Elektronischer Brief

"Wir wollen nicht noch einen E-Mail-Dienst anbieten"

02.03.2010
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.

Der elektronische Brief kommt immer an

CW: Ich kann diesen Dienst aber nutzen wie ein E-Mail-System, mit Dokumentenanhang etc.?

Gerdes: Er ist geeignet für jede Art von Dokument. Jeder Kunde kann den Service rund um die Uhr nutzen und damit das Gleiche tun wie mit seinem Brief. Es wird Einschreiben geben und nachzuweisende Sendungen - all das, was Sie aus dem Briefgeschäft kennen: verbindlich, vertraulich, verlässlich. Kunden bewegen sich in der gleichen Wertewelt wie mit dem physischen Brief.

CW: Noch einmal nachgefragt: Was unterscheidet Ihr Angebot von einem sicheren E-Mail-Service mit Verschlüsselungsoption? Gibt es eine besondere Garantie, die Sie dem Kunden für die Vertraulichkeit geben?

Gerdes: Die Garantie ist die gleiche wie für den Brief. Wir haben jeden Tag 70 Millionen Sendungen, die wir physisch zustellen. Unsere Garantie ist die des Marktführers. Wir haben im Massengeschäft eine extrem hohe Qualität anzubieten. Dafür stehen wir mit unserem Namen. Unser Brief landet definitiv im Postfach des Empfängers. Ob E-Mails wirklich ankommen, wird Ihnen heute sonst niemand garantieren! Wir schon, weil keine Sendung bei uns liegen bleibt. Weder heute in der physischen Welt noch morgen in der hybriden.

Die üblichen Verschlüsselungstechniken sind auch nicht massentauglich. Unser Brief im Internet dagegen schon, weil er einfach und schnell ist. Sie brauchen keine zusätzliche Hard- oder Software. Die Post hat eine Menge technische Kompetenz, um so etwas einzurichten. Dazu kommt das Vertrauen, das die Bürger in unsere Marke setzen. Sie brauchen beides: technische Kompetenz und eine starke Marke. Ordentliche, sichere Prozesse sind in der DNA der Post tief verankert. Das können wir vorweisen, und da glauben wir auch an unseren Erfolg mit dem neuen Produkt.

CW: Geht es der Post letztendlich darum, den Leuten ein Gefühl von mehr Sicherheit zu verkaufen?

Gerdes: Wenn ich mir meinen privaten Briefkasten ansehe, dann stelle ich fest, dass ich wichtige Briefe noch immer auf klassischem Postweg bekomme. Was mir meine Bank oder meine Versicherungen schicken, soll sicher ankommen. Das zweite ist das Thema Convenience. Es ist zwar mit Aufwand verbunden, einen Brief zu öffnen, zu lochen und in den Aktenordner zu packen. Aber den Computer hochzufahren, den Brief auszudrucken plus die ungelöste Frage, wie archiviere ich das jetzt als normalsterblicher Bürger, das alles bedeutet noch mehr Aufwand. Wenn Briefe elektronisch ankommen, wird es ganz wichtig werden, den kompletten Vorgang bequem und zuverlässig zu gestalten.

Briefe werden digital oder als Papier entgegengenommen und versandt.
Briefe werden digital oder als Papier entgegengenommen und versandt.
Foto: Deutsche Post

Jetzt ist der ideale Zeitpunkt gekommen, um Privat- und Geschäftskunden mit einem effizienten, bequemen und sicheren elektronischen Prozess auszustatten und die Abläufe für beide Seiten einfach und schneller zu machen. Wir glauben, dass wir die Richtigen sind, diesen Prozess zu moderieren und zu gestalten. Es geht vor allem um die Sendungen, die heute noch fast alle physisch laufen. Die meisten E-Mails, die wir heute verschicken, waren früher keine Briefe, sie waren Telefonanrufe! Ich schreibe ja auch lieber kurze E-Mails an Leute, von denen ich erwarte, dass ich sie gerade nicht direkt erreiche.

CW: Inwiefern unterscheidet sich der elektronische Brief von De-Mail? Dabei handelt es sich ja auch um einen sicheren Versand- und Postfachdienst, der den Prinzipien verbindlich, vertraulich, verlässlich genügt!

Gerdes: Der Online-Brief erreicht immer seinen Empfänger - auch dann, wenn der keinen Internet-Anschluss hat. Wir drucken den elektronischen Brief dann eben aus und stellen ihn wie sonst auch per Postboten zu. Die Kombination von sicherem elektronischem Versand und hybrider flächendeckender Zustellung, das können nur wir. Zudem können Unternehmen - und sicher auch irgendwann Privatkunden - unseren Scan-Service nutzen. Alle eingehenden Papierbriefe werden dann gescannt und laufen elektronisch in das Kundenpostfach ein.

Es gibt also keine Medienbrüche mehr. Viele Modernisierungsprojekte scheitern doch letztlich daran, dass Alt und Neu nebeneinander laufen müssen. Das verursacht extrem hohe Kosten, manchmal sind sie so hoch, dass die Einführung von neuen Technologien sich nicht rechnet. Mit dem Brief im Internet müssen Sie sich nicht darum kümmern, wer online erreichbar ist und wer nicht. Und immerhin haben noch rund 30 Prozent der Bevölkerung und 20 Prozent der Unternehmen keinen Internet-Anschluss, sind also in weiten Teilen auf den klassischen Brief angewiesen.

CW: Unternehmen versuchen heute, ihre Briefpost in den elektronischen Workflow zu bringen - also einzuscannen, zu verteilen, zu archivieren, gegebenenfalls auch zu vernichten. Ist es das Ziel der Deutschen Post, mehr von diesem Prozess zu übernehmen?

Gerdes: Wir haben uns in der Tat gefragt: Wie gut sind wir beim Thema IT? Wir haben Kassensturz gemacht und festgestellt, dass unsere Briefzentren eigentlich reine IT-Zentren sind. Die Verteilung beispielsweise ist zu 90 Prozent automatisiert und läuft nur zu zehn Prozent händisch. Wenn Sie so wollen - wir sind ein IT-Unternehmen mit angeschlossener Zustellung.

Für einige Versicherungen übernehmen wir heute schon die Digitalisierung der Eingangspost. Wir scannen die Briefe und bringen sie auf die Computer der Sachbearbeiter. Die leiten ihren Postausgang elektronisch an uns, und wir stellen ihn physisch wieder zu.

Wir beschäftigen uns auch sehr intensiv mit dem Thema Archivierung, denn das müssen wir angehen. Wir können Kunden nicht sagen "Dein Leben wird einfacher, aber um das Thema Archivierung kümmern wir uns nicht". Der klassische Postservice hört an der Grundstücksgrenze, also am Briefkasten, auf. Die Prozesse danach überlassen wir den Kunden. Ich glaube aber, dass der Online-Brief jede Menge Chancen birgt, mehr Dienstleistungen auch jenseits des Briefkastens anzubieten. Diese Prozesse ganzheitlich einfacher zu machen, und das bei höchster Sicherheit, das ist die Chance, die der Online-Brief bietet.