Manugistics-Geschäftsführer

"Wir sind ein normaler Teil der Wirtschaft"

19.10.2001
Nachdem die Talsohle durchschritten schien, wirft die angespannte Wirtschaftslage den Supply-Chain-Management-Spezialisten Manugistics wieder zurück. Mit Bernhard Schwister, Geschäftsführer der Manugistics GmbH, sprach CW-Redakteurin Karin Quack.

CW: Die Anwender zeigen dem Supply-Chain-Management die kalte Schulter. Das belegt zumindest die jüngste Meta-Group-Studie zum Thema "Collaboration" (siehe CW 35/01, Seite 36). Die Tatsache, dass etwa zwei Drittel der Befragten kein Interesse zeigen, müsste Sie eigentlich beunruhigen.

Schwister: An der von Ihnen zitierten Studie haben hauptsächlich kleinere Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern teilgenommen.

CW: Also ist SCM für Mittelständler uninteressant?

Schwister: Auf keinen Fall, aber es handelt sich um zwei verschiedene Märkte. Unter den etwa 3000 zentral- und osteuropäischen Unternehmen, die mehr als eine Milliarde Mark Umsatz machen, finden Sie - mit Ausnahme der Banken und Versicherungen - praktisch keines, in dem Supply-Chain-Management nicht auf der Tagesordnung steht. Manugistics Deutschland beschränkt sich im Wesentlichen darauf, mit dieser Klientel in Geschäftskontakt zu kommen beziehungsweise zu bleiben. Von den 100 deutschen Manugistics-Kunden fallen mehr als 80 in diese Kategorie.

CW: Dann schöpfen Sie derzeit das Potenzial nur zu einem geringen Prozentsatz aus. Auch Ihre Hauptkonkurrenten i2 Technologies und SAP können keine in die Hunderte gehenden Referenzkundenlisten vorweisen. Trotzdem sagen Sie, SCM sei in den Großunternehmen durchweg ein Thema.

Schwister: Ja, aber die Entscheidungszyklen sind extrem lang. Etwa neun von zehn der in Frage kommenden Unternehmen haben sich noch nicht auf einen Anbieter festgelegt. Wir machen 60 Prozent unseres Umsatzes mit existierenden Kunden, die sich für den nächsten Implementierungsschritt entscheiden.

CW: Von den Unentschiedenen dürfte ein Großteil abwarten, wie sich der SCM-Bereich bei SAP entwickelt. Dank ihrer Dominanz bei der betriebswirtschaftlichen Standardsoftware hat die SAP bezüg-lich der SCM-Entscheidung einen Heimvorteil.

Schwister: Mit Sicherheit geht die SAP mit ihrem SCM-Angebot so gut wie alle Anwender an, die R/3 im Einsatz haben. Aber selbst wenn sich ein Unternehmen in Sachen ERP für SAP entscheidet, heißt das noch lange nicht, dasses nicht in den Bereichen SCM oder Supplier-Relationship-Management auf Manugistics zurückgreift. Unterschiedliche Anwendungen erfordern unterschiedliche Auswahlkriterien.

CW: Ein solcher Best-of-Breed-Ansatz ist ja gut und schön. Aber um die Sichtbarkeit über die gesamte Wertschöpfungskette zu erreichen, ist eine Integration notwendig.

Schwister: Dafür bieten wir beispielsweise das Werkzeug "Networks Integrate" an. Außerdem greifen die SCM-Planungs- und Ausführungs-Tools alle auf die Daten des jeweils beim Kunden implementierten ERP-Systems zu.

CW: Und das kommt meist von SAP. In der Praxis funktioniert die Integration erfahrungsgemäß nicht immer so reibungslos wie geplant. Also fragen sich viele Anwender: Warum ein Risiko eingehen, wenn SAP nur irgendetwas Vergleichbares im Angebot hat?

Schwister: Wenn ein Anwender tatsächlich so fragt, beweist das nur, dass er sich nicht wirk-lich damit beschäftigt hat. Sonst wüsste er, dass er, egal mit welchem SCM-Anbieter er sich zusammentut, prinzipiell immer dieselbe Integrationsarbeit leisten muss. Er kann ja nicht mit den Daten, mit denen er in Echtzeit ein Auto baut, gleichzeitig den Absatz für das nächste Jahr planen. Also hat er immer das Problem zweier verschiedener Datenbasen für Planung und ERP-Zwecke zu lösen.

CW: Offensichtlich sehen die Anwender das anders. Während die etablierten SCM-Anbieter Manugistics und i2 unter der Stagnation des Marktes leiden, erzielt SAP eigenen Angaben zufolge im SCM-Bereich ein Wachstum.

Schwister: Letzteres ist für uns im Moment nicht nachvollziehbar. Aber lassen Sie uns über Manugistics sprechen: Wir konnten sieben Quartale hintereinander starkes Wachstum verzeichnen. Im vergangenen Vierteljahr mussten wir einen Rückgang beobachten. Das heißt aber nicht, dass uns Kunden verloren gegangen wären, sondern dass in schwierigen Zeiten Entscheidungen gern hinausgeschoben werden. Wir sind halt ein normaler Teil der wirtschaftlichen Entwicklung.

CW: Die Analysten versprechen für SCM-Projekte einen hohen Return on Investment. Daran müsste den Unternehmen doch gerade jetzt gelegen sein. Sind Ihre potenziellen Kunden zu kurzsichtig, um anti-zyklisch zu investieren?

Schwister: Leider wird diese Denkweise in den Vorstandsetagen derzeit nicht immer umgesetzt. Hier herrscht zunächst einmal das Prinzip des Kostensparens vor.

CW: Möglicherweise sind die Entscheidungsträger nach dem E-Commerce-Hype übervorsichtig geworden.

Schwister: Nein, im Prinzip sind sie investitionsbereit. Aus unserer Sicht werden die Entscheidungen lediglich verzögert - durch Ausgabenstopps, Verlagerungen in das nächste Geschäftsjahr oder einen zusätzlichen Durchlauf bei der Entscheidungsfindung.

Getrübte AussichtenDer Supply-Chain-Management-(SCM-)Spezialist Manugistics hat für sein zweites Fiskalquartal einen höheren Verlust ausgewiesen, als von den Analysten erwartet worden war. Schuld an den Verlusten seien neben der anhaltenden Konjunkturflaute die jüngsten Terrorattacken in den USA, erklärte die Company in einer Stellungnahme.

Für den abgelaufenen Berichtszeitraum meldete Manugistics einen Nettoverlust von 21,7 Millionen Dollar oder 32 Cent je Aktie. Ohne die Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen für Restrukturierungsmaßnahmen lag das Minus bei 16 Cent pro Anteilschein. Analysten hatten ein Nettodefizit von 15 Cent je Aktie erwartet. Im vergleichbaren Vorjahreszeitraum hatte das Unternehmen einen Nettoverlust von 19,7 Millionen Dollar oder 34 Cent je Aktie (zu diesem Zeitpunkt waren weniger Anteile im Handel) ausgewiesen. Der Umsatz stieg gegenüber dem zweiten Fiskalquartal 2000 um 22 Prozent auf 70,9 Millionen Dollar, fiel gegenüber dem ersten Geschäftsquartal 2001 jedoch um 21 Prozent.

Auch die Aussichten für die nahe Zukunft waren nicht positiv. Im laufenden dritten Quartal erwartet der Softwareanbieter Einnahmen von 60 bis 65 Millionen Dollar sowie einen nicht näher bezifferten operativen Verlust. Analysten hatten für diesen Zeitraum ein Defizit von durchschnittlich zehn Cent je Aktie sowie einen Umsatz von 71,60 Millionen Dollar prognostiziert.

Als Konsequenz aus der anhaltenden Misere kündigte das Unternehmen an, 180 Mitarbeiter oder zwölf Prozent der Belegschaft zu entlassen. Zudem sollen weitere zwölf Prozent der Angestellten in einen unbezahlten Zwangsurlaub geschickt werden. So will Manugistics im dritten Fiskalquartal seine Kosten um rund zwölf Prozent senken. Firmenchef Greg Owens schloss weitere Personalmaßnahmen nicht aus, sollte sich das wirtschaftliche Klima weiter verschlechtern.