"Wir wollen Interesse für das Gesetz wecken"

16.09.1977

Mit Dr. Claus Spahn, Leitender Redakteur der Programmsparte Weiterbildung und Freizeit beim WDR, sprach Dieter Eckbauer

- Im Januar 1978 wird der WDR jeweils mittwochs um 19.15 Uhr vier 3 halbstündige Sendungen zum Thema "Datenschutz" im dritten Fernsehprogramm ausstrahlen. Das BDSG tritt mit seinen wichtigsten Paragraphen am 1. 1. 78 in Kraft. Kommt diese Sendereihe nicht ein bißchen zu spät?

Wenn Sie das exakte Datum nehmen, ist es vielleicht zu spät. Aber das BDSG hat wie jedes andere Gesetz eine Anlaufzeit. Wir helfen vielleicht, diese Startphase mit unseren Fernsehsendungen zu verkürzen. Durch die Aktualität, die zweifellos kommen wird, wenn das Thema zum Jahreswechsel in den Tageszeitungen auftaucht, ist das Interesse der Bürger zu diesem Zeitpunkt sicherlich großer, als wenn wir das jetzt senden würden und nur Fachleute erreichten, die sich heute schon darauf vorbereiten.

- Dieses "heute schon" gibt nachträglich all denjenigen Recht, die sich mit der BDSG -Schulung Zeit gelassen haben. Wir halten das für etwas bedenklich. Schließlich gelten ab 1. 1978 auch die Strafvorschriften des BDSG.

Es wird sicherlich keiner den Unternehmen den Kopf abreißen, wenn die Aufgabe der Schulung der Mitarbeiter erst im Januar 78 erfolgt, obwohl sie bis Dezember 77 eigentlich hätte abgeschlossen sein sollen.

- Welche Idee stand dahinter, diese Sendereihe zu machen?

Wir wollen versuchen, bei einer breiten Schicht Interesse für dieses Gesetz zu wecken, für die Rechte, für die Möglichkeiten, die der einzelne Bürger hat. Das halte ich für eine notwendige Aufgabe des Mediums Fernsehen, darauf hinzuweisen.

- Es soll also mit den Mitteln des Fernsehens Unterhaltendes für jedermann über das Datenschutzgesetz verbreitet werden?

Nicht nur. Prozentual aufgeteilt, stellen wir uns vor: Vielleicht ein Viertel für den unterhaltenden Teil und drei Viertel Schulung.

- Welche Zielgruppen wollen Sie erreichen?

Wir möchten mit diesem Projekt zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Auf der einen Seite wirklich die Leute anzusprechen, die mit diesem Gesetz arbeiten müssen und die auch ausgebildet werden sollen. Das sind bekanntlich alle Leute in der Wirtschaft, die mit personenbezogenen Daten - sei es manuell oder per EDV - zu tun haben. Auf der anderen Seite wollen wir interessierte Bürger informieren, die fragen, was bedeutet dieses Gesetz persönlich für mich.

- Sie sprechen einen heterogenen Zuschauerkreis an. Berücksichtigen Sie dabei Streuverluste?

Wir versuchen, das Drehbuch so zu machen, daß beide Gruppen davon profitieren.

- Wird es ein Begleitbuch geben?

Ja. Es wird ungefähr 30 Seiten umfassen und etwa 20 Mark kosten. Der Begleittext ist deshalb so wichtig, weil wir in 120 Sendeminuten nur Impulse geben, die Probleme nur anreißen, lediglich ein paar wichtige Paragraphen des Gesetzes rausnehmen können. Der wichtige Teil liegt also im Begleitbuch, und das erreicht den Fachmann.

- Ich sehe nicht, wie Sie beide "Lager" erreichen können, die BDSG - Insider wie die "Zaungäste".

Es ist nicht Aufgabe der vier Filme, beispielsweise den Datenschutzbeauftragten zu schulen. Es geht vielmehr darum, daß alle Firmen, in denen personenbezogene Daten verarbeitet werden, ja auch ihre Mitarbeiter über dieses Gesetz schulen müssen. Das sind bei zigtausenden von Betrieben Hunderttausende wenn nicht Millionen von Betroffenen. Sie müssen darüber informiert werden, daß sie neue Rechte haben, sie müssen angeregt werden, diese Rechte zu nutzen und wahrzunehmen. Dazu bedarf es einer gewissen dramaturgischen Erarbeitung des Themas.

- Können Sie das naher erläutern?

Wir werden Fallstudien und Fallbeispiele zeigen, an denen dann der Gesetzestext abgeklopft, abgefragt und kommentiert werden kann. Das haben wir beispielsweise bei der Serie über den Betriebsrat auch gemacht. Wir wollen jedoch im Grunde nur Denkanstöße geben, sich mit dieser Materie auseinanderzusetzen.

- Die Praxis hat gezeigt, daß auch der engere Kreis der EDV - Fachleute noch viel zu wenig über das Gesetz weiß. Wäre es vorerst nicht wichtiger, diese Leute naher an das Gesetz heranzuführen?

Das ist richtig. Solche Schulungsarbeit wollen wir der Industrie nicht abnehmen. Die Ausbildung der EDV - Fachleute und Datenschutzbeauftragten ist sicherlich nicht Aufgabe des Massenmediums Fernsehen.

- Nachgefragt: Was wollen Sie in Ihren Datenschutz - Sendungen dem Insider an Hilfen anbieten?

Wenn man verdeutlicht, welche Rechte der einzelne Bürger durch das BDSG hat, dann wird auch demjenigen, der mit diesem Gesetz arbeiten muß, eindeutig klar, welche Verfahren in den Betrieben realisiert werden müssen, um den neuen Rechtsvorschriften gerecht zu werden.

- Nicht wenige Kenner der Datenschutzmaterie kritisieren, daß das Fernsehen dieses hochbrisante Thema bisher zu einseitig unter dem Aspekt "Schutz der Persönlichkeitssphäre" behandelt hat.

Ich glaube was wir bisher dazu gesagt haben, kann diesen Schluß nicht zulassen. Wir machen ja kein Feature über das Gesetz. Wir machen - nochmals betont - eine Weiterbildung für Leute, die mit dem BDSG arbeiten müssen, aber auch für Leute, die damit leben müssen.

- Der Einwand ist wohl berechtigt, daß die einen die wirtschaftliche Nutzung des Computers im Sinn haben und die anderen einen Eingriff in die Intimsphäre befürchten. Das sind doch ganz unterschiedliche Motive: Was dem einen nutzt, schadet dem anderen.

Es geht uns hier wirklich nur um eine Information über dieses neue Gesetz, das nun mal im Januar nächsten Jahres in Kraft tritt. . .

- . . .ich wollte damit auf das Geschäft mit der Angst anspielen.

Es wäre sicherlich völlig falsch, zu sagen, wir machen Angst oder eine Panikmache. Sicher hat jeder Bürger auch ein bißchen Angst vor dem Elektronengehirn, diesem Roboter und was da alles in der Zukunft kommen kann. Aber zu unterstellen, der Gesichtspunkt der Effektivität des Computereinsatzes würde bei unserer Berichterstattung vernachlässigt, das ist einfach nicht objektiv.

- Unser Einwand richtet sich dagegen, daß in der breiten Öffentlichkeit der Computer allzu gern zum Sündenbock abgestempelt wird. Das mag zwar beim breiten Publikum gut ankommen, zwingt jedoch den Datenverarbeiter in eine Defensivposition. Ähnlich ergeht es derzeit dem Mann an der Leitzentrale eines Atomkraftwerkes.

Das halte ich für überspitzt. Wenn ich aufkläre, daß es beispielsweise Raucherkrebs gibt, indem ich einen Film darüber mache, muß das ja nicht eine Hetzkampagne sein. Wer Information des Bürgers über das BDSG Verhetzung nennt, dem unterstelle ich, daß er umgehen will, was der Gesetzgeber gewollt hat.

- Es wird lediglich behauptet, die öffentliche Diskussion über das Datenschutzgesetz habe keine Klarheit geschaffen, sondern bei denjenigen, die sich in Ausübung ihres Berufes mit dem Gesetz auseinandersetzen müssen, eher zu einer Verunsicherung geführt . . .

. . . weil einfach mit dem Begriff Computer sofort der Mißbrauch assoziert wird . .. Elektronengehirn, Roboter, 1984 und so. Es wird so getan, als ob alles, was technisch machbar, auch wirklich erlaubt wäre - was ja nicht der Fall ist. Aber das ist wirklich eine Informationspflicht, der wir nachkommen und versuchen, ein Gesetz, das ab nächstem Jahr existiert, zu interpretieren.

- Glauben Sie, daß den Fernsehzuschauern bei den Begriffen Bundesdatenschutzgesetz oder Datensicherheit ein Licht aufgeht, so daß sie - zumal zu einer attraktiven Sendezeit - auf den dritten Kanal umschalten?

Wir werden sicherlich nicht die Zuschauerquoten erreichen, wie sie "Klimbim" erzielt. Wir werden ganz bewußt ein Minderheitenpublikum ansprechen. Das ist eine Verpflichtung, die uns unser Staatsvertrag auferlegt. Wenn man hier nach Einschaltquoten geht (Wieviel muß man denn haben, daß so ein Programm sinnvoll ist?), kann ich nur fragen, ob wir das Recht und die Verpflichtung haben, diese Information weiterzugeben. Wenn ich dann weiß, daß das Programm attraktiv gemacht werden kann, dann könnte ich mir vorstellen, daß sogar ein so trockenes Thema wie das BDSG - in einer formalen Aufarbeitung bekannt gemacht - eine Menge Zuschauer bekommen kann.

- Woraus ziehen Sie diesen Optimismus?

So gut wie jeder Bürger hat heutzutage irgendwie Kontakt mit der Computerei, seine Daten sind gespeichert, bei der Rentenversicherung, bei seiner Bank, beim Staat - und das weiß der Bürger auch. Wir wollen ihn motivieren, darüber nachzudenken, was mit seinen Daten passiert und wie es passiert. Also können wir genug Interesse bei den Zuschauern unterstellen, so daß wir damit rechnen, über die verschiedenen Sender Einschaltzahlen in der Größenordnung von einer Million und mehr zu erreichen.

- Womit erneut die Frage provoziert wird, ob die Zuschauer aufnahmefähig sind für Informationen über ein Sachgebiet, für dessen Verständnis ein Mindestmaß an Kenntnissen erforderlich ist.

Es ist ja nicht so, daß man unbedingt die Feinheiten der Computerei erklären muß, wenn man das Bundesdatenschutzgesetz erklären will. Das ist eine nicht ganz richtige Unterstellung. Man sollte es allerdings so machen, daß auch der Normalverbraucher das Gesetz lesen und verstehen kann. Wenn ich mir die einschlägige Literatur ansehe, die es bis jetzt über das BDSG gibt, kann ich als Zaungast dieses Gesetz kaum verstehen. Dem interessierten Bürger dabei zu helfen, das verstehen zu lernen, ist vielleicht der Job, den wir hier machen müssen.