"Wir wollen ein Exempel statuieren"

06.06.1986

- Herr Schmalfuß, Sie haben kürzlich Kritik an der deutschen Messelandschaft geübt - speziell ging es Ihnen dabei um mehr Ordnung bei der Gestaltung von Mikrocomputer-Veranstaltungen. Gleichzeitig haben Sie an die entsprechenden Hersteller appelliert, die "C '86" in Köln, bisher bekannt als "Computershow", dergestalt zu unterstützen, daß diese Veranstaltung den Anforderungen der Branche entspricht. Wie kam es dazu?

Einmal haben wir festgestellt, daß offensichtlich das Angebot der Industrie und die Nachfrage bei den Abnehmern bei den bisherigen Messeveranstaltungen nicht deckungsgleich waren. Auf der CeBIT-Messe in Hannover zum Beispiel gab es ein hervorragend gestaffeltes PC-Angebot, das jedoch auf ein Level zugeschnitten war, das für den "normalen" Anwender zu hoch und gleichzeitig zu unübersichtlich war. Mit den ungeheuren Stückzahlen, die derzeit auf dem PC-Markt produziert werden, sollen ja auch völlig neue Käuferschichten angesprochen werden, dann muß man sich doch dieser potentiellen Anwender besonders annehmen. Diese neue Zielgruppe hat in der Regel von der Computerei zuwenig Ahnung, um sich unter diesen Bedingungen damit zurechtzufinden. Gute Hilfestellung könnten hier speziell auf diese Situation zugeschnittene Messe-Veranstaltungen leisten. Aber hier haben wir nun das Problem, daß eine ganze Reihe privater Messeveranstalter die Chance erkannt haben und sich dieses neuen Computerbereichs durch Spezialveranstaltungen annehmen. Anstatt mehr Transparenz haben wir nun einen ganz erheblichen Veranstaltungswildwuchs. Plötzlich fühlt sich jeder dazu berufen, irgendeine Computerausstellung ins Leben zu rufen die dann weder von der Zahl noch von der Qualität der Aussteller her die Mindestvoraussetzungen für ein abgerundetes Programmangebot bieten können.

- Diese Kritik, die Sie hier aussprechen, wurde in den letzten Jahren auch an der Computershow geübt. Hat sich hier - außer dem neuen Namen - auch inhaltlich etwas verändert?

Das ist richtig. Wir haben übrigens schon sehr früh beklagt, daß durch die Erstveranstaltung, die amerikanische Mikrocomputer-Show nun, plötzlich die ganzen Exoten, die normalerweise bei etablierten Messen nicht zum Zuge kamen, auf den Markt kamen. Da diese Unternehmen in Deutschland aber kein Vertriebsnetz hatten, wurden so Angebote plaziert, denen es nach Messeende am Vertrieb, am Support und an Beratung fehlte. Hier wurden - und ich formuliere jetzt etwas salopp - Computer "verhökert", für die es keine Anlaufstation gab. Hier sahen wir einen Ansatzpunkt, den Wildwuchs in der Messelandschaft etwas einzudämmen. Unser klares Konzept sieht vor, diesen noch relativ unbedarften Kreis potentieller Anwender auf bestimmte Messeveranstaltungen zu fixieren mit dem Ziel, ihnen für ihre unterschiedlichsten Probleme eine Anlaufstelle zu bieten. Dazu sollen kompetente Hardware- und Software-Anbieter, Beratungsunternehmen - zum Teil auch mit Unterstützung der jeweiligen Industrie- und Handelskammer den Handwerks- und Architektenkammern bereitstehen, um beim Einstieg in die Materie zu helfen. Wir wollen zwar keine beratungsfreien Lösungen bieten, sondern gemeinsam mit den bedeutendsten Unternehmen der Branche den Markt einmal aufbereiten und aufräumen. Es wurden schon genug Computer verkauft, die nicht richtig genutzt werden, weil die Käufer von Computerorganisation oft nicht mehr wissen, als den Steckkontakt herzustellen.

- Warum soll gerade an der >>C '86<< dieses Exempel statuiert und wie dieses Ziel erreicht werden?

Als erstes muß einmal der Touch der amerikanischen Exotenshow ausgemerzt werden, was ja zum größten Teil schon geschehen ist. Wir versuchen nun, aus dieser zunächst als Wildwuchs entstandenen Veranstaltung mit einer kompetenten Messegesellschaft - und das ist die Kölnmesse, allein schon durch die Orgatechnik - den Start unter neuen Voraussetzungen zu wagen. Unterstützt von den Spitzen internationaler Computertechnologie und den bedeutendsten Softwareanbietern kann es uns gelingen, auch für andere Messegesellschaften als Beispiel zu gelten.

- Wenn Sie Beispiel machen wollen und andere Veranstalter folgen Ihnen: Gibt es dann nicht anstelle weniger Messen doch wieder mehr Messen?

Jede Mikrocomputer-Ausstellung, deren Besucher ja hauptsächlich aus Klein- und Mittelbetrieben kommen, braucht ein einigermaßen überschaubares regionales Einzugsgebiet. Mancher Gedanke, der jetzt in der "C '86" manifestiert wird, spiegelt sich in der Orgatechnik '86 wider. Hier gibt es in den Hallen 1 und 3 ebenfalls Mikrocomputer. Vielleicht kommt man einmal dahin, daß die Mikrocomputer-Veranstaltung wegen des schnellen Innovationszyklus jährlich stattfindet. Einmal autonom und einmal als Bestandteil der Orgatechnik. Ähnliches könnte man sich also durchaus auch in anderen Städten vorstellen. Denn was die Messelandschaft hier in der letzten Zeit geboten hat, war recht trostlos. Da wurde mit einem Riesenaufwand profihaft vorbereitet, und wenn man hinkam, war aber auch nichts deckungsgleich mit dem, was angekündigt war. Und das darf meiner Meinung nach nicht passieren. Oft klaffen Versprechen und Wirklichkeit so weit auseinander, daß eine derartige Veranstaltung eher eine Antiwerbung für Mikrocomputer darstellt. Deshalb waren wir für die >>C '86<< sehr bemüht, die maßgeblichen Hersteller zusammenzubekommen, was uns auch in fast allen Fällen gelungen ist. Wie gesagt, wir wollen einen Maßstab setzen, der natürlich auch verbesserungsfähig ist, denn auch wir haben die Weisheit nicht erfunden.

- Wie ist die Resonanz auf Ihr Konzept bei den angesprochenen Ausstellern?

Die Resonanz ist außerordentlich gut. Bis auf drei Hersteller, mit denen wir noch im Gespräch sind, sind alle von unseren Vorstellungen angetan. Basis für eine gute Veranstaltung ist, daß die Standgestaltung dieses Mal ausgesprochen ernst genommen wird, daß die richtigen Exponate de sind und nicht zuletzt, daß qualifiziertes Standpersonal bereitsteht. Gerade in diesen Punkten konnten wir bei vergangenen Veranstaltungen grobe Nachlässigkeiten feststellen.

- Glauben Sie, daß eine gute, Ihren Vorstellungen entsprechende "C '86" Konsequenzen für andere Messen haben wird?

Ich hoffe, daß sich dann einige etablierte Messegesellschaften an diesem Konzept orientieren werden. Uns geht es vor allem darum, daß die Hersteller einmal >>live<< miterleben, welche Probleme sich auf einer solchen Veranstaltung auftun. Warum zum Beispiel soll ein Anwender erst einmal Englisch lernen müssen, um einen Computer bedienen zu können?

- Welche Ozientierungshilfen haben denn Anwender in größeren Unternehmen? Sie sprachen vorhin lediglich von Hilfestellung für Klein- und Mittelbetriebe.

Auch diese Benutzergruppe kann auf solche Mikrocomputer-Ausstellungen gehen, sofern im Unternehmen noch nach Einzellösungen gefragt wird. Im Falle integrierter Anwendungen liegt die Entscheidungsfindung sowieso nicht mehr in den einzelnen Abteilungen, sondern fällt in die Verantwortung der EDV-Bereiche. Diejenigen, die eine IBM-Anlage haben und nach einem kompatiblen Mehrplatz-Mikro suchen, sind - bedingt durch die Anwesenheit aller wichtigen Anbieter - auf der "C '86" richtig. Dennoch ist unser oberstes Ziel, auch komplizierteste Technologie für die große PC-Zielgruppe verständlich zu übersetzen. Und hier wollen wir als Fachhandelsorganisation einen hoffentlich deutlichen Beitrag leisten. Es nützt bei dem heutigen Preisverfall keinem Hersteller etwas, wenn er massenhaft Systeme produziert, aber nicht bereit ist, die Sprache des "einfachen Mannes" zu lernen. Wenn er zusammen mit einer entsprechenden Vertriebsorganisation dies nicht schafft, wird er künftig seine Produktionszahlen revidieren müssen.