Lieferabruf ausreichen würde", erklärt Neipp. "Beachtet man diese organisatorischen Aspekte, kann mit EDI noch viel mehr erreicht werden."