Micro Focus setzt auf Services und Anwendungen

"Wir wollen aus der Cobol-Ecke heraus"

12.11.1998
Micro Focus setzt bis heute ganz auf die Pflege von Cobol-Anwendungen. Der Kauf des Spezialisten für Konfigurations-Management (KM) Intersolv im Sommer 1998 sowie das sich abzeichnende Ende des Jahr-2000-Geschäfts lassen den Hersteller nun über neue Strategien nachdenken. Dabei hat man die plattformübergreifende Anwendungsentwicklung im Visier. Mit Deutschland-Geschäftsführer Reinhard Janning sprach CW-Redakteur Sascha Alexander.

CW: Viele Altanwendungen sind in Millionen von Cobol-Zeilen geschrieben worden. Derzeit laufen überall die Projekte für die Jahr-2000-Anpassung. Da müßten Sie als Cobol-Spezialist doch sehr gefragt sein.

Janning: Wir bieten neben Services seit Ende 1997 mit "Smartfind" ein Konvertierungs-Tool an. Von dem für 1998 erwarteten Gesamtumsatz von rund 40 Millionen Mark entfallen rund 15 Millionen Mark auf diese Lizenzverkäufe und das Projektgeschäft. Allerdings sieht es bald nicht mehr so rosig aus.

CW: Läuft das Jahr-2000-Geschäft aus?

Janning: Vermutlich läßt sich nur noch bis 2002 Geld in diesem Marktsegment verdienen, daher müssen wir uns künftig auf neue Anwendungsbereiche konzentrieren.

CW: Und womit wollen Sie auf Dauer am Markt überleben?

Janning: Zunächst einmal bieten wir unseren rund 4000 Kunden nicht nur Konvertierungs-Tools, sondern auch solche zur Pflege von Mainframe-Anwendungen oder für das Konfigurations-Management.

CW: Mit letzteren spielen Sie auf den Kauf von Intersolv an. Dieses Unternehmen ist ja mit seinen "PVCS"-Produkten immer noch führender Tool-Anbieter für KM. Welche Bedeutung haben diese Werkzeuge in Ihrem Portfolio?

Janning: Intersolv bringt über 3000 deutsche Anwender und eine Servicemannschaft mit in die Ehe. Viele unserer Kunden haben bereits Funktionen von PVCS in ihren Produkten gehabt und könnten künftig mehr Komponenten von Intersolv erwerben. So erhalten die Anwender jetzt zum Beispiel durch die "Services" von PVCS eine Versionsverwaltung für ihre Produkte. Umgekehrt werden Intersolv-Kunden allerdings kaum Software von Micro Focus kaufen. Insgesamt erwarten wir, daß 1998 Intersolv und Micro Focus zusammen weltweit rund 400 Millionen Dollar einnehmen.

CW: Sie wollen also mit der Intersolv-Übernahme vor allem mehr Produkte bei den eigenen Kunden absetzen, oder steckt noch mehr dahinter?

Janning: Wir sehen zwei strategische Ziele für die Zukunft: Zum einen wollen wir langfristig aus unser Cobol-Ecke heraus und uns zu einem Anbieter von Werkzeugen für die plattformübergreifende Anwendungsentwicklung wandeln. Das Know-how von Intersolv hilft uns dabei. Andererseits sehen wir im Dienstleistungsgeschäft für Mainframe-Anwendungen einen lukrativen Markt, auf dem wir künftig stärker präsent sein wollen, möglicherweise auch als Outsourcer.

CW: Gibt es Zeitpläne für diese Umorientierung?

Janning: Ich schätze, daß wir uns in den nächsten fünf Jahren vom Produkt- zum Service-Anbieter wandeln werden.