Arbeiten in der Informationsgesellschaft/Elektronische Jobbörse für Freelancer

"Wir sind ein typisches virtuelles Unternehmen"

07.08.1998

Jeden Tag machen sich Hunderte von Menschen selbständig, lassen sich auf Tele- oder Leiharbeit ein. Auf der anderen Seite suchen auch immer mehr Unternehmen nach kompetenten Mitarbeitern auf Zeit. Wann welcher Job im Angebot ist beziehungsweise für welche virtuellen Projekte DV-Fachleute gesucht werden, läßt sich bei Agenturen wie der Newplan Personalberatung und -vermittlung GmbH erfahren.

Das 1994 gegründete Münchner Unternehmen hat sich ganz auf die Vermittlung von Freelancern spezialisiert. "Wir hatten die erste Lizenz zur privaten Vermittlung von Arbeitskräften", erklärt Stephan Löchler, einer von drei geschäftsführenden Gesellschaftern, stolz. Für die Newplan-Manager steht fest: "Die Börse der Freelancer wird im Personalmarkt der Zukunft Dreh- und Angelpunkt sein." In elektronischen Jobbörsen des Internet bietet das Unternehmen Arbeit an.

Newplan betrachtet sich selbst als typisches Beispiel für ein virtuelles Unternehmen. Bei den eigenen Dienstleistungspartnern handelt es sich um selbständige Freelancer oder Unternehmen mit Angestellten. Entscheidend für die Zusammenarbeit sei die spezifische Leistung, die der jeweilige Partner erbringen könne. Newplan-Manager Löchler ist überzeugt, daß künftig so gut wie alle Betriebe verstärkt mit "Freien" zusammenarbeiten werden: "Der zunehmende Kostendruck zwingt zu mehr Bewegung und Flexibilität. Durch den Einsatz von Freelancern, also Einzelpersonen, die sich als Spezialisten selbständig gemacht haben, kann die Effizienz erheblich gesteigert werden."

In der Newplan-Börse sind mittlerweile rund 3000 arbeitssuchende Freiberufler vertreten - rund 80 Prozent davon Softwarespezialisten. Die Registrierung und Vermittlung ist für sie kostenlos. Der virtuelle Arbeitsvermittler erhält sein Honorar im Erfolgsfall vom Auftraggeber des Projekts.

Obwohl es den Newplan-Leuten großen Spaß macht, als Vermittler zwischen Unternehmen und Freelancern aufzutreten, erstaunt sie hin und wieder die Einstellung mancher Selbständiger. So habe eine ganze Reihe von ihnen keine Ahnung, wie man mit Kunden umgeht beziehungsweise was Dienstleistung wirklich heißt. Diese Freiberufler würden viel fordern und wenig bieten. Löchler: "Viele Selbständige sind Unternehmer mit Angestelltenmentalität. Hier muß sich einiges ändern."

Diese Erfahrung war einer der Gründe, daß die Personalagentur ein Verfahren entwickelt hat, das die Leistungen von arbeitssuchenden Freiberuflern zertifizieren soll. Das Gütesiegel "Freecert" soll den Freiberuflern einen gewissen Wettbewerbsvorsprung und den Arbeitgebern eine gewisse Orientierung bieten. Löchler: "Das Verfahren wurde von uns entwickelt, damit die entsprechende Person besser einschätzbar wird. Der Bedarf an einem solchen Zertifikat ist durchaus erkennbar. Einerseits wollen sich gerade gute Leute vom Wettbewerb unterscheiden, andererseits hat so manches Unternehmen mit Freelancern böse Überraschungen erlebt." Eine Orientierungshilfe sei um so wichtiger, als es aufgrund des steigenden Angebots an Freiberuflern nicht mehr möglich sei, jeden einzelnen Kandidaten angemessen kennenzulernen. Löchler: "Unsere Aufgabe ist es, die richtige Person für den jeweiligen Auftrag zu finden. Daß es dabei nicht nur um Schulabschlüsse oder berufliche Qualifikation geht, liegt auf der Hand. Viel wichtiger sind die sogenannten Soft-Skills, also die persönlichen Rahmenbedingungen, die selbständige Mitarbeiter mitbringen."

Schließlich würden die Auftraggeber erwarten, daß sich die Freelancer in bestehende Teams einfügen. Für Löchler steht fest, daß sich der verstärkte Wettbewerb unter den Einzelkämpfern künftig in den Honoraren niederschlagen wird: "Hier ist unser Gütesiegel ein Mittel, um sich von den Mitbewerbern abzuheben." Grundsätzlich kann sich jeder Selbständige beziehungsweise jeder Existenzgründer dem Zertifizierungsverfahren von Newplan unterziehen. Seit Januar dieses Jahres bietet die Agentur die Möglichkeit an, an den ersten Zertifizierungsverfahren teilzunehmen. Freelancer, die sich für "Freecert" interessieren, können sich über die Newplan-Homepage http://newplan-compuserve.de informieren.

Der Mittelstand hinkt hinterher

Auch wenn in Deutschland der Unternehmergeist weit hinter dem in anderen Ländern hinterherhinkt, sind die Newplan-Manager davon überzeugt, daß nach und nach auch bei uns umgedacht wird. Dies sei auch dringend erforderlich, um nicht den Anschluß zu verlieren. Schließlich sei Telearbeit in anderen europäischen Ländern wie England, der Schweiz oder in Skandinavien viel populärer als hierzulande.

Daß in Deutschland indessen einiges in Bewegung geraten ist, spüren die Münchner Personalvermittler in ihrer täglichen Praxis. Während sie in der Pionierphase Tag für Tag mühselige Überzeugungsarbeit hätten leisten müssen, würden inzwischen "avantgardistisch denkende" Kunden bereits von sich aus an sie herantreten, weil Freelancer für virtuelle Projektarbeit gesucht würden.

Gerade weil der Newplan-Mann überzeugt ist, daß den Telearbeitern die Zukunft gehört, bedauert er, daß der Mittelstand diese neuen Organisationsformen noch nicht für sich endeckt hat. Dabei wäre es seiner Meinung nach für mittelständische Betriebe besonders wichtig, sich für bestimmte Vorhaben qualifiziertes Wissen von außen zu holen: "Häufig entwickeln kleine Firmen interessante Produkte, haben dann aber nicht die entsprechenden Kapazitäten oder das nötige Know-how, um sie auch zu vermarkten." Solche Vertriebs- und Marketing-Aufgaben seien beispielsweise sehr gut geeignet, um sie nach außen zu verlagern. Löchler ist jedoch zuversichtlich, daß der Kostendruck auch die mittelständischen Unternehmen an die neuen Arbeitsformen heranführen wird.

Immerhin haben es die drei Geschäftsführer seit der Gründung vor vier Jahren geschafft, aus den roten Zahlen herauszukommen. Über Umsatz und Gewinn schweigen sich die Münchner zwar aus, doch scheint ihr Modell so erfolgreich zu sein, daß Niederlassungen per Franchising in Deutschland, der Schweiz und Österreich geplant sind. Löchler dazu: "Wir suchen Pioniere. Jeder, der zur Geschäftsidee paßt, ist bei uns willkommen." Für die Münchner Vermittler steht fest, daß Telearbeit sich im nächsten Jahrhundert in der Arbeitswelt durchsetzen wird, daß sich die Zahl der Freiberufler erheblich vergrößern und die Unternehmen weitere Inhouse-Arbeitsplätze abbauen werden.

Angeklickt

Der zunehmende Kostendruck zwingt Unternehmen zu mehr Bewegung und Flexibilität. Durch den Einsatz von Freelan- cern, also Einzelpersonen, die sich als Spezialisten selbständig gemacht haben, läßt sich die Effizienz erheblich steigern, meint der Münchner Dienstleister Newplan. In seiner Datenbank seien mittlerweile 3000 arbeitssuchende Freiberufler vertreten - davon 80 Prozent Software-Entwickler.

Ina Hönicke ist freie Journalistin in München.