3Com will Anbieter von Komplettlösungen werden

"Wir wollen im Netzbereich kein Microsoft-Syndrom"

28.03.1997

CW: Was waren 3Coms Hauptgründe für den Kauf von USR?

ROBERTS: Uns war klargeworden, daß wir im Netzzugangsbereich stärker präsent sein müssen, weil dieses Marktsegment am schnellsten wächst. 3Com hatte hier zwar bereits Produkte, jedoch nicht die Position, die wir uns eigentlich gewünscht haben. Die Übernahme hat dieses Problem gelöst. USR ist mit seinen Marken bei den Händlern gut vertreten. Außerdem besitzt es Technologien wie x2, die schnelleren Netzzugang garantieren, was für 3Com ebenfalls sehr wichtig ist.

CW: Die Übernahme von USR hat Ihr Unternehmen in eine kuriose Lage gebracht: Vor Ankündigung des Mergers hatte sich 3Com zu Lucents K56Flex-Technologie bekannt, jetzt stehen Sie plötzlich mit USRs x2-Verfahren da. Wie geht es weiter?

ROBERTS: Wir hatten uns ursprünglich ins Lucent-Lager geschlagen, aber jetzt gilt unsere Priorität x2. Wir glauben aber, daß sich x2 letztendlich durchsetzen wird, da es gegenüber den anderen Methoden einen Entwicklungsvorsprung besitzt. Außerdem warten die Anwender nur auf schnellere Zugangsmöglichkeiten. Sollte jedoch ein Standard definiert werden, werden wir ihn unterstützen. Wir glauben allerdings, daß x2 nahe an dem ist, was sich als Standardlösung entpuppen wird. 3Com ist auch im Open Forum vertreten, das eine Norm für diese Art der Datenübertragung festlegen will.

CW: Da ist USR aber nicht mit von der Partie. Angeblich kam die Einladung zu spät...

ROBERTS: Kein Problem, jetzt sind sie über 3Com vertreten.

CW: Glauben Sie, daß sich eine 56-K-Modemtechnologie gegenüber ISDN in Europa durchsetzen kann?

ROBERTS: Absolut. ISDN muß gegen mehrere interessante Technologien bestehen. Hier sind auch die diversen Digital-Subscriber-Line-Verfahren (XDSL) zu nennen. Die Anwender werden sich für das entscheiden, was sie brauchen.

CW: Was soll eigentlich mit dem Namen U.S. Robotics passieren - wird er vom Markt verschwinden?

ROBERTS: Es steht bereits fest, daß die neue Company 3Com heißen wird - hier haben wir aus den Fehlern von Bay Networks gelernt (Bay Networks enstand aus dem Merger von Wellfleet und Synoptics, Anm. d. Red.). Was die Markenpräsenz betrifft, stelle ich fest, daß USR gerade in Europa sehr bekannt ist. Das trifft in gewissem Sinn zwar auch für die USA zu, doch sind es dort eher die Produktnamen wie "Sportster" oder "Courier", mit denen die Anwender etwas verbinden. Wir müssen noch einen Weg finden, wie dieses Problem zu lösen ist. Möglicherweise wird der ehemalige Firmenname Teil des Produktnamens werden.

CW: Über die letzten Jahre hat 3Com mehrere Akquisitionen getätigt. Gibt es bei Ihnen - wie etwa bei Cisco - eine mengenmäßig klar definierte Kaufstrategie?

ROBERTS: Wir wollen uns in erster Linie weiterentwickeln und tun das auf verschiedene Arten. 3Com entwickelt eigene Produkte und will damit neue Bereiche erschließen, in geografischer und produkttechnischer Hinsicht. Wenn wir Einkäufe machen müssen, um dieses Ziel zu erreichen, tun wir das. 3Com investiert aber auch in Unternehmen und will das Engagement hier noch verstärken. Junge Firmen sollen unterstützt werden, was letztlich wiederum unserer eigenen Technologiebasis zugute kommt. Obwohl wir ständig interessante (Kauf-)Objekte untersuchen, gibt es keine Strategie, eine bestimmte Zahl von Käufen pro Jahr zu tätigen.

CW: Nachdem der Merger bekannt wurde, fielen die Aktienkurse von 3Com und USR. Wie erklären Sie das?

ROBERTS: Das hatte viele Gründe und kam für uns nicht unerwartet. Der Aktienmarkt steht Technologietiteln generell eher negativ gegenüber, und wenn es hier Bewegungen gibt, reagieren die Börsianer schon mal übervorsichtig. Wir glauben aber, daß das nur von kurzer Dauer sein wird. Außerdem haben die Investoren, denen wir unsere Strategie erklärt haben, nicht so reagiert. Wir sind überzeugt, daß die Werte bald wieder steigen.

CW: Welche Probleme werden infolge der Übernahme noch zu lösen sein, und wie lange wird die Übergangszeit dauern?

ROBERTS: Die Abwicklung der rechtlichen Belange wird bis Anfang Juni 1997 dauern. Bis dahin überlegen wir uns auch ein Konzept, wie wir das Unternehmen führen wollen. Auch das schon angesprochene Thema der Marken- und Produktnamen soll bis dahin geklärt sein.

CW: Wie sieht es mit den Überschneidungen in den Produktlinien von 3Com und USR aus - gibt es da schon Überlegungen?

ROBERTS: Daran arbeiten wir gerade. Glücklicherweise sind die Überschneidungen nicht besonders groß. Das Problem beschränkt sich auf die Bereiche Remote Access und Switching. Wir werden genau abwägen müssen, welche Produkte wir beibehalten.

CW: 3Com hat allerdings Schwächen in der Produktlinie - so fehlt beispielsweise noch immer eine überzeugende WAN-Switching-Lösung, um eine echte Netz-Komplettlösung anbieten zu können.

ROBERTS: Das ist richtig, aber das muß uns nicht stören. Wichtig ist, daß wir die passenden Schnittstellen zu den Switches haben. Und wie ich schon sagte, wir sind eine offene Company, die Standards unterstützt. Wir kooperieren ja auch mit Cascade, die mit Fast-IP eine Technologie anbieten, die Ipsilons IFMP-Protokoll benutzt. So können wir diese Lücke schließen und höhere Leistung über LANs und WANs anbieten.

CW: 3Com versucht jetzt, sich als Anbieter von Komplettlösungen im Bereich Networking zu etablieren. Auch Cisco will vom Image der Router-Company wegkommen und auf diesem Gebiet Fuß fassen. Hierbei sieht das Gros der Analysten die neue 3Com als Nummer zwei hinter Cisco, der Netzgigant zieht es jedoch vor, die Situation herunterzuspielen.

ROBERTS: Cisco beherrscht noch immer den Router-Markt, doch sie merken, daß sich dort nichts bewegt. Der Markt wächst im Bereich Netzzugang und in den Randbereichen des Networking am schnellsten. Wir sehen uns da an einer anderen Stelle des Marktes als Cisco. Unsere Stärke ist unser Angebot beim Netzzugang. Cisco hat hier wenig zu bieten. Außerdem schließen Komplettlösungen den Client-Access mit ein, und hier sehen wir eine Schwachstelle von Cisco. Wir bieten Produkte von einem Ende des Netzes zum anderen, und mit unserem neuen Konzept "Transcendware" (siehe Kasten) machen wir das Netzwerk zudem intelligent. Cisco ist dort am stärksten, wo die Netztechnologien bislang waren - wir dagegen bewegen uns dorthin, wo die Zukunft der Netze liegt.

CW: Will 3Com Cisco als Nummer eins im Networking-Markt ablösen?

ROBERTS: Ich will hier keine Voraussagen machen. Aber bedenken Sie: Wir liegen jetzt Kopf an Kopf, nur setzen wir auf das am schnellsten wachsende Marktsegment. Wir sind also in einer guten Position. Ich glaube aber, daß es sehr wichtig ist, Wettbewerb zu haben. Davon profitieren letztlich auch die Anwender, da sie nun die Möglichkeit haben, zwischen zwei großen Anbietern zu wählen. Es wäre nicht gut, wenn es mit Cisco ein Microsoft-Syndrom im Networking-Bereich gäbe.

CW: Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen für 3Com?

ROBERTS: Es geht unserer Meinung nach vor allem darum, die Bedürfnisse der Kunden nach ausreichend Bandbreite zu erfüllen. Das heißt auch, daß Möglichkeiten geschaffen werden müssen, um Übertragungsvolumen dynamisch zuweisen zu können. Zusätzlich verlangen Anwender immer schnellere Zugangsmöglichkeiten zu Datennetzen. Hier sind wir gefordert.

Transcend-Networking

3Com will künftig spezielle "Transcendware"-Softwaremodule in alle seine Netzwerkprodukte integrieren, um das Unternehmensnetz an wechselnde Bedürfnisse der Organisation anpassen zu können. Über automatisierte Funktionen in Netzkarten und anderen Systembestandteilen lassen sich dem Hersteller zufolge dann einzelnen Anwendern, Abteilungen oder Applikationen spezifische Servicelevels beziehungsweise Prioritäten zuweisen.

Dieses Verfahren soll sicherstellen, daß beispielsweise geschäftskritische Informationen immer zuerst weitergeleitet werden und künftigen Video- beziehungsweise Multimedia-Anwendungen immer die nötige Bandbreite zur Verfügung steht. Transcendware besteht aus drei Arten von Programmen, die ein solch fortgeschrittenes Management ermöglichen: "Transcendware Pervasive Management", "Transcendware Network Control" und "Transcendware Global Policy". Treten im Unternehmensnetz Engpässe auf, setzen die eingebettteten Komponenten dieser Softwarelösung vorher definierte Regeln automatisch um.

Nach Angaben des Herstellers soll es auch möglich sein, Transcendware in Multi-Hersteller-Netzumgebungen einzusetzen. 3Com will noch 1997 eine Reihe von Transcendware-Produkten auf den Markt bringen, unter anderem Virtual Private Network Security, Fast IP, Auto Update und ATM Quality of Service.