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"Wir werden uns das PC-Geschäft leisten"

21.06.2001
Ulrich Kemp, neuer Geschäftsführer von Fujitsu-Siemens Deutschland, sprach mit der Computerwoche über magere PC-Margen, BS2000, Linux und die Herausforderungen eines Joint-Ventures.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Der President und CEO von Fujitsu-Siemens Computers (FSC), Paul Stodden, hat mit Ulrich Kemp die Position des deutschen Geschäftsführers Vertrieb neu besetzt. CW-Redakteur Heinrich Vaske sprach mit dem ehemaligen HP-Manager, der FSC nach einer Schwächeperiode wieder auf Wachstumskurs bringen will.

CW: Was hat Sie von Hewlett-Packard zu Fujitsu-Siemens Computers (FSC) gelockt?

KEMP: Das Geld war nicht entscheidend. Mich hat es interessiert, beim Marktführer zu arbeiten.

CW: Inwiefern Marktführer?

KEMP: Wir sind der größte Hardwarelieferant in Deutschland. Die Aufgabenstellung als Geschäftsführer war für mich natürlich auch ein Schritt nach vorne. Außerdem war ich nicht ganz glücklich mit allen Entwicklungen bei HP - das gebe ich ganz ehrlich zu.

CW: Hat Sie der harte Management-Stil von HP-Chefin Carleton Fiorina vergrault?

KEMP: So würde ich das nicht formulieren. Mit dem eisernen Besen zu kehren kann ja die richtige Entscheidung sein. Das Problem war vielmehr, dass die Umsetzung der Reorganisationspläne bei HP letztendlich nicht so lief, wie es geplant gewesen war. HP will 3000 Leute aus dem Management entlassen - das zeigt ja schon deutlich, dass da einiges nicht in Ordnung ist.

CW: Als Sie sich für FSC entschieden, war dort sehr viel Unruhe im Unternehmen.

KEMP: Natürlich sind mir die Marktanteilsverluste im vergangenen Jahr nicht entgangen, die ganzen Unruhegeschichten in der Presse ebenfalls nicht. Ich habe mich aber in den Gesprächen überzeugen lassen, dass es eine interessante Aufgabe ist. Das Unternehmen war gerade dabei, den Turnaround festzuschreiben, als ich die ersten Gespräche führte.

CW: Die einen bezeichnen Sie als deutschen Vertriebschef, die anderen als Geschäftsführer Deutschland. Welche Position haben Sie denn nun bei FSC?

KEMP: Ich bin Geschäftsführer von FSC Deutschland, wobei die deutsche GmbH als rechtliches Konstrukt aus mehreren Teilen besteht. Ich verantworte Vertrieb, Marketing und Services, aber nicht die Produktion. Ich leite also nicht die Werke, die vom europäischen Headquarter geführt werden.

CW: In der Presse werden Sie als "Umkrempler" und "Bulldozer" bezeichnet.

KEMP: Eine seltsame Aussage, die von meinem Vorgänger Berg stammt. Ich nehm´s ihm aber nicht übel. Im Übrigen gab es bei FSC nicht viel umzukrempeln. Der Vertrieb ist gut aufgestellt, ich musste bisher eher Detailverbesserungen einleiten und umsetzen. Für mich war es wichtig, der Organisation ein klares Zeichen zu geben, dass ich Kontinuität pflegen möchte. Wechsel und Veränderungen hat es bei FSC in den letzten Jahren weiß Gott genug gegeben. Das Unternehmen jetzt wieder umzukrempeln wäre der völlig falsche Weg gewesen. Die Leute sind hoch motiviert, die Zahlen gehen bergauf. Ich kann jetzt auf die Arbeit aufbauen, die Berg gemacht hat. Er hat die Kostenseite sauber in den Begriff bekommen und das Unternehmen organisatorisch so aufgestellt, dass ich kaum etwas verändern musste.

CW: Ist es nicht ein Nachteil, dass mit Fujitsu und Siemens zwei Großkonzerne über die Belange von FSC befinden?

KEMP: Dadurch, dass sie jeweils genau 50 Prozent der Anteile halten, hat letztendlich keiner von beiden allein das Sagen. Das ist für uns ein Vorteil, die Shareholder nehmen in der Praxis relativ wenig Einfluss auf die Unternehmensstrategie. Wir tauschen uns natürlich aus, aber es gibt keine Vorgaben oder Richtlinien. Wir haben Fujitsu als Technologiepartner, von dem eine Reihe von Produkte kommen, die wir vertreiben. Auf der Siemens-Seite haben wir einen Servicepartner, der für uns sehr wichtig ist.

Inzwischen ist es soweit, dass durch das Konstrukt Fujitsu-Siemens auch die Zusammenarbeit der Shareholder in anderen Segmenten gestärkt wird. Etwa der Bereich ICM unter Rudi Lamprecht - da gibt es Kooperationen mit Fujitsu, die wieder in unsere Produktsparten hineinspielen. Das ist ein positiver Trend: Aus dem künstlichen Konstrukt FSC ist ein sehr lebendiges geworden mit einer eigenen Kultur und Identität, ohne übermäßige Einflussnahme der Shareholder.

CW: Im Aufsichtsrat von FSC sitzen auch die Chefs der Siemens-Bereiche ICN, ICM und SBS. Besteht nicht die Gefahr, dass hier jeder nach seinen eigenen Interessen entscheidet? Warum sollte beispielsweise der Verantwortliche der Mobile-Sparte von Siemens nicht versuchen, über das Board Einfluss auf die Entwicklung von Mobile-Geräten bei FSC zu nehmen?

KEMP: Konflikte dieser Art gibt es nicht, allenfalls Abstimmungsbedarf. Unbestritten: Die Bereiche klassische IT und Mobile wachsen enger zusammen. Es wird Entwicklungskooperationen geben auch bei Handhelds, PDAs etc. Wir suchen selbst die Nähe zu Organisationsbereichen, die schon etwas haben. Es bestehen keine Verbote, irgendetwas zu entwickeln, aber es ist sinnvoll sich abzustimmen, damit das Rad nicht zweimal erfunden wird.

Wir nutzen, was sinnvoll ist, und wir arbeiten zusammen, wo es sinnvoll ist. Wir führen aber ganz klar ein Eigenleben, sind weder von Fujitsu noch von Siemens geprägt. Unsere Leute haben eine eigene Mentalität, es existiert eine Corporate Identity.

CW: Bisher war FSC keine Erfolgsstory. Verluste fielen an, und die Marktanteile im PC-Geschäft gingen zurück. Winfried Hoffmann und Robert Hoog haben das Unternehmen offensichtlich in die falsche Richtung gezogen.

KEMP: Das ist ja auch der Grund, warum sich die Shareholder von ihnen getrennt haben. Hoffmann kam aus dem Retail-Geschäft und hat sich auch bei FSC voll darauf konzentriert. Wir mussten uns in den letzten sechs bis neun Monaten reorientieren zugunsten eines gesünderen Verhältnisses zwischen dem Retail-Bereich und dem Enterprise-Geschäft. Diese Neuordnung wurde übrigens vor meiner Zeit angestoßen, ich habe sie lediglich weiter forciert.

CW: Sie fallen auch aufgrund dieser Strategie im PC-Markt zurück. Stört Sie das nicht?

KEMP: Marktanteilsverluste müssen einen natürlich immer stören. Wenn man aber dagegen sieht, was wir dafür gewonnen haben an Profitabilität...

CW: Wirtschaftet Ihre PC-Sparte etwa profitabel?

KEMP: Man kann nicht in Jubel ausbrechen über das, was man da verdient, das will ich ganz offen sagen. Aber das Geschäft ist okay, es bewegt sich um die schwarze Null. Wir können und werden uns auch in Zukunft das PC-Geschäft leisten. Die Zahlen werden von Monat zu Monat besser. Wir wollen einfach nicht mehr jedes Geschäft machen, nur um den Umsatz nachzuweisen.

CW: Welchen Weg haben Sie denn eingeschlagen, um im PC-Geschäft mehr Profit zu erzielen?

KEMP: Es gibt ein paar kreative Ansätze, wie man rund um das Produkt Umsätze und Margen erzielen kann, die nicht nur auf den PC bezogen sind. Da sind vor allem die Themen-PCs: Desktops, die sich beispielsweise in den Media-Bereich orientieren und Videoschnitt, Audiofunktionalität etc. bieten. Ein anderes Beispiel: Auf der CeBIT haben wir den klassischen Büro-PC gezeigt, mit allem, was den Büroalltag abrundet - einschließlich Kaffeemaschine. Es gibt noch ein paar andere Ideen, dazu möchte ich aber jetzt keine Details nennen. Jedenfalls geht es um PCs, die bezogen auf bestimmte Interessengruppen konfiguriert werden.

CW: Hat die veränderte Positionierung Auswirkung auf die Vertriebskanäle, die Sie künftig bedienen werden?

KEMP: An den heutigen Vertriebswegen im Consumer-Markt - klassischer Retail, Katalogversand, Outlets - werden wir nichts ändern.

CW: Wie steht es mit dem Direktvertrieb via Internet? Dell ist im letzten Quartal mit diesem Verfahren weltweiter Marktführer geworden...

KEMP: Gott sei Dank nicht in Deutschland, hier funktioniert das nämlich nicht. Dell hat sich hier nie positionieren können, denn der deutsche Markt tickt etwas anders als der amerikanische und auch der europäische. Ich möchte, was unsere Strategie angeht, nichts ausschließen. Wir werden aber bestimmt nicht kurzfristig in Richtung Internet-Selling gehen. Alles, was wir tun, packen wir ausschließlich im Verbund mit unseren Retail-Partnern an.

CW: Wäre es angesichts der engen Margen nicht sinnvoll, sich aus dem PC-Consumer-Geschäft zurückzuziehen?

KEMP: Wir wären dann im Markt weniger sichtbar und würden wohl auch unsere Stellung bei Unternehmenskunden gefährden. Der Verkauf über den Handel ist auch ein Marketing-Instrument. Die meisten Privatkunden sind auf irgendeine Weise auch Firmenkunden. Wenn man als Privat-User gute Erfahrungen gesammelt hat, dann überträgt man das auch auf den Firmenbereich.

Übrigens gibt es auch im klassischen Consumer-Bereich durchaus Felder, wo wir gutes Geld verdienen. Die werden wir nicht aufgeben. Wir haben in Sömmerda sogar die Produktionskapazitäten auf 2,4 Millionen PCs jährlich verdoppelt - Sie sehen, wir glauben da schon an eine Zukunft. Es ist für uns eine Säule des Geschäfts neben anderen.

CW: Die anderen Säulen beschäftigen sich mit professionellen Kunden?

KEMP: Richtig. Es sind die Bereiche Systeme für Large Companies, Medium Enterprises und Small Companies. Wir wollen uns in allen drei Segmenten gut positionieren. Im Large-Systems-Bereich sind das neben Notebooks und PCs BS2000- und verstärkt Unix-basierende Highend-Server, im Mittelstand und bei Kleinbetrieben geht es hauptsächlich um NT-basierende Intel-Systeme und Solaris-Modelle.

Heute sind wir im Retail- und im Large-Segment stark, im Mittelstand haben wir Nachholbedarf. Darauf richtet sich mein Augenmerk: Wir möchten im mittleren und unteren Segment wachsen und bedienen uns da sehr stark Vertriebspartnern. Im SME-Segment werden wir in Kürze einen neuen Manager einstellen, das wird ein sehr wichtiger Mann für uns sein.

CW: Im Highend halten Sie wacker am BS2000-Geschäft fest, obwohl dort kein Wachstum mehr erzielt wird.

KEMP: Das BS2000-Geschäft steht nicht zur Disposition. Wir sind dort einer der letzten Wettbewerber von IBM. Wir entwickeln in diesem Bereich, bauen das weiter aus und pflegen unsere Bestandskunden. Wir gewinnen sogar noch den einen oder anderen hinzu. Das mag zwar vielleicht nicht die große Zahl sein, aber sicher ist: Der Mainframe hat eine Renaissance erlebt. Wir werden den Bestand pflegen und, soweit wir können, ausbauen. Das ist für uns ein nach wie vor profitables Geschäft.

CW: Im Highend-Segment ist der Unix-Server-Markt interessanter. Hewlett-Packard hat seine Superdomes auf den Markt gebracht...

KEMP: ...allerdings nicht sehr erfolgreich...

CW: IBM und Sun sind aber mit ihren Highend-Modellen gut unterwegs. Von Fujitsu-Siemens hört man hier wenig.

KEMP: Mein stärkster Wachstumsbereich in Deutschland ist das Unix-Segment mit den "Primepower"-Systemen. Wir haben da eine extrem leistungsfähige Plattform, sind sogar Benchmark-Weltrekordhalter mit 23.000 SAP-SD-Usern (SD = Sales and Distribution, Anm. d. Red.), wir halten auch Spec-Weltrekorde auf dieser Maschine. Wir haben viel zu wenig darauf aufmerksam gemacht, was für eine hervorragende Plattform wir haben. Das wird sich ändern. Wir sind Solaris-binärkompatibel - das ist gut für den Marktzutritt - und haben eigene Implementierungen, was Hochverfügbarkeit angeht.

CW: Ist Linux künftig für Sie eine Alternative zu Solaris?

KEMP: Wir verfolgen natürlich auch die Linux-Thematik, aber im ganz oberen Segment findet man Linux heute nicht. Das beschränkt sich immer noch auf den Small-and-Medium-Bereich. Sicher steigt das Interesse an Linux, und wir haben auch einige Mitarbeiter, die sich um Linux und Linux-Entwicklung auf diesen Maschinen kümmern. Aber ich glaube, dass Solaris gut positioniert ist, und wir sehen seit letztem Jahr auch eine deutliche Reorientierung der Anwender von NT in Richtung Unix-Systeme.

CW: Wird sich das nicht mit Windows 2000 und insbesondere Windows XP ändern?

KEMP: Das könnte sein. Fakt ist aber, dass Unix zurzeit stärker nachgefragt wird, als wir vor etwa drei Jahren noch erwartet hätten. Windows 2000 hat seine Positionierung, aber Unix hat eine unangreifbare Position, an der auch Microsoft nicht rütteln kann.

CW: Siemens hat aus Kundensicht viele Gesichter. Man kann mit SBS zu tun haben, mit Siemens ICN oder ICM sowie mit Fujitsu-Siemens. Es gibt jeweils eigene Vertriebsorganisationen. Nur für wenige Großkunden existiert ein übergeordnetes Account-Management. Lässt sich der Vertrieb nicht übergreifend organisieren?

KEMP: Der dezentrale Vertrieb ist kein Nachteil - und auch am Markt nichts Ungewöhnliches. Heute kaufen sich Unternehmen bei Cisco das Netzequipment, bei Nokia die Mobile-Komponenten und bei IBM die Rechner. Dann haben Sie es auch mit drei Lieferanten zu tun. Außerdem finden sich auch bei den Kunden keine Spezialisten, die alle drei Themen beherrschen. Die Kunden akzeptieren die verschiedenen Vertriebsorganisationen - das zeigen auch meine ersten Diskussionen mit ihnen, seit ich in dieser neuen Funktion bin.

Was das gemeinsame Account-Management für Großkunden angeht, da sind wir mit im Boot. Wenn Großaufträge anstehen, kommen wir von der Hardwareseite her dazu. Hier nutzen wir Vorteile, die uns Siemens bietet, ohne dass wir vom Konzern abhängig sind. Das ist eine Dienstleistung, die uns hilft und für die wir zahlen. Damit haben wir einen ganz anderen Kundenzugang.

Ulrich Kemp im Profil

Seit Februar 2001 ist Ulrich Kemp Geschäftsführer des Vertriebs Deutschland bei Fujitsu-Siemens Computers. Nach seiner Ausbildung zum Diplomkaufmann an der Universität des Saarlandes war Kemp in den vergangenen 13 Jahren in verschiedenen Führungspositionen bei Hewlett-Packard tätig. Von 1998 bis März 2000 leitete er als General Manager Personal Computer und Information Storage alle Vertriebs- und Marketing-Aktivitäten für diese Bereiche in Deutschland und war ab April 2000 bei HP General Manager Large Account Business in Europa. In seiner letzten Aufgabe vor dem Wechsel zu Fujitsu-Siemens Computers war Kemp europäischer Manager der für Internet-Startups zuständigen Business Unit. Er war Mitglied des Presidents-Club von Hewlett-Packard und seit März 1999 Mitglied der Geschäftsleitung Deutschland.

Wir geben das Gespräch an dieser Stelle nur auszugsweise wieder. Das vollständige Interview lesen Sie in der COMPUTERWOCHE Nr. 25 vom 22. Juni 2001.