Nürnberg will Qualifizierungsoffensive drosseln, aber:

"Wir stellen die Förderung nicht ein"

31.07.1987

Mit Heinrich Franke, Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, sprach CW-Redakteur Wolf-Dietrich Lorenz.

Das Weiterbildungsprogramm der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg soll aus finanziellen Gründen eingefroren und verkürzt werden. Gegen eine mißverständliche Interpretation der angestrebten "Konsolidierung" in den Medien wendet sich der Präsident der Behörde aus Nürnberg in einem Interview mit der COMPUTERWOCHE. Nicht beschneiden, sondern auf hohem Niveau fortsetzen will Heinrich Franke, was bisher unter dem Schlagwort "Qualifizierungsoffensive" bekannt wurde.

"Gerade die Maßnahmen zur Qualifizierung von Datenfachleuten sind in den letzten Jahren überdurchschnittlich

ausgeweitet worden."

- Bei der beruflichen Weiterbildung und Umschulung will die Bundesanstalt für Arbeit die "Konsolidierung einleiten und eine Steigerung vermeiden" - dies sind zwei der bestimmenden Stichworte aus dem Geschäftsbericht 1986 mit Blick auf die "Qualifizierungsoffensive". Sie wollen einen Schwerpunkt Ihrer Arbeit - die Förderung und Umschulung - beschneiden? Muß also n i c h t mangels Masse die Notbremse gezogen werden, sondern weil die Kosten davonlaufen - obwohl bei zweieinhalb Millionen Arbeitslosen die Teilnehmerzahlen an Qualifizierungsmaßnahmen steigen?

Wir werden das bewährte Instrument der Förderung der beruflichen Bildung nicht beschneiden, sondern auf hohem Niveau weiterhin offensiv einsetzen. Zur Illustration ein paar Zahlen: Von 1982 bis heute hat sich die jährliche Zahl der Eintritte von Teilnehmern in Bildungsmaßnahmen mehr als verdoppelt. 1982 waren es 265000 Fälle, 1985 bereits 409000, 1986 schon 530000, und in diesem Jahr werden wir eine weitere Steigerung zu verzeichnen haben. Ich habe bereits im letzten Jahr bei den Haushaltsberatungen darauf hingewiesen, daß derartige Steigerungen nicht unbegrenzt möglich sind. Meines Erachtens sind wir in die Nähe von Kapazitätsgrenzen gekommen. Ich setze mich dafür ein, die Qualifizierung, insbesondere für Arbeitslose, auf dem erreichten Niveau fortzufahren. Ich halte es in diesem Zusammenhang für unverantwortlich, wenn von verschiedenen Seiten der Eindruck erweckt wird, die Arbeitsämter stellten die Förderung in diesem Bereich ein.

- In welchem Ausmaß ist von der Kürzung - oder gar dem Stillstand bei Qualifizierungsmaßnahmen der Bereich neue Technik betroffen?

Ich wiederhole nochmals: Die Arbeitsämter setzen die Qualifizierungsbemühungen auf hohem Niveau fort. Auch in den kommenden Jahren wird dieses Instrument für einen großen Teil der Arbeitslosen eine wirksame Wiedereingliederungshilfe sein. Auch der erreichte Anteil in der Qualifizierung bei der Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten in neuen Techniken wird seinen hohen Stellenwert behalten. Nachdem alle Lehrgänge sich an den Erfordernissen der modernen Arbeitswelt orientieren, ist sichergestellt, daß auch in allen Qualifikationsbereichen diesem Umstand Rechnung getragen wird.

- In welchem Verhältnis trifft es die Förderung sowie die Umschulung im

Bereich neue Technik? Wie sieht die Beteiligung an Maßnahmen zur DV-

Qualifikation aus?

Gerade die Maßnahmen zur Qualifizierung von Datenfachleuten sind in den letzten Jahren überdurchschnittlich ausgeweitet worden. Allein im letzten Jahr traten 40800 Personen in Bildungsmaßnahmen für Datenverarbeitungsfachleute ein - 13500 oder 50 Prozent mehr als im Vorjahr. Dabei muß berücksichtigt werden, daß sich die Vermittlung von DV-Kenntnissen keineswegs nur auf Datenverarbeitungsberufe beschränkt. Auch in den Qualifizierungsmaßnahmen für andere Berufe werden solche Kenntnisse vermittelt, wo immer dies von der angestrebten Tätigkeit her zweckmäßig ist und vom Personenkreis her möglich erscheint.

- Gibt es Weiterbildungsbereiche, in denen Teilnehmerzahlen stagnieren?

Im wesentlichen läßt sich feststellen, daß die Teilnehmerzahlen in Maßnahmen für Dienstleistungs- und technische Berufe deutlich zunehmen, während die Beteiligung an Bildungsgängen für Fertigungsberufe abnimmt. Damit folgen wir mit unserer Förderung genau dem Trend der Beschäftigung.

- Verfügbare personelle Kapazitäten der Bundesanstalt sollen künftig gezielt auf vermittlerische Betreuung der Absolventen von Maßnahmen zur Förderung und Umschulung eingesetzt werden. Heißt das, daß bei der Vermittlung in Arbeitsstellen bisher erhebliche Schwierigkeiten zu verzeichnen waren? Wo sind möglicherweise Ursachen zu sehen?

Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Arbeitsämtern haben den Auftrag der Qualifizierungsoffensive hervorragend umgesetzt. Die rasanten Steigerungsraten bei den Teilnehmerzahlen und die damit verbundene Einrichtung neuer Lehrgänge haben großes Engagement verlangt. Trotz dieser zu bewältigenden "Mengenprobleme" haben auch die Anschlußvermittlungen gut geklappt. Rund 75 Prozent der Teilnehmer an Qualifizierungsmaßnahmen, die vor Beginn des Lehrgangs arbeitslos waren, konnten spätestens ein halbes Jahr nach Abschluß in ein Arbeitsverhältnis vermittelt werden. Hier sehe ich künftig noch weitere Verbesserungsmöglichkeiten.

- Was ist tatsächlich neu an den neuen Direktiven für eine Konsolidierung: Wurden Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen nicht bisher auch

- immer nur mit Aussicht auf Erfolg, also sichere Beschäftigungsmöglichkeiten, genehmigt?

- Kosten gegenüber dem Qualitätsvorsprung einer Maßnahme abgewogen?

- Maßnahmen erst dann gestartet, wenn eine wirtschaftliche Teilnehmerzahl erwartet werden konnte?

Natürlich haben die Ämter auch in der zurückliegenden Zeit auf Qualität bei den Maßnahmen und anschließende Beschäftigungsmöglichkeiten geachtet. Das obenerwähnte Ergebnis einer 75prozentigen Unterbringungsquote drückt das ja aus. Wenn wir nun auf hohem Niveau zu einer Konsolidierung kommen, läßt sich, ich wiederhole das, ein Teil der zeitlichen Kapazitäten für eine noch reibungslosere Unterbringung im Anschluß an die Maßnahmen aufwenden. Wir werden auch weiterhin einen hohen Qualitätsstandard zugrunde legen und dann jenem Anbieter den Zuschlag geben, dessen Angebot den Qualitätsanforderungen entspricht und zugleich am preisgünstigsten ist. Darüber hinaus bleibt es bei der Praxis, Auftragsmaßnahmen erst durchzufahren, wenn eine bestimmte Teilnehmerzahl erreicht ist.

- In welchem Ausmaß sind negative Auswirkungen von den neuen Maßnahmen - auch mit Blick auf den Fachkräftemangel im Bereich EDV sowie den Abbau von Arbeitslosigkeit - zu erwarten?

Mein Erlaß wird keine negativen Auswirkungen mit sich bringen. Im Gegenteil: Wenn wir noch mehr ehemals Arbeitslose noch schneller im Anschluß an ihre Qualifizierung wieder in Arbeit bringen, hilft das sowohl dem Betreffenden als auch dem Arbeitsmarkt insgesamt.