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"Wir wollen für Kunden offen bleiben"

15.02.2002
Shai Agassi, Gründer von Toptier und designierter CEO des aus SAP Portals und SAP Markets entstehenden Unternehmens, sprach mit der CW exklusiv über seine Strategie.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Shai Agassi ist der designierte CEO des aus SAP Portals und SAP Markets entstehenden Unternehmens. Damit ist der Gründer des Technologieunternehmens Toptier künftig für 16 Prozent des Lizenzumsatzes und die wichtigen neuen Produkte in der SAP-Welt zuständig. Die Zusammenführung der bisher getrennt agierenden Töchter will er in zwei Monaten vollzogen haben. Mit Agassi sprach CW-Redakteur Martin Ottomeier.

CW: Wie fühlt man sich als Shooting-Star in der SAP-Welt?

Agassi: Sie wollen mir schmeicheln. Aber Shooting-Stars fallen irgendwann wieder - mit einem lauten Knall und einem Feuerwerk. Ich hoffe nicht, dass das meine Karriere sein wird.

CW: Immerhin werden Sie künftig für rund zehn bis 15 Prozent des SAP-Umsatzes verantwortlich sein.

Agassi: 16 Prozent des Lizenzumsatzes im vierten Quartal 2001.

CW: Und das mit den neuen und bedeutsamen Produkten. Hasso Plattner hat gesagt, "mySAP Technology" sei eine der wichtigsten Innovationen der SAP.

Agassi: Ich führe das Unternehmen ja nicht allein. Wir arbeiten im Team. Klaus Kreplin hat eine wichtige Aufgabe, indem er dafür sorgt, dass die Produkte auf den Markt kommen. John Burke ist zuständig für Vertrieb, Marketing, Service und Beratung. Und eine Reihe guter Leute kommt nun auch von SAP Markets hinzu: Bernd-Uwe Pagel, Peter Lorenz oder Gary Fromer zum Beispiel. Ich bin es nicht allein, der dieses Geschäft betreibt und diese 16 Prozent erzielt, sondern das Team.

CW: Wie viel Zeit verbringen Sie mittlerweile in Walldorf?

Agassi: Viel. Im Januar war ich nur sieben Tage in Kalifornien, im Februar werden es sechs Tage sein. Es gibt Sales-Kickoffs, Strategie-Meetings und so weiter. Das kostet viel Zeit. Das hat auch nichts mit dem zu gründenden Unternehmen zu tun. Schon bevor das ein Thema wurde, habe ich nur wenig Zeit zu Hause verbracht.

CW: Der Zusammenschluss wird Sie jetzt sicher zusätzlich beanspruchen. Wie sieht der Zeitplan aus?

Agassi: Wir haben uns einen engen Zeitplan gesteckt: 60 Tage. Am 4. April 2002 wollen wir das Projekt abgeschlossen haben.

CW: Wissen Sie schon, wie das Management-Team aussehen wird?

Agassi: Wir haben natürlich unsere Vorstellungen. Aber Teil des jetzt anstehenden Prozesses ist es auch, das Management-Team aufzustellen. Dabei ist wichtig, dass dessen Mitglieder gut zusammenarbeiten können. Talent allein reicht nicht. Die guten Leute müssen zusammenpassen. Einer der Schlüsselgründe für den Erfolg von SAP Portals war, dass wir wussten, wie der Integrationsprozess gestaltet werden konnte. Das werden wir mit der Einbeziehung von SAP Markets wiederholen.

CW: Es werden also Führungskräfte aus beiden Unternehmen in dem neuen gemeinsamen Unternehmen dabei sein?

Agassi: Ja.

CW: Werden Sie die Mitarbeiterstruktur anpassen? Zumindest im administrativen Bereich wird es Redundanzen geben.

Agassi: Natürlich geht die Zahl der Mitarbeiter in der Verwaltung nicht linear mit der gesamten Mitarbeiterzahl nach oben. Man braucht im Personalbereich nicht mehr so viele Leute. Aber wir machen diesen Zusammenschluss nicht, um die Zahl der Mitarbeiter zu reduzieren. Wir haben angekündigt, das neue Unternehmen solle 1750 Mitarbeiter beschäftigen. Wahrscheinlich werden es am Ende des Quartals, nachdem das neue Unternehmen entstanden ist, 1800 sein. Die Leute kommen von überall her, um bei uns zu arbeiten. Ich glaube nicht, dass wir nach der Vereinigung weniger sind als vorher.

CW: Wird es Rationalisierungen bei den Projekten geben? Überschneiden sich aus technischer Sicht Aktivitäten der beiden Firmen?

Agassi: Keine Rationalisierungen, aber Harmonisierungen. Wir arbeiten schon jetzt gut zusammen, zum Beispiel bei Mysap Technology oder in strategischen Dingen. Wir sind schon jetzt zusammen bei Kunden und verkaufen gemeinsam Lösungen. Wir machen über 100 Millionen Euro Umsatz. Das werden wir nicht gefährden. Aus Produktsicht ist es so, dass SAP Portals zu 80 Prozent Technologie liefert und zu 20 Prozent Anwendungen, während es bei SAP Markets genau umgekehrt ist: 80 Prozent Anwendungen und 20 Prozent Technologie. Das heißt, wir landen bei einer 50-zu-50-Aufteilung, genau da, wo wir hingehen möchten. Wir müssen also nicht viel am Portfolio ändern.

CW: Welche Rolle spielt mySAP Technology heute bei SAP Markets?

Agassi: Sie liefern Teile der Technologie: die Exchange-Infrastruktur. Wir liefern die Portal- und die Business-Intelligence-Infrastruktur.

CW: Wie passt Commerce One da noch rein?

Agassi: Ich will über die Zukunft von Commerce One nicht spekulieren. Das ist ein tolles Unternehmen, und sie werden es selbst schaffen.

CW: SAP hat immer betont, Commerce One sei wichtig für die Business-to-Business-Integration. Mit Mysap Technology haben Sie ein Produkt im Portfolio, das diesen Bereich bereits abdeckt. Wofür brauchen Sie die Commerce-One-Technologie dann noch?

Agassi: Ein Teil von mySAP Technology wird von Commerce One zugeliefert. Wir benutzen ihre Technik. Darüber gibt es ein OEM-Abkommen. Das ist genau, was ich sage: Sie sind ein guter und wichtiger Partner für uns. Aber wir wollen nicht, dass sie nur ein kleiner Teil unseres Unternehmens werden. Sie sollen selbst erfolgreich und groß werden. Das ist auch unser Interesse als Shareholder.

CW: SAP Portals hat ja eine Reihe von SAP-Produkten im Portfolio, unter anderem die sehr erfolgreiche Data-Warehouse-Lösung SAP BW. Gehe ich richtig in der Vermutung, dass das Ihre Haupteinnahmequelle ist?

Agassi: Wir veröffentlichen keine Informationen darüber, wie viel Umsatz wir mit einzelnen Produkten machen, die über die auf den Bilanzpressekonferenzen veröffentlichten Daten hinausgehen. Sicher macht SAP BW einen großen Teil aus.

CW: Sagen Sie etwas darüber, wie viele SAP-BW-Kunden Sie haben?

Agassi: Als wir am 1. Juli 2001 die Integration von SAP Portals abgeschlossen hatten, hatten wir 4500 BW-Installationen. Zu Beginn dieses Jahres waren es bereits 5000 Installationen. In den vergangenen 15 Monaten haben wir die Zahl der BW-Installationen verdoppelt. Das Wachstum ist enorm.

CW: Was macht das Produkt so erfolgreich?

Agassi: Sehen Sie sich an, was unsere Kunden damit machen. Ein CEO, der das SAP BW nutzt, kann zu seinem Aufsichtsrat gehen und ihm genau darlegen, wie das Geschäft läuft. Er hat alle Teilaspekte im Blick und versteht selbst Einzelheiten besser als jede andere Abteilung im Unternehmen. Aber jeder Mitarbeiter muss solch ein Held sein. Daher sind die Firmen so daran interessiert, diese Software im ganzen Unternehmen einzusetzen.

CW: Wie viele Portal-Kunden gibt es?

Agassi: Rund 2200 bis 2300. Aber da liegt noch ein riesiges Potenzial. Ich denke, unsere neuen Produkte "Enterprise Portal 5.0" und"BW 3.0" werden echte Renner. Wir sehen das schon jetzt bei unseren Kunden. Diese Produkte helfen uns auch, zusätzliche Anwendungen zu verkaufen.

CW: Worin liegt Ihr Hauptinteresse: im Lizenz- oder im Serviceumsatz? Portale sind ja häufig sehr projektintensiv und mit e-SAP ist auch ein Serviceunternehmen in SAP Portals aufgegangen.

Agassi: Am Ende erzielt man mit Lizenzen 99 Prozent Gewinn. Ich will das Unternehmen sehr profitabel machen, also ist der Lizenzumsatz wichtiger als der Serviceumsatz. Unser Geschäftsmodell ist auch nicht auf Service ausgelegt. Wir erwarten in diesem Jahr die Installation von rund 2000 Portalen und BI-Lösungen. Wir haben aber nur 400 Servicemitarbeiter. Das ist nicht unser Geschäft. Das überlassen wir unseren Partnern, von denen wir allein in Europa 250 haben. Das ist ein riesiges Ökosystem.

CW: Also verfolgen Sie mit SAP Portals und SAP Markets das gleiche Geschäftsmodell wie die Mutter SAP?

Agassi: Natürlich, das hat schließlich schon einmal gut funktioniert. Aber es gibt schon einen Unterschied: Wir wollen nicht unseren Technologiefokus verlieren, also nicht nur Anwendungen ohne die darunter liegende Technik verkaufen. Das ist sehr wichtig. Aber auch das Vertrauen in unsere Partner ist wichtig. Wir müssen den Know-how-Transfer sicherstellen, durch Schulungen und Ähnliches, und so dafür sorgen, dass die Qualität stimmt. Man kopiert nicht einfach ein Erfolgsmodell, sondern lernt davon. Hierzu gehört auch, dass wir so offen wie möglich für andere bleiben wollen - auch für Wettbewerber. Wir haben es heute mit sehr verflochtenen Geschäftsbeziehungen zu tun. Mein Mitbewerber heute kann morgen mein Partner sein. Wir befinden uns in einer sehr viel komplexeren Welt als früher.

CW: Sie haben jetzt aber, nach der Zusammenführung mit SAP Markets noch mehr, viele eigene SAP-Produkte im Portfolio. Macht das die Partnerbeziehungen schwerer?

Agassi: Wir sind offen. Ich habe das unseren Partnern immer wieder versichert. Ich habe wer weiß wie viele Mails an Larry Ellison und Tom Siebel geschrieben. Wir können ein sehr guter Partner für diese Anbieter sein. Und sie sind für diesen Gedanken offen. Aber wir sind nicht auf diese Unternehmen angewiesen. Wir müssen nicht auf Siebel warten, um deren Software in die unsere zu integrieren. Leichter für sie und für uns ist es aber, wenn sie mit uns zusammenarbeiten.

CW: Haben Sie schon Adapter für Siebel?

Agassi: Wir haben Unifyer für viele Produkte: Siebel, Peoplesoft, i2, Oracle Applications, alle Datenbanken, alle großen EAI-Anbieter.

CW: Gibt es Kunden, die diese Produkte bereits mit Portals integriert haben?

Agassi: Ja. Zum Beispiel Tektronics. Sie haben alle Software im Einsatz, die es gibt: Peoplesoft, Siebel, SAP, Baan - alles.

CW: Gibt es auch Nicht-SAP-Kunden, die also nicht R/3 oder Mysap.com einsetzen, aber Portals für die Integration benutzen?

Agassi: Es gibt zumindest Kunden, die nur einige hundert SAP-Anwender haben, aber mehrere tausend Portals-Lizenzen kaufen. Man kann es auch anders sagen: Die meisten Portals-Kunden kaufen mehr Portal-Lizenzen, als sie SAP-Anwender besitzen.

CW: SAP Portals hat mehrere tausend Kunden, SAP Markets aber nur rund 50 Marktplätze aufgebaut. Hat die Zusammenführung der beiden Töchterunternehmen auch etwas damit zu tun, dass SAP Markets nicht erfolgreich genug war?

Agassi: Nein. SAP Markets hat außerdem 3000 Kunden für seine E-Selling und E-Procurement-Produkte. Außerdem verbinden die 50 Marktplätze viele Kunden, teilweise einige hundert. SAP Markets lief gut, und SAP Portals lief auch gut. Uns wird oft unterstellt, es gebe bei der Zusammenführung einen Gewinner und einen Verlierer. Aber in Wirklichkeit ist das eine Win-Win-Situation. Das neue Unternehmen ist kundengetrieben. Aus der Sicht der Anwender gibt dieser Schritt Sinn, und viele Kunden haben uns gefragt, warum wir das nicht schon früher getan haben.

CW: Immerhin hat man Sie als CEO ausgewählt.

Agassi: Es ist auf meine Schultern gehoben worden. Ich wünschte, es wäre andersherum gewesen. Aber man hat mich gefragt, ob ich das machen wolle, und ich habe ja gesagt.

CW: Hasso Plattner ist also mit Ihrer Arbeit zufrieden.

Agassi: Ich denke schon. Aber ich bin es nicht allein. Die Leute, die mit mir das Unternehmen lenken, sind keine Kinder. Denen brauche ich nicht zu sagen, wie sie ihren Job zu machen haben. Klaus Kreplin hat 25 Jahre Erfahrung, John Burke hat 20 Jahre Erfahrung. Viele sind routinierter als ich. Ich versuche, meinen Job zu tun, das ist alles.

CW: Wann werden Sie in den SAP-Vorstand aufsteigen?

Agassi: Ich bin bereits im Produkt- und Technologie-Board, zusammen mit anderen Kollegen. Wir kümmern uns um neue Produkte und Technologien und treffen in diesem Bereich die notwendigen Entscheidungen. Wir haben die Arbeit neu aufgeteilt. Das Excecutive Board bei SAP kümmert sich um administrative Angelegenheiten wie Finanzen, rechtliche Dinge, Personal und diese Sachen. Daneben gibt es nun ein weiteres Board für das operative Geschäft, für die Produkte. In dieses gehen auch einige ehemalige Mitglieder des Executive Board. Insgesamt arbeiten darin zehn Leute. Ziel ist es, dass wir die Hälfte des Geschäfts lenken. Das ist die neue Struktur.

CW: Dann können Sie mir sagen, welche neuen Produkte es künftig geben wird?

Agassi: Sie wollen, dass man mich jetzt schon wieder aus dem Produkt- und Technologie-Board herauswirft?

CW: Auf einer Folie von Hasso Plattner gab es einen für mich neuen Begriff: HCM. Wofür steht der?

Agassi: Human Capital Management. Das ist ein Synonym für HR, also Personalverwaltung.

CW: Und dann habe ich noch den Begriff PRM gesehen.

Agassi: Project Resource Management. Das ist eine neue Art von "Collaborative Applications". Denken Sie zum Beispiel an HP-Chefin Carleton Fiorina, die zwei Unternehmen, Hewlett-Packard und Compaq, zusammenbringen will. Dort gibt es bestimmt 3000 Projekte. Sie muss sich entscheiden: Welche werden fortgeführt, welche zusammengeführt, welche gestoppt. Was ist mit den Mitarbeitern: Welche sollten bleiben, welche müssen gehen? Wie sieht die finanzielle Seite aus? Diese neue Art von Anwendung sitzt oberhalb von den üblichen Lösungen wie CRM, HR und Financials und beschäftigt sich mit Partnerbeziehungen.

CW: Wann kommt das Produkt heraus?

Agassi: Das ist noch nicht entschieden. Wir arbeiten noch daran.