CW-Gespräch mit Gold-Zack-Vorstandschef Christian Stolorz

"Wir stehen vor einem riesigen Monopoly"

18.01.2002
Mehr als zehn Jahre war Christian Stolorz für die Entwicklung und strategische Ausrichtung des IT-Dienstleisters CSC Ploenzke AG mitverantwortlich. Nun versucht sich der gelernte Banker als Vorstandsvorsitzender der Gold-Zack AG im Finanzierungsgeschäft. Mit Stolorz unterhielt sich CW-Redakteur Gerhard Holzwart über wesentliche Zukunftsaspekte der IT-Branche.

CW: Als Sie vor genau einem Jahr Ihren Wechsel von der CSC Ploenzke AG zur Gold-Zack AG bekannt gaben, waren viele Branchenkenner überrascht. Was hat Sie seinerzeit veranlasst, einem renommierten Dienstleistungs- und Beratungshaus den Rücken zu kehren und eine neue Aufgabe bei einem mittelständischen Emissionshaus zu übernehmen, das noch dazu mit einer Serie von Pleiten, Pech und Pannen in den Schlagzeilen war?

Stolorz: Was meine persönlichen Motive angeht, ist die Antwort einfach: Ich sah in diesem Schritt noch einmal eine große Herausforderung. Der Wechsel war auch nicht, wie vielfach interpretiert wurde, ein Bruch in meiner Biografie. Schließlich habe ich meine Wurzeln im Bank- beziehungsweise Investmentgeschäft, und bei einem Technologie-orientierten Investmenthaus wie Gold-Zack lässt sich dies mit der IT- und Projekterfahrung, die ich bei CSC Ploenzke gewinnen konnte, gut verbinden.

Entscheidend ist aber etwas anderes: Auch auf die Gefahr hin, dass ich missverstanden werden könnte, behaupte ich, dass der Höhenflug der IT bis auf weiteres beendet ist - jedenfalls was die ganz großen Themen angeht. Ich sage damit nicht, dass wir nach der derzeitigen Branchenflaute keine ordentlichen Wachstumsraten mehr haben werden, aber ich sehe das kommende Jahrzehnt eher als einen Abschnitt der Konsolidierung. Die Phase der Hypes ist vorüber. Die IT, das Internet haben Wirtschaft und Gesellschaft weitgehend durchdrungen. Viel spannender wird die Frage sein, wie in Zukunft - gerade auch in der IT-Branche - weiteres Wachstum finanziert werden kann. Erst recht, nachdem auch an der Börse aus gutem Grund die Luft raus ist.

CW: Das Hohelied, das Sie auf das Beteiligungsgeschäft singen, müssen Sie uns angesichts der von Ihnen eben selbst angesprochenen Tristesse an den Aktienmärkten noch etwas begründen.

Stolorz: Zunächst ist schon einmal der Ausdruck Beteiligungsgeschäft falsch. Natürlich ist derzeit der Königsweg des Börsengangs in den meisten Fällen verbaut; am Neuen Markt und anderswo winken keine Lotteriegewinne mehr. Das kann aber doch nicht bedeuten, dass wir jetzt alle die Hände in den Schoß legen und auf wieder bessere Stimmung bei den Anlegern warten. Volks- und betriebswirtschaftlich stellt sich die Frage der Unternehmensfinanzierung mehr denn je. Erst recht, nachdem es in Folge der Basel-II-Beschlüsse nicht mehr ausreichendes Fremdkapital für mittelständische Firmen gibt. Wir werden deshalb in Zukunft neben dem viel zitierten Exit des Börsengangs und dem späteren Verkauf von Firmenanteilen über eine ganze Palette weiterer Finanzierungsformen reden, von stillen Beteiligungen, Privat Equity Fonds bis hin zu Management-Buyouts. Hinzu kommt als geradezu historische Stunde, dass Beteiligungsverkäufe für Unternehmen seit Jahresbeginn steuerfrei sind. Dies dürfte zu einem Monopoly-Spiel führen, wie es die deutsche Wirtschaft seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr erlebt hat. Insofern denke ich in der Tat, dass die Aussage, dem Investmentbanking ständen spannende Zeiten bevor, nicht ganz unbegründet ist.

CW: Es begründet zumindest den von Ihnen forcierten Wandel der Gold-Zack AG vom Emissionshaus zur Investmentgruppe. Bevor wir darauf im Detail eingehen, dürften die Leser vermutlich aber noch mehr die weiteren Gründe für Ihr Ausscheiden bei CSC Ploenzke interessieren. Schließlich haben Sie bei früherer Gelegenheit selbst gesagt, die eben skizzierten neuen Herausforderungen bei Gold-Zack hätten nur zu 95 Prozent zu Ihrer Entscheidung beigetragen. Die übrigen fünf Prozent haben es aber auch in sich - jedenfalls ist darüber viel spekuliert worden.

Stolorz: Es ist richtig, dass ich aus meiner Kritik an gewissen Entwicklungen bei CSC Ploenzke keinen Hehl gemacht habe. Ich kann mich da auch nur weitgehend wiederholen. Es gab einen, wenn Sie so wollen, schwelenden Konflikt mit dem Management der US-Mutter über die strategische Ausrichtung. Natürlich haben wir auch Fehler gemacht, aber es mangelte aus unserer Sicht einfach an einem Gespür der Amerikaner für den weitaus differenzierteren IT-Markt in Europa. Als es dann in einigen anderen Landesgesellschaften zu Schwierigkeiten kam, wurde eben typisch amerikanisch reagiert: Man hat alle und alles über einen Kamm geschoren, nivelliert und zentralisiert, anstatt die erfolgreichen Units weiter an der lange Leine laufen zu lassen und sie in ihrer dezentralen Ausrichtung zu stärken.

CW: Aber ganz so toll lief doch zum Schluss Ihrer Amtszeit als Vorstandschef von CSC Ploenzke das Geschäft auch nicht - vor allem, was die Outsourcing-Umsätze anging.

Stolorz: Das kommt auf die Betrachtungsweise an. Gerade hier spielen die regionalen Unterschiede, die ich erwähnt habe, eine große Rolle. Während beispielsweise die britische CSC-Dependance von ihrer Historie her sehr auf das Outsourcing-Business fokussiert war, hatte bei Ploenzke der umfassendere Ansatz einer kombinierten Technologie- und Management-Beratung inklusive dem Angebot von IT-Dienstleistungen Tradition. Dass auch wir möglicherweise nicht alles richtig gemacht haben, habe ich vorhin schon eingeräumt.

CW: Hatte Ihr Ausscheiden einfach nur damit zu tun, dass Sie keine Lust mehr hatten, sich von einem amerikanischen Headquarter als quasi unmündige Vertriebsniederlassung behandeln zu lassen?

Stolorz: Ich weiß, dass ich mich sinngemäß so habe zitieren lassen. Wir, die Generation um Firmengründer Klaus Plönzke, konnten anfangs noch mehr Gehör finden und unsere Vorstellungen zumindest ansatzweise bei den Amerikanern durchsetzen. Aber die Entwicklung im CSC-Konzern sprach letztlich gegen uns. Wir sollten jedoch die Vergangenheit auf sich beruhen lassen. Ich habe nach wie vor ein sehr gutes Verhältnis zum Unternehmen und werde als Aufsichtsrat weiter versuchen, positiv Einfluss zu nehmen. Die Zeiten werden ja auch für CSC Ploenzke nicht einfacher.

CW: Wie meinen Sie das?

Stolorz: So, wie ich es eingangs angedeutet habe. Die IT-Branche steht vor einer längeren Konsolidierungsphase. Nach der Technikverliebtheit der New Economy werden IT-Konzepte wieder stärker auf ihren Nutzen geprüft: Wie lassen sich Kosten senken, Effizienz erhöhen, Kundenorientierung verbessern? Aufgrund des Kostendrucks wird dies zum Teil mit einer Abkehr von überdimensionierten Großprojekten verbunden sein. Bei Beratern und Dienstleistern werden deshalb stärker als bisher Vertriebskompetenzen gefragt sein. Man kann dort nicht mehr automatisch davon ausgehen, dass der Kunde mit einem Anruf droht.

CW: Kommen wir zurück zu Gold-Zack. Jenseits aller vermeintlich spannenden Herausforderungen müssen Sie dort auch eine Reihe von Altlasten bewältigen. Schließlich haben Sie mit dem insolventen IT-Dienstleister Prodacta und dem skandalträchtigen Altenheimbetreiber Refugium mindestens zwei Sanierungsfälle im Portfolio. Was das auch ein Grund, weswegen Ihr Vorgänger Dietrich Walther Sie an Bord geholt hat?

Stolorz: Ich denke, dass hier einige Dinge in den Medien übertrieben dargestellt wurden. Mein Einstieg bei Gold-Zack hat auch nichts damit zu tun. Unter den über 100 Beteiligungen, die Gold-Zack eingegangen ist, sind keine 20 am Neuen Markt notiert und maximal zehn als kritische Kandidaten einzustufen. Die Substanz des Portfolios ist also absolut in Ordnung. Prodacta ist, da gibt es nichts zu beschönigen, leider ein typisches Fallbeispiel für den Neuen Markt - nämlich eine Mischung aus unausgegorener Geschäftsidee und strukturellen Defiziten des Unternehmens. Es sind also auch seitens der Investoren Fehler gemacht worden. Man muss jetzt nüchtern prüfen, ob man zu einer sinnvollen Lösung in Form einer Auffanggesellschaft kommen kann. Ich selbst bin diesbezüglich skeptisch. Wir werden jedenfalls nicht dem schlechten Geld noch gutes hinterherwerfen.

CW: Was ist mit dem Billing-Spezialisten Telesens, der ebenfalls in Liquiditätsschwierigkeiten steckt?

Stolorz: Bei Telesens sehen wir mittelfristig nach wie vor gute Perspektiven. Die Restrukturierung läuft erfolgversprechend, die Marktposition des Unternehmens war ohnehin gut.

CW: Wie sieht denn das künftige Geschäftsmodell von Gold-Zack als Investmentgruppe aus?

Stolorz: Wir werden uns auf drei Säulen stützen. Die erste ist das klassische Beteiligungsgeschäft, das wir - wenn auch nicht mehr in dem Maße wie bisher - fortführen werden. Das zweite und in Zukunft wahrscheinlich wichtigere Standbein würde ich mit dem Begriff Equity-Beratung und -Dienstleistung umschreiben. Also alles, was mit den Themen Emissions- und M&A-Beratung, Finanzierung, Fondsmanagement sowie Privatplatzierungen zu tun hat. Wir wollen uns als eine der führenden Investmentgruppen für den Mittelstand in Europa positionieren, die auf allen Ebenen der Wachstumsfinanzierung tätig ist. Ich sage noch einmal: Wir stehen in Folge des Steuerentlastungsgesetzes, das Beteiligungsverkäufe steuerfrei stellt, vor dramatischen Umwälzungen in der deutschen Unternehmenslandschaft, insofern schreit der Markt geradezu nach solchen Dienstleistungen. Dritter Aspekt unserer künftigen Tätigkeit wird ein spezieller Servicebereich sein, der sich unter anderem mit Dingen wie der Verwaltung von Namensaktien oder der Organisation von Hauptversammlungen beschäftigt.

CW: Das Profil, das Sie eben skizziert haben, klingt wie eine Kampfansage an alle: die Corporate-Finance-Abteilungen der Banken, die großen Investmenthäuser à la Merrill Lynch oder Goldman Sachs sowie die klassischen VC-Gesellschaften. Übernehmen Sie sich dabei nicht, zumal viele der eben genannten Gesellschaften derzeit gerade Tausende von Mitarbeitern entlassen?

Stolorz: Ich maße mir nicht an, Gold-Zack mit Merill Lynch zu vergleichen. Und wenn die großen US-Investmenthäuser derzeit Überkapazitäten abbauen, hat das auch keine Aussagekraft für unser Geschäftsmodell. Wir fokussieren uns, wie schon erwähnt, auf mittelständische Unternehmen, außerdem halten wir neben der IT-Branche auch Beteiligungen in den Sektoren Biotech, Healthcare, Finanzdienstleistungen und Handel. Insofern sind wir mit unserem Portfolio breit aufgestellt. Das gleiche mache ich auch für unser Serviceangebot geltend, mit dem wir uns meines Erachtens erfolgreich vom Wettbewerb differenzieren können. Wir bieten unseren Portfoliofirmen mehr als ein Venture Capitalist oder eine klassische Investmentbank, liefern die Organisations- und Strategieberatung, kümmern uns um die Finanzierung, fungieren als interner Dienstleister und erledigen die Finanzierung. Insofern kann man das mit der Kampfansage durchaus stehen lassen.

Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass sich der Equity-Markt weiter verändern wird. Icherwarte beispielsweise, dass sich neben den genannten Wettbewerbern auch neue Anbieter formieren, etwa die großen Beratungshäuser wie Accenture, die zunehmend das Finanzierungsthema entdecken. Es hat übrigens auch in der Vergangenheit gute Business-Chancen für vermeintlich kleine Investmenthäuser gegeben. Schauen Sie sich nur die Entwicklung am Neuen Markt an: Die großen Banken haben erst dann gemerkt, dass sich mit Börsengängen kleinerer Technologiefirmen Geld verdienen lässt, als es ihnen Häuser wie Gold-Zack und Knorr Capital erfolgreich vorexerziert hatten.

CW: Knorr Capital ist ein gutes Stichwort: Bei ihrem Münchner Konkurrenten kam es unlängst zu Firmenwertberichtigungen, die das Ergebnis stark belasten. Es gibt diesbezüglich auch Spekulationen, was Ihr Haus angeht - auch im Hinblick auf finanzielle Engpässe.

Stolorz: Es gibt bei uns keine finanziellen Engpässe. Durch ein Joint Venture mit einem amerikanischen Partner sind wir einer der wenigen, die in dieser Situation überhaupt eine Exit hinbekommen haben. Wir haben bereits in unserem Neunmonatsabschluss erhebliche Wertberichtigungen vorgenommen, so dass ich an diesem Punkt entspannt sein kann.

CW: Sehen Sie überhaupt noch eine Perspektive für den Neuen Markt, nachdem die Anleger dort durch Pleiten und Kursabstürze ins Bodenlose mehr als ernüchtert wurden?

Stolorz: Über die Fehler, die am Neuen Markt von allen Beteiligten gemacht wurden, ist in den vergangenen Monaten schon alles gesagt und geschrieben worden. Die deutsche Wirtschaft braucht den Neuen Markt - allerdings auch mehr Substanz bei den Börsenkandidaten. Wir selbst haben vier bis fünf Unternehmen in der Pipeline, die möglicherweise börsenreif sind. Das sind aber nicht irgendwelche Highflyer aus der Internet-Branche, sondern stabile Kandidaten. Ich denke schon, dass man in Zukunft deutlicher Unterschiede machen wird zwischen beispielsweise einem seit 20 Jahren etablierten mittelständischen Automobilzulieferer oder einem Softwarehaus, das die Menschheit mit einer Einkaufslösung fürs Internet beglücken will.

Zur Person

Der heute 46-jährige Christian Stolorz begann 1983 seine berufliche Laufbahn bei der Deutschen Bank AG als Referent des damaligen Vorstandsvorsitzenden Hilmar Kopper und war dort später Leiter der Abteilung Konzernentwicklung. 1990 wechselte Stolorz als Mitglied der Geschäftsleitung zur Ploenzke-Gruppe. Nach der von ihm 1991 mitgestalteten Umwandlung in eine AG wurde er zum Vorstand für die Bereiche Finanzen, Personal, Recht, interne Informationsverarbeitung und Administration ernannt. 1995 fädelte er zusammen mit Firmengründer Klaus Plönzke die Übernahme durch den US-amerikanischen Dienstleister Computer Sciences Corp. (CSC) ein. 1999 wurde er Nachfolger Klaus Plönzkes als Vorstandsvorsitzender der CSC Ploenzke AG.

Seit 1. Juni 2001 ist Stolorz Vorstandsvorsitzender der Gold-Zack AG und steht dort vor keiner leichten Aufgabe. Das selbst börsennotierte mittelständische Emissionshaus ist im Zuge der Katerstimmung an den Börsen wie vergleichbare Wettbewerber à la Knorr Capital, Plenum, Tria, TFG oder Apax in schwieriges Fahrwasser geraten. Hohe Beteiligungsverluste müssen abgeschrieben werden und drücken auf die Bilanz.

Thesen von Christian Stolorz zur Zukunft der IT-Branche in Deutschland

"Es ist eine Rückbesinnung auf das klassische IT-Geschäft zu erwarten. Gefragt sind vor allem Kontinuität sowie die Integration neuer Technologien zur weiteren Produktivitätserhöhung und Realisierung innovativer Geschäftsmodelle mit nachweisbaren Vorteilen für das Kerngeschäft des Kunden. Allerdings wird es dabei mehr denn je zum Einsatz von Standardsoftware kommen. Bestes Beispiel sind die Banken, die es jahrelang mit aufwändigen Individuallösungen versucht haben: Letzten Endes ist es aber egal, ob Sie am Schalter etwas mit dem blauen Balken im Logo oder unter dem grünen Band der Sympathie verkaufen - die Prozesse im Back Office sind identisch."

"Mittelständische Unternehmen werden als Basis der deutschen Wirtschaft wieder ins Bewusstsein rücken. Ihre seriöse Unternehmensführung ist in vielerlei Hinsicht vorbildlich: dezentrale Organisation, Kundenorientierung, Innovationskraft, Markenbildung, schnelles Reaktionsvermögen. Auch die deutsche IT-Branche zeichnet sich durch ein breites Spektrum kleinerer und mittlerer Anbieter aus, die allerdings durch Vernetzung und Börsennotierung ihre Wachstumspotenziale besser realisieren müssen."

"Die IT hat nichts an Innovationskraft eingebüßt und gehört weiterhin zu den Zukunftstechnologien, die unsere Wirtschaft antreiben. Daran ändert auch die derzeitige Branchenkrise nichts. Auch die Automobilindustrie ist schon mehrmals und bis dato ohne Erfolg totgesagt worden. Allerdings müssen sich die IT-Anbieter und -Dienstleister einer differenzierteren Betrachtung stellen. Die Zeiten, wo man all ihre Versprechungen für bare Münze genommen hat, sind vorbei."

Abb: Gold-Zack-Portfolio

Diversifizierung: Die Risikostreuung unter den Gold-Zack-Beteiligungen scheint mit einer nicht zu starken Akzentuierung von Technologiefirmen zu stimmen. Quelle: Gold-Zack AG