Fusion von Compaq mit Digital geht über die Bühne

"Wir sind sehr gespannt auf das neue Geschäftsmodell"

19.06.1998

CW: Wer wird von den Entlassungen betroffen sein?

Brunkhorst: Die Hälfte davon wird vermutlich auf die Headquarters und die Fabrikationsstätten entfallen. Die anderen 50 Prozent auf die Länderniederlassungen, das sogenannte Feld also.

CW: Was heißt das für Deutschland?

Müller: Hierzulande ist vor allem der Standort München betroffen, weil es dort Überlappungen mit Compaq gibt. Vor allem die Bereiche Sales und Marketing werden wohl in Mitleidenschaft gezogen. Damit wird sich natürlich in gewisser Weise das Chaos bei DEC in den Kundenbeziehungen fortsetzen. Bekanntlich gab es in der Vergangenheit bei den Sales-Abteilungen immer wieder Veränderungen.

CW: Was können, was werden Sie als Digital-Belegschafts-vertretung unternehmen, um massive Entlassungen zu verhindern?

Brunkhorst: Bei der Stellenbesetzung des gemeinschaftlichen Unternehmens müssen auch Aspekte der Sozialverträglichkeit gewährleistet sein. Wir werden nicht zulassen, daß man die neue Organisation innerhalb von Compaq bereits jetzt aufbaut und gleichzeitig bei Digital die entsprechenden Abteilungen aushungert. Um das ganz klar zu sagen: Als DEC-Betriebsrat werden wir uns heftig gegen das Verlangen wehren, erst mal bei DEC so viele Leute wie möglich hinauszuschmeißen, und anschließend die beiden Unternehmen zusammenzuführen.

CW: Wird Compaq seiner neuen Rolle als Computerunternehmen, das Dienstleistungen für unternehmensweite DV-Aufgaben anbietet, gerecht werden können?

Müller: In diesem Zusammenhang machen uns vor allem Bemerkungen von Compaqs Finanzchef Earl Mason Sorgen, der sagt, man müsse Digital auf Compaqs Kostenstruktur herunterbrechen. Compaq ist aber bislang immer, gar nicht verächtlich gemeint, im wesentlichen eine PC-Company gewesen. Mit deren Kostenstruktur kann man nicht das Lösungs- und Großkundengeschäft erobern und bedienen, wie das Digital ja tut. Mason will die Vertriebs- und Overhead-Kosten bei DEC von 24 Prozent auf die zwölf Prozent von Compaq herunterschrauben. Hierbei geht es um Vertrieb, Marketing, Vertriebsabwicklung, Sales-Support und alles, was sonst noch Overhead ist.

CW: Masons Kostenstruktur dürfte gravierende Auswirkungen auf das künftige Geschäftsmodell einer Firma DEC-Compaq haben.

Müller: In der Tat. Ein gutes Lösungsgeschäft oder etwa der Aufbau von Rechenzentren sind mit Masons Vorstellungen nicht vereinbar. Jedes Unternehmen hat bei solchen Aufgabenstellungen einen enormen Pre-Sales und Salesaufwand.

Compaq kann da nicht einfach mit Büchsenschiebermentalität einen Sattelschlepper vorfahren und Rechner abladen. So funktioniert das Geschäft nicht. Das mag für die Eroberung von Desktops reichen oder für die Ausstattung kleiner Firmen mit Servern, auf denen eine Mini-SAP-Anwendung läuft...

Brunkhorst: ...wobei dann aber ein Partner die Hard- und Software integriert, also für das Lösungsgeschäft zuständig ist. Natürlich ist es möglich, Partner mit Sattelschleppern zu beliefern. Es gibt auch Großkunden, die die Integration selbst erledigen oder EDS oder Arthur Andersen beauftragen. Nur macht genau dies keinen Sinn, denn Digital wird ja von Compaq gekauft, um das Dienstleistungsgeschäft selbst in die Hand zu nehmen.

CW: Sie haben also noch Zweifel bezüglich der generellen Ausrichtung der neuen Firma Compaq-Digital?

Müller: Auf das neue Geschäftsmodell ê la Mason sind wir wirklich gespannt.

CW: Bedeutet das nicht auch, daß es erhebliche Unruhe unter den jetzigen Partnern von Compaq und Digital geben wird? Da dürfte doch eine ziemliche Auslese stattfinden?

Brunkhorst: Das ist richtig. Die Auslese wird nach gewissen Kritierien wie Umsatzgröße etc. stattfinden.

Müller: Compaq wird seinen Partnern noch mehr von dem Dienstleistungsgeschäft zuweisen, das bislang Digitals Service-Mannschaft durchführte. Denn Compaq ist mit seinen Partnern großgeworden und steht da in der Pflicht...

CW: ...was zu Reibungsverlusten bei Compaq-DEC führt?

Müller: Die Kunst bei der Firmenzusammenführung wird einerseits darin bestehen, das Dienstleistungsgeschäft von Digital, dessentwegen Compaq DEC ja gekauft hat, nicht jetzt an Partner zu geben. Compaq wird sich andererseits seine Partner warmhalten müssen, ohne daß sie der DEC-Dienstleistungsmannschaft in die Quere kommen.

CW: Die Konkurrenzsituation ist da programmiert und damit die zu erwartenden Probleme.

Brunkhorst: Natürlich. Man wird wohl versuchen, dieses Problem auf zweierlei Weise zu lösen: Zum einen könnte sich Compaq auf bestimmte Kunden konzentrieren, die es auch direkt beliefert. So hat das DEC ja auch gemacht. Das heißt aber, daß man sich aus dem Klein- und Mittelstandsgeschäft zurückzieht und das Partnern überläßt. Zum anderen kann Compaq sich aber auch selbst für Großkunden die Erbringung von Dienstleistungen von Partnern zukaufen. Das ist schon absehbar und hätte den Vorteil, daß man Spezialisten nicht selbst beschäftigen muß, sondern von außen holt.

CW: Sie sagen, daß sei jetzt schon absehbar ...

Brunkhorst: Vor etwa zwei, drei Monaten gab es in Houston ein großes Treffen der Servicepartner von Compaq, also EDS, Arthur Andersen etc. Die haben ganz klar gesagt, gebt uns was von dem Geschäft ab, daß momentan die Digital-Service-Mannschaft erledigt.

CW: Es dürfte aber wohl nicht realistisch sein, wenn Compaq-DEC sich um die lukrativen Großkunden allein kümmert und die Servicepartner mit den Resten abspeist.

Müller: Das wird in der Tat so nicht funktionieren. Die EDS, Arthur Andersen, Deloitte & Touche etc. melden sich da schon zu Wort. Es ist auch nicht vorstellbar, daß Compaq-DEC die Generalunternehmerschaft für Projekte übernimmt und dann Brosamen verteilen kann. Die großen Dienstleister werden selbst Generalunternehmerschaften wahrnehmen wollen. Da ist noch einiger Konfliktstoff programmiert.

Brunkhorst: Man sollte zur Klarstellung sagen: Es gibt ja verschiedene Sparten im Service. Zum einen das Integrationsgeschäft, insbesondere das Neugeschäft von großen Projekten bis hin zu Verkabelungen von Rechenzentren. Zum anderen die Wartung dieser Installationen, also die ganze Palette von Dienstleistungen, die Reparaturen durchführt, Software-Updates macht etc. Typische Aufgaben unseres MCS-Teams also (Multivendor Customer Service, Anm. d. Red.). Und schließlich Outsourcing. Bei Digital ist das eine kleine Abteilung, in Deutschland etwa 100 Leute.

CW: Wo erwarten Sie am ehesten Probleme?

Brunkhorst: Im Wartungsgeschäft wird es sicherlich zunächst keine Probleme mit EDS etc. geben. Die können solche Aufgaben bei Großkunden nicht stemmen. Da hat es zwar immer mal wieder Versuche von Third-Party-Maintenance-Anbietern wie Granada gegeben, aber die sind alle im Sande verlaufen. Im Systemintegrationsgeschäft dürfte das anders aussehen. Die Debis, EDS etc. werden sich sehr wohl vom bisherigen Digital-Geschäft ein Stück abschneiden wollen. Und hier stellt sich mir die Frage, was der Mehrwert einer künftigen Compaq-DEC-Service-Abteilung gegenüber solchen Partnern sein soll.

Müller: Sowohl im Outsourcing-Geschäft als auch im Systemintegrationsgeschäft kommen sich die DEC-Compaq-Dienstleistungs-Teams mit Compaqs Partnern ins Gehege. Da war Compaq bislang keine Konkurrenz.