"Wir wollen NT genauso stark unterstuetzen wie Unix"

07.07.1995

Intel und Microsoft gehoeren nicht nur zu den derzeit erfolgreichsten Unternehmen im IT-Geschaeft, sie werden von manchem Wettbewerber auch als das Feindbild schlechthin dargestellt. Nicht so von Lewis Platt, dem President und Chief Executive Officer der Hewlett-Packard Corp. Mit ihm sprach Bob Tennant, Chefredakteur der "Computerworld Hongkong", ueber die wichtigsten Trends in der Branche.

CW: Wie denken Sie ueber die Uebernahme von Lotus durch IBM?

Platt: Aus heutiger Sicht ist das in Ordnung. Wie die meisten Branchenteilnehmer war ich ueberrascht, aber nicht schockiert - ich habe diese Entwicklung nicht vorhergesehen.

An dem Tag der Uebernahmeofferte war urspruenglich ein Treffen zwischen mir und Louis Gerstner vereinbart gewesen. Er rief mich statt dessen an und versicherte mir, IBM werde die Offenheit der Lotus-Produkte sicherstellen. Tatsaechlich sprach er von einer weiteren Oeffnung - die APIs sollen offengelegt werden, so dass eine bessere Integration der Lotus-Produkte moeglich wird. Das wird laut Gerstner fuer kleinere Software-Entwickler ebenso gelten wie fuer Firmen unserer Art. Gerstner sagte auch, er wolle mehr Geld in die Software-Entwicklung von Lotus investieren.

Ich glaube, er hat mich angerufen, um mich zu beruhigen. Schliesslich ist HP ein wichtiger Lotus-Kunde und einer der groessten Wiederverkaeufer - unsere Palmtops und Laptops benutzen die Lotus- Produkte als Basis. Ich war recht zufrieden mit seinen Ausfuehrungen.

CW: Hat HP jemals die Absicht gehabt, Lotus zu uebernehmen?

Platt: Nein. Es kursierten zwar entsprechende Geruechte, aber wir hatten wirklich kein Interesse. Wir wollen uns eher im Middleware- als im Applikationsmarkt engagieren - in diese Richtung haben wir stark investiert.

CW: Gibt es in den Produktlinien von HP Luecken, die Sie gern durch Akquisitionen schliessen wuerden?

Platt: Wir versuchen staendig, diese Loecher zu identifizieren und sie, falls noetig, zu stopfen. Ich werde nichts ueber die Dinge sagen, ueber die wir gerade nachdenken, aber wir haben im vergangenen Jahr 25 bis 30 Uebernahmen durchgefuehrt. Keine davon bewegte sich in der Groessenordnung von Lotus, die meisten Firmen waren relativ klein, aber jede von ihnen verfuegte ueber eine Schluesseltechnologie, die wir als strategisch betrachteten. Ich sehe keine grossen Luecken in unserem Angebot - meistens spielen sich die Uebernahmen im Bereich von zehn bis 100 Milllionen Dollar ab.

CW: Allianzen gehoeren ebenfalls zu Ihrer Strategie, wie die Entwicklung einer neuen Prozessorarchitektur beweist, an der HP zusammen mit Intel arbeitet. Wie funktioniert diese Kooperation bisher?

Platt: Sehr gut - wir sind zufrieden mit dem Verlauf der Arbeit.

CW: Es herrschte Verwirrung darueber, ob es einen Unterschied gibt zwischen dem zur Zeit von Intel entwickelten P7 und dem HP-Intel- Prozessor. Koennen Sie uns aufklaeren?

Platt: Nein. Da muessen Sie Intel fragen. Aus Ruecksicht auf den jeweiligen Partner haben wir vereinbart, ueber bestimmte Dinge nicht oeffentlich zu sprechen, und das ist eines davon.

Aber lassen Sie mich eine Aussage korrigieren. Sie sagten "HP- Intel-Prozessor". Wir entwickeln gemeinsam eine Architektur. Danach kann jede Firma auf dieser Basis ihre eigenen Chips erarbeiten. Zweifelsohne wird es CPUs geben, die ausschliesslich von uns oder von Intel oder von Teams aus beiden Unternehmen entwickelt wurden.

CW: Eckhard Pfeiffer, Ihr Pendant bei Compaq, scheut sich nicht, seine Bedenken gegen Intel auszusprechen - besonders dann nicht, wenn Intel direkt mit seinen Kunden konkurriert. Teilen Sie diese Sorge?

Platt: Ich glaube, alle Branchenangehoerigen waeren gluecklicher, wenn sich Intel aus dem Board- und Boxengeschaeft heraushalten wuerde. Bei jedem neuen Vorstoss dieser Art machen sich diejenigen Sorgen, die Intel-Chips fuer ihre PCs benutzen. Auch ich bin etwas besorgt - aber nicht in dem Ausmass wie Eckhard Pfeiffer, weil wir ueber eine Kooperation mit Intel verbunden sind.

CW: Haben Sie Ihre Bedenken gegenueber Intel geaeussert?

Platt: Sicher, wie jeder andere auch. Intel muss verstehen, dass es sich damit moeglicherweise selbst schadet. Aber ich kann nicht Intels Geschaefte fuehren - sie werden sicher die Vor- und Nachteile dieser Strategie abgewogen und sich entschieden haben, die Sache weiter zu verfolgen. Nobody is perfect.

CW: Kommen wir auf Microsoft zu sprechen. Was haben Sie mit Windows NT im Sinn?

Platt: Wir wollen NT genauso stark unterstuetzen wie Unix. Ich glaube nicht, dass wir in diesem Sektor eine Entweder-oder- Entscheidung treffen muessen. HP befindet sich in der guten Lage, fuer beide Betriebssysteme Support leisten zu koennen. Wir sind der zweit- oder drittgroesste Lieferant von Intel-basierten NT-Servern. In diesem Sektor haben wir einen viel groesseren Anteil als im Markt fuer Intel-Desktops. Kuenftig wird es darum gehen, wer NT- und Unix- Server am besten in einer Client-Server-Umgebung integrieren kann. Hoechstwahrscheinlich wird es viele solcher heterogenen Systeme geben.

Mittelfristig duerfte NT allerdings nicht in die Enterprise-Server- Welt eindringen. Print- und File-Server werden wir dagegen immer oefter unter NT sehen; vielleicht sogar kleine Abteilungs-Server. Aber im gehobenen Segment treffen Sie weiterhin auf Unix-Server. Deshalb lautet unsere Strategie, diese gemischten Welten zu integrieren. Ich schaetze, wir sind einige der wenigen Branchenteilnehmer, die nicht gegen Microsoft Krieg fuehren. Wenn Microsoft gewinnt, tun wir das auch.

CW: Dann gehoeren Sie nicht zu denen, die sich eine weniger dominante Microsoft Corp. wuenschen?

Platt: Das habe ich nicht gesagt - das ist eine ganz andere Frage. Aber Microsoft schreckt mich nicht. Es gibt Firmen, die Microsoft aus dem Geschaeft draengen will - aber zu denen gehoeren wir nicht. Wir koennen mit diesem Unternehmen koexistieren und von seinem Erfolg profitieren.

CW: Einige Fragen zum Wettbewerb: Welchen Ihrer Konkurrenten respektieren Sie im PC-Sektor am staerksten?

Platt: Natuerlich verdient Compaq Respekt. Sie haben wunderbare Arbeit geleistet - sie sind operational sehr gesund, bringen gute Produkte auf den Markt und verfuegen ueber gute Distributionskanaele. Ich glaube, Eckhard Pfeiffer gehoert zu den wirklichen Groessen unserer Industrie. Auch Dell verdient Anerkennung, besonders fuer das Engagement in der Distribution. Packard Bells Erfolg im Retail-Sektor ist ebenfalls beachtenswert.

CW: Was halten Sie von Ihren Konkurrenten im Unix-Workstation- und Server-Markt?

Platt: Sun ist nach Stueckzahlen immer noch Marktfuehrer. Obwohl sie meines Erachtens die technologische Fuehrerschaft verloren haben, ist ihr Marktanteil immer noch sehr bemerkenswert. Als Konkurrent ist das Unternehmen hartnaeckig, das muss man anerkennen, voller Energie und zaeh. Aber auch mit der IBM ist in diesem Marktsegment zu rechnen.

CW: Und die Anbieter von Intel-basierten Servern?

Platt: Compaq - sie stechen einfach hervor. Vielleicht wird die IBM mittelfristig in diesem Bereich auch stark werden.

CW: ... und bei proprietaeren Minis?

Platt: Wahrscheinlich IBM. Die AS/400 ist nach wie vor ein starkes Produkt. Deshalb muss IBM hier an erster Stelle genannt werden.

CW: Apropos proprietaere Minis. Spielt MPE, das proprietaere Betriebs-

system fuer die HP-3000-Reihe, kuenftig noch eine strategische Rolle?

Platt: MPE bleibt wichtig - wir verfuegen ueber eine riesige installierte Basis, viele unserer Kunden wollen weiter mit MPE arbeiten, und wir haben ihnen versprochen, auch kuenftig in dieses Betriebssystem zu investieren, um es technologisch auf dem neuesten Stand zu halten. Allerdings sehen wir darin keinen Wachstumsmotor fuer unser Unternehmen.

CW: Fast alle Beobachter konstatieren, dass bei HP Service und Support am staerksten zum Umsatzplus beitragen. Ganz konkret, was macht das Unternehmen richtig?

Platt: Service und Support spielten bei uns schon immer eine wichtige Rolle. Wir haben dort sehr viel investiert. Es entspricht unserer Unternehmensphilosophie, Support als ein wesentliches Element in langfristigen Geschaeftsverbindungen zu sehen. Ausserdem sind die Anwender bereit, fuer guten Support zu bezahlen. Deshalb muss es dem Geschaeft nicht schaden, wenn in diesem Bereich ein hohes Niveau gehalten wird. Wir verfuegen weltweit ueber sieben untereinander vernetzte Supportzentren, die von einer eigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilung unterstuetzt werden. Das koennen nicht viele Unternehmen von sich behaupten.

Allerdings nehmen die Erwartungen der Kunden an die Supportabteilungen schneller zu, als wir nachkommen koennen. Obwohl wir bei Kundenbefragungen immer noch die hoechsten Zufriedenheitswerte in der Branche erreichen, geht die Zahl der erzielten Punkte zurueck. Das liegt nicht an einem eventuellen Nachlassen unserer Anstrengungen, sondern daran, dass Anwender immer komplexere Systeme aufbauen und damit ihr Verlangen nach Support waechst.

CW: Sie sprachen kuerzlich von HPs Schwierigkeiten, Produkte schnell genug auf den Markt zu bringen. Wo liegt die Ursache dafuer, und was tun Sie dagegen?

Platt: Es gab zwei schwerwiegende Probleme. Erstens hatten wir besonders im Druckerbereich viele groessere Produktumstellungen. Bei einem solchen Generationswechsel koennen kleinere Fehler grosse Auswirkungen zeitigen. Da wir die Nachfrage unterschaetzten, hatten wir einen Monat, bevor das neue Produkt verfuegbar war, keine Drucker der bisherigen Generation mehr auf Lager. Das tut weh, denn Leute, die in ein Geschaeft gehen, um einen Drucker zu kaufen, nehmen einen anderen mit, wenn das eigene Produkt im Laden nicht zu finden ist.

Das zweite Problem ist der Mangel an einigen wichtigen Komponenten - darunter leidet allerdings die gesamte Branche. Unsere Bestellungen nahmen im vergangenen Quartal um 28 oder 29 Prozent zu. Auch das hatten wir nicht prognostiziert. Jetzt muessen wir uns die Bausteine kurzfristig besorgen. Wenn Ueberkapazitaeten vorhanden sind, wird von den Herstellern mit Freude geliefert, das Dumme ist nur: Es gibt zur Zeit keine Ueberkapazitaeten.

Die Umstellungsprobleme sind zum grossen Teil ueberwunden. Mit der Komponentenknappheit muessen wir uns wohl noch bis zum Ende des Jahres herumschlagen.

CW: Welche Zukunftsplaene haben Sie fuer HP?

Platt: Wir alle haben realisiert, dass es im Sektor MC2 - also Messtechnik, Computing und Communications - interessante Moeglichkeiten gibt, fuer die wir nahezu der einzige qualifizierte Player sind. In der Messtechnik hat niemand sonst unser Know-how, im Computersektor gehoeren wir ganz klar zu den fuehrenden Firmen, und obwohl wir kein Communications-Unternehmen sind, kennen wir uns auch in diesem Sektor gut aus. Wie viele andere Unternehmen koennen das von sich behaupten? Siemens, NEC, die Liste ist sehr, sehr kurz.

Wir wollen mehr Produkte auf den Markt bringen, die die Staerken dieser drei Bereiche in sich vereinigen. Deshalb werden Sie Produkte zu sehen bekommen, die nicht mehr nur ausschliesslich aus den jeweiligen Geschaeftsbereichen kommen. Wir haben bereits mit dem Aufbau einer informellen Telekommunikations-Organisation begonnen, die ueber alle drei Business-Sektoren hinweg greift. Dort wird geprueft, welche Produkte entwickelt werden koennen, zu denen alle einen Beitrag liefern sollen.