"Wir sind kein von Oracle gesponsertes Gremium"

17.11.1995

CW: In welchem Verhaeltnis steht die Deutsche Oracle Anwendergruppe zum Hersteller?

Wassermann: Wir sind kein gesponsertes Gremium wie die SAP- Benutzergruppe, das nette Veranstaltungen macht. Wir verstehen uns als kritische Stimme der Anwender. Unabdingbare Voraussetzung dafuer ist die finanzielle Unabhaengigkeit vom Hersteller.

Konrad: Unsere Finanzierung besteht allein aus Mitgliedsbeitraegen, aus Seminargebuehren und den Ertraegen aus der jaehrlichen Konferenz. Da schauen andere Gruppen schon mal neidisch.

CW: Im Gegensatz zu vergleichbaren Tagungen wagen es die Vortragenden, Produkte, Services und Strategien zu kritisieren.

Wassermann: Die Doag faehrt keinen Schmusekurs. Wenn Konflikte da sind, tragen wir sie auch aus. Auf der Konferenz ist ein echter Erfahrungsaustausch intendiert und nicht das Werben fuer Produkte.

Konrad: Dafuer haben wir vor zwei Jahren das "Forum Theater" eingerichtet. Dorthin gehoeren die Verkaufsvortraege und nicht ins Konferenzprogramm.

Wassermann: Zudem versuchen wir, im Konferenzteil ein Verhaeltnis von 40 zu 60 zu realisieren. 40 Prozent der Vortraege duerfen von Oracle kommen, 60 Prozent sollten reine Anwenderberichte sein.

CW: Wer ist Mitglied bei der Doag?

Konrad: Zur Zeit haben wir etwa 380 Mitglieder, wovon der ueberwiegende Teil aus institutionellen Firmenmitgliedschaften besteht.

CW: Das heisst?

Konrad: Jede Firma hat pro Mitgliedschaft eine Stimme - das verschafft auch kleinen Unternehmen Gehoer -, kann aber bis zu drei Mitarbeiter in unsere Veranstaltungen entsenden.

CW: Dass kleine Anwenderfirmen oder Partner die Gemeinschaft als Gegengewicht zum Hersteller suchen, erscheint verstaendlich. Aber warum sollten grosse Firmen Mitglied sein? Die intervenieren doch direkt beim Hersteller.

Konrad: Viele Firmen waehlen beide Wege, wie auch die Wahl von Dietmar Neugebauer von BMW in den Doag-Vorstand zeigt.

Wassermann: Ausserdem diskutiert ein Kollege immer ein wenig ehrlicher. Besteht ein Problem, hat das Mitglied die Moeglichkeit, einen Erfahrungsaustausch in der Doag anzuregen und seine Kenntnisse zu vertiefen. Bei Oracle koennen Sie dafuer Consulting bezahlen.

Ausserdem zeigt das Beispiel "Clinical" (siehe Seite 1), dass man unter Umstaenden auf einer Doag-Konferenz mehr erfahren kann als von den Herstellerniederlassungen.

CW: Auf welche Probleme nehmen Sie direkt Einfluss?

Konrad: Dinge, die wir haeufig, heftig und ueber Jahre hinweg gegenueber Oracle vertreten haben, betreffen die Preis- und Lizenzpolitik, aber auch etwa die Verbesserung der Hotline.

Trotzdem verstehen wir uns nicht als Meckerklub. Die Zusammenarbeit untereinander und mit Oracle ist kein Widerspruch.

Wassermann: Eines der besten Beispiele fuer unsere Arbeit ist der Umgang mit Enhancements.

CW: Was ist denn das?

Wassermann: Wuensche, die die Anwender in bezug auf die Weiterentwicklung von Produkten haben, koennen wir an Oracle USA weitergeben. Fuer jedes Mitglied einer nationalen Benutzergruppe ist es moeglich, seine Vorstellungen bei der zustaendigen Vertretung einzureichen. Auf diese Weise entstehen Ranglisten, die nach einer beidseitigen Verpflichtungserklaerung von Oracle bearbeitet werden muessen.

CW: Koennen Sie dafuer ein Beispiel geben?

Wassermann: Europaweit votierten etwa 350 Firmen fuer ein Datenbank-Tool zur Reorganisation von Tablespaces. In der Antwort sagte Oracle zumindest die teilweise Realisierung bereits fuer das Release 7.3 zu. Das ist doch schon was - auch wenn manche Antworten noch stark zu wuenschen uebriglassen. Eine Antwort "No Response" wie bei der gewuenschten Ja/Nein-Option beim Import von Constraints - das geht natuerlich nicht.

Konrad: Ein weiters Beispiel ist das Nachtesten von neuen Releases durch die ISO-9000-zertifizierten Stellen in Deutschland und Irland. Um eine bessere Qualitaet nach der Produktfreigabe haben wir lange gekaempft. Nun schreibt sich Oracle die Idee und das Resultat auf die Fahnen. Das ist auch okay so - aber wir sehen es mit Genugtuung.

*Agnes Konrad ist die Vorstandsvorsitzende der Deutschen Oracle Anwendergruppe e,V. (Doag), Gerd Wassermann ist ihr Stellvertreter. Mit ihnen sprach CW-Redakteurin Ulrike Litzba.