"Wir wollen nicht auf Print beschränkt bleiben"

08.04.2011
Shantanu Narayen, CEO des Softwareriesen Adobe, kommentiert im Gespräch mit CW-Redakteur Thomas Cloer* Unternehmensstrategie, Akquisitionen und die umstrittene Release-Politik, die das Unternehmen mit der "Creative Suite" verfolgt.

CW: Wie passen die verschiedenen Zukäufe der letzten Zeit - nach Omniture auch noch Day Software und Demdex - in Adobes Strategie?

NARAYEN: Viele Menschen erstellen ihre Inhalte mit unseren Autorenwerkzeugen, zum Beispiel der Creative Suite 5. Diese Inhalte publizieren sie dann mit der Beta unserer Digital Publishing Suite auf iDevices und im Apple Store, auf Android-Endgeräte und im Android Market und demnächst auch auf neue Geräte wie das RIM Playbook. Für Digital Publishing braucht man Content-Management, wie wir es mit der Day-Software anbieten. Und Sie wollen doch bestimmt wissen, wer auf Ihrer Website welchen Artikel wie oft gelesen hat? Da kommt unsere Online-Marketing-Suite Omniture ins Spiel. Unsere Tools bauen also aufeinander auf und ergänzen sich.

Wir sind eine Publishing-Company. Wir liefern Ihnen alle Authoring-Tools, die Sie brauchen, wir bringen Ihre Inhalte online, wir machen das Content-Management, und wir helfen Ihnen, Geld damit zu verdienen. Es tut sich eine Menge im Markt - die computerwoche hat ja kürzlich eine Cover-Story zu HTML5 gemacht. Wir wollen die besten Authoring-Tools für HTML5 liefern. Die Nutzung von Medien ändert sich, die Verbraucher verwenden mehr Geräte mit unterschiedlichen Bildschirmgrößen. Social Communities müssen integriert werden. Wenn wir uns nicht anpassen und verändern, dann riskieren wir, dass wir auf den Print-Bereich beschränkt bleiben und nicht das komplette Geschäft der Medienhäuser abdecken.

CW: Sie sehen Adobe also primär als Anbieter von Tools?

NARAYEN: Noch stärker von Lösungen. Wir wollen ein Enabler sein und zum Beispiel einer Bank oder Behörde dabei helfen, Anwendungen für ihre Kunden und Bürger zu realisieren.

Unsere drei großen Wachstumsbereiche sind Content Authoring, alles was mit Online-Marketing zu tun hat und dann der ganze Enterprise-Bereich inklusive Public Sector. Wir sind sehr diversifiziert und bereits jetzt einer der größten Anbieter von Software as a Service (SaaS).

CW: Was können wir zukünftig von Adobe noch aus der Cloud erwarten?

NARAYEN: Im kreativen Bereich werden wir sicher unsere bestehenden Desktop-Angebote um neue Möglichkeiten erweitern - zum Beispiel Authoring auf Tablet-Geräten - und diese via Cloud miteinander verknüpfen. Wir haben ja schon Dinge wie Acrobat.com oder Browserlab, und auch die Digital Publishing Suite ist im Prinzip ein Cloud-Angebot. Das Gleiche gilt für den Flash Media Server, über den viele Web-Videos gestreamt werden.

Da werden wir sicher noch mehr Services anbieten, auch Speicher für kreative Inhalte.Omniture ist ohnehin Cloud-basierend, bei Customer Experience beziehungsweise Content-Management bieten wir allerdings auch die Alternative On-Premise an, weil nicht jede Firma willens ist, ihre Daten in die Cloud zu legen. Wir unterstützen hier deswegen Public Cloud ebenso wie Private Cloud oder On-Premise.

CW: Wird Adobe im Markt überhaupt als Anbieter von Enterprise-Lösungen wahrgenommen?

NARAYEN: Die gute Nachricht ist, dass unsere Marke rund um die Welt schon sehr bekannt ist.

CW Das liegt aber doch vor allem daran, dass so viele Leute den Adobe Reader und den Flash Player auf ihrem Rechner installiert haben?

NARAYEN: Korrekt. Und was das Bewusstsein für unsere Enterprise-Angebote angeht - das würde ich mal als "Work in Progress" bezeichnen. Wenn ich CIOs treffen möchte, dann ist das meist ziemlich einfach, weil sie Produkte von uns kennen und schätzen. Die Bekanntheit unserer Lösungen in Bereichen wie Online-Marketing, Content-Management oder Customer-Experience-Management ist aber noch nicht so groß, wie wir das gern hätten. Wir müssen also noch ein bisschen daran arbeiten, eine Pipeline aufzubauen.

CW: Im Web finden sich recht kritische Töne zur Creative Suite. Zu häufige Releases, heißt es, dabei zu wenige echte Innovationen und zu viele Bugs in den neuen Versionen.

NARAYEN: Also mit Blick auf die CS5 kann ich sagen, dass das Feedback durch die Bank positiv war. Das sind unglaublich komplizierte Stücke Software. Und was die Innovation betrifft: Allein das Sneak-Preview-Video zum Content Aware Fill hat auf YouTube mehr als vier Millionen Hits erzielt. Bei der Integration kommen wir mit jeder neuen Version ein Stück voran, es gibt mehr Workflow-Features.

Das ist immer eine Gratwanderung - es gibt auf der einen Seite Nutzer, die sich möglichst häufige Releases wünschen, um besser mit den Komplexitäten neuer Betriebssysteme und Bildschirmgrößen fertig zu werden, und andere, die gern weniger oft neue Versionen hätten. Wir müssen versuchen, beide Seiten zufriedenzustellen. Das Tempo, mit dem sich neue Technologien und Standards entwickeln, die wir unterstützen müssen, hat jedenfalls gewiss nicht abgenommen. Und wenn Sie sich vergegenwärtigen, dass wir doch mehr als zehn Produkte in etlichen Sprachen anbieten, finde ich, dass wir einen sehr guten Job machen.

Wir versuchen natürlich, unsere Produkte immer noch besser zu machen - unter anderem, indem wir stärker als in der Vergangenheit öffentliche Betatests anbieten und damit auch mehr Kunden-Feedback bekommen und berücksichtigen.

CW: Sie packen aber immer mehr Innovationen in Ihre Programme, und die werden damit nicht unbedingt übersichtlicher oder schneller. Wer braucht wirklich 3D- oder Video-Editing-Funktionen in Photoshop? Ist das nicht eine Tendenz in Richtung Bloatware, die professionelle Nutzer stören muss?

NARAYEN: Die Anzahl spannender neuer Features, die wir tatsächlich in die Programme einbauen, ist immer niedriger als die, die wir einbauen könnten. Unser Job ist nun mal die kontinuierliche Innovation, und da versuchen wir eine Balance zu finden. In diesem Bereich werden wir sicher mehr im Bereich Services anbieten -Browserlab zum Beispiel kommt ohne lokale Installation aus, und nur wer es benötigt, nutzt es.

Was ich aber am häufigsten von unseren Kunden höre, ist: Helfen Sie uns dabei, unsere neuralgischen Punkte zu beseitigen. Darauf liegt der Fokus. Und wenn jemand acht oder zehn Stunden pro Tag seine Existenz auf unserer Software aufbaut, dann finde ich sie wirklich nicht teuer - die Leute geben vermutlich mehr für Kaffee oder dergleichen aus als für unsere Programme.

Der Erfolg der Master Collection zeigt uns einfach, dass die Kreativen tatsächlich mehr Programme verwenden wollen. Wer früher nur Print gemacht hat, möchte jetzt vielleicht auch Web oder Video machen. Die Leute wollen sich weiterbilden, weiterentwickeln. Weil sie davon leben.

von Thomas Cloer

tcloer@computerwoche.de