"Wir steuern nicht zurueck in die Zukunft"

29.09.1995

CW: Sie mussten am Mittwoch vergangener Woche - zwei Wochen nach Amtsantritt - der Belegschaft die Werksschliessung in Augsburg und die Entlassung von 700 Mitarbeitern mitteilen. Vergaellt Ihnen das den Job?

Suelzer: Das war der schwerste Tag in meinem bisherigen Berufsleben. Aber es geht nicht primaer um mich, sondern um die Mitarbeiter.Versetzen Sie sich mal in die Lage von Leuten, die 30 Jahre fuer die Firma arbeiten, 50 Jahre alt sind und zwei unmuendige Kinder zu versorgen haben. Die Leute sagen, ich habe 30 Jahre meine Pflicht getan und fragen sich, wie es zu der jetzigen Entwicklung kommen konnte. Dass es sich bei der GIS auch um ein von den weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhaengiges, global agierendes Unternehmen handelt, wird oft verdraengt.

CW: Zumal die deutsche AT&T Global Information Solutions (GIS) im vergangenen Geschaeftsjahr profitabel war...

Suelzer: Ja, wir haben zudem im PC-Geschaeft besser abgeschnitten als unsere amerikanische Muttergesellschaft. Aber das PC-Geschaeft ist generell bei allen grossen Herstellern ein Non-Profit-Business. Deshalb trennen wir uns von der Entwicklung und Fertigung von Personalcomputern.

CW: Den jetzt veroeffentlichten Plaenen zufolge wird AT&T in drei rechtlich, organisatorisch und finanziell unabhaengige Firmen gegliedert. Es wird also keine Konstruktion gewaehlt, die die Zusammengehoerigkeit dieser Einheiten verdeutlicht?

Suelzer: Nein. Es sind selbstaendige Unternehmen, die in den jeweiligen Zielmaerkten unabhaengig voneinander arbeiten.

CW: Wenn GIS den Namen AT&T nicht mehr benutzt, lassen sich die Tueren gerade bei grossen Kunden viel schwerer oeffnen. Waere der traditionsreiche Name NCR nicht eine Alternative?

Suelzer: Ich haette kein Problem damit, wenn das Unternehmen NCR hiesse. Viele Mitarbeiter wuerden das gut finden. Der Name ist bekannt. Aber eines muss klar sein: Auch wenn das Logo NCR gefuehrt wird, steuern wir nicht zurueck in die Zukunft. Allerdings waere mir ein anderer Name, der einen Neuanfang signalisiert, lieber.

CW: Mit "Zurueck in die Zukunft" beschreibt die amerikanische Wirtschaftspresse die Strategie von GIS-Chef Lars Nyberg. Er wolle das Unternehmen auf Geldausgabeautomaten und POS-Systeme fuer den Handel fokussieren. In welchen Geschaeftsfeldern sehen Sie die GIS?

Suelzer: GIS ist und bleibt eine Business-Computer- und Service- Company! Wir bieten auch in Zukunft Computerplattformen fuer alle Branchen und Maerkte sowie professionelle Dienstleistungen an. Investitionen in integrierte Gesamtloesungen konzentrieren wir auf die Maerkte Banken/Sparkassen, Einzelhandel und Telekommunikation.

CW: Es bestehen keine Absichten, das Geschaeft mit Midrange- und Parallelrechnern aufzugeben?

Suelzer: Nein, absolut nicht. Da moechte ich Carlo De Benedetti zitieren, der auf eine aehnliche Frage antwortete: "Das ist so, als wenn Sie Agnelli von Fiat fragen, ob er noch weiterhin Autos produzieren will."

CW: Viele sehen in der Aufteilung von AT&T eine Rueckkehr zum Kerngeschaeft des Telefongiganten, der die ausgegliederten Konzernteile letztlich verkaufen will, um Kasse zu machen. Fuer welche Aktivitaeten braucht AT&T dieses Geld?

Suelzer: Aufgrund der sich veraendernden politischen Rahmenbedingungen fuer Telekommunikationsmaerkte teilt sich AT&T auf. Das Unternehmen kann nicht laenger Konkurrent von Carriern sein und ihnen gleichzeitig Telecom-Equipment verkaufen wollen. Ausserdem haben im Gesamtkonzern die Nachteile der Komplexitaet begonnen, die Vorteile der Groesse zu ueberwiegen. Und dann leidet die Wettbewerbsfaehigkeit.

CW: Wie wird sich die Reorganisation in Deutschland darstellen?

Suelzer: Ich werde ein Transition-Team fuehren, das drei Geschaeftseinheiten zu erarbeiten hat. Computer, Communications- Services und Commmunication-Products. Also gilt auch in Deutschland das weltweite Szenario.

CW: Das bedeutet das Ende fuer die AT&T-Holding? Was machen Sie dann?

Suelzer: Wir wollen durch die Transition die Unternehmenssituation verbessern und uns nicht auf Monate paralysieren. Bob Allen, der AT&T-Boss, gibt 15 Monate fuer die Umstrukturierung vor, aber wir hoffen, dass wir das hier schneller ueber die Buehne bringen koennen. Damit habe ich alle Haende voll zu tun.

Mit Werner Suelzer, dem Vorsitzenden der Geschaeftsfuehrung der AT&T Holding GmbH, sprach CW-Redakteur Christoph Witte.