CW-Interview mit Hamid Akhavan

"Wir sind Ingenieure - keine Marketiers"

12.04.2012
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Kämpferisch und angriffslustig gegenüber Cisco zeigte sich Hamid Akhavan, CEO von Siemens Enterprise Communications, im Gespräch mit CW-Redakteur Jürgen Hill. Offenheit und Vertrauen sieht er als Trumpf.

CW: Herr Akhavan, bevor Sie CEO bei Siemens Enterprise Communications (SEN) wurden, arbeiteten Sie bei der Telekom quasi auf der anderen Seite des Marktes. Wie unterscheiden sich die Jobs?

Hamid Akhavan, CEO von Siemens Enterprise Communications
Hamid Akhavan, CEO von Siemens Enterprise Communications
Foto: Siemens Enterprise Communications

AKHAVAN: Ich liebe zwei Dinge: Veränderungen und Innovationen. Ich langweile mich schnell, wenn ich etwas zu lange mache oder keine Fortschritte sehe. Zudem schlägt mein Herz für Innovationen - ich habe am MIT studiert, war als Forscher bei der Nasa und am Aufbau der ersten 2G- und 3G-Netze beteiligt. Hier bei SEN verbringe ich viel Zeit mit den Entwicklern und kann an neuen Lösungen mitarbeiten. Ich bin ein Innovator, der es liebt, neue Lösungen und Business-Modelle zu entwerfen.

CW: Sie betonen den Stellenwert von Innovationen. SEN sehe ich nicht als Innovator und Visionär, da denke ich eher an Cisco und Produkte wie Telepresence.

AKHAVAN: Wir haben eine ganz klare Vorstellung davon, was die Anwender benötigen und wie die Zukunft auf User-Seite aussieht. Ist ein Produkt wie Telepresence wirklich visionär, wenn es nur in einem von zehntausend Anwendungsfällen Relevanz hat? Eine offene Architektur, die es erlaubt, auch an künftigen Neuentwicklungen zu partizipieren, das ist für mich innovativ.

CW: Was ist darunter zu verstehen?

AKHAVAN: Um nur ein Beispiel zu nennen, vor zwei Jahren gewannen wir einen Preis, weil wir Social Networks in unser Contact Center integrierten. Der schnellste unserer Konkurrenten benötigte ein komplettes Jahr länger, um überhaupt eine erste Demo zeigen zu können. Letztlich sollten wir bei Visionen zwei Aspekte beachten: Es nützt keinem, etwas anzukündigen, das im Markt für niemanden Relevanz hat oder das nicht verhindert, dass Anwender in ihrer veralteten Umgebung eingeschlossen werden.

CW: Dennoch wird SEN in der Öffentlichkeit so nicht wahrgenommen. Nehmen Sie nur den nächsten Hype Big Data. Ihre Konkurrenten sprechen bereits darüber.

AKHAVAN: Sie haben einerseits recht und liegen aber andererseits falsch. Wir sind keine Marketing-Company. Im Herzen sind wir immer eine Ingenieurs-Company geblieben, was aus Publicity-Sicht nicht immer der beste Ansatz ist. Unser Anspruch ist es, die besten Produkte zu bauen. Deshalb geben wir das Geld unserer Investoren lieber für Forschung und Entwicklung aus als für Marketing. Zumal das Marketing im Enterprise-Segment keine so hohe Bedeutung wie im Consumer-Markt hat.

CW: Das gilt in der Theorie... .

AKHAVAN: ...und in der Praxis - mit Marketing können Sie die Tür des CIO öffnen, aber keinen Deal gewinnen. Nehmen Sie als Beispiel das Commonwealth of Pennsylvania, einen unserer größten Abschlüsse der letzten Monate. Gemeinsam mit Verizon haben wir einen Auftrag über 60.000-Kommunikations-Ports gewonnen. Das Ausschreibungsverfahren zog sich über Monate hinweg mit einer beinahe endlosen Features-Liste in Sachen Mobility, Unified Communications etc. Wir konnten als einziger Anbieter alle Kriterien erfüllen.

CW: Ja, aber der Markt hat sich verändert. Sie müssen auch Visionen vermarkten.

AKHAVAN: Lassen Sie mich mit einer Gegenfrage antworten. Wer ist der Visionär im Netzgeschäft? Okay, Sie nannten Cisco - was ist deren Vision?