Interview mit Dell-EMC-Chef Dinko Eror

"Wir schwimmen erfolgreich gegen den Strom"

12.10.2017
Vor einem Jahr hat Dell die Übernahme von EMC abgeschlossen und damit die bislang größte Fusion im IT-Markt besiegelt. Zusammen mit der Co-Geschäftsführerin Doris Albiez leitet Dink Eror hierzulande das Unternehmen. Wir haben ihn gebeten, eine Zwischenbilanz zu ziehen.

Vor einem Jahr hat Dell den Zusammenschluss mit EMC vollzogen. Es ist Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen. Was hat funktioniert, was nicht?

Dinko Eror, gemeinsam mit Doris Albiez Geschäftsführer von DellEMC, trimmt das Unternehmen auf Kundennähe. Die Elefantenhochzeit von Dell und EMC läuft, weil die Kulturen sich ähneln.
Dinko Eror, gemeinsam mit Doris Albiez Geschäftsführer von DellEMC, trimmt das Unternehmen auf Kundennähe. Die Elefantenhochzeit von Dell und EMC läuft, weil die Kulturen sich ähneln.
Foto: DellEMC

Eror: Mir sind vor allem zwei Sachen aufgefallen. Zunächst mal kann ich sagen, dass die Kunden von unserer Integration wenig bemerkt haben, ihnen sind keinerlei Nachteile entstanden. Dabei wäre das nicht verwunderlich gewesen, wenn zwei solche Giganten mit zusammen knapp 140.000 Mitarbeitern fusionieren. Doch im Gegenteil: Wir sind in dieser zwölfmonatigen Integrationsphase sogar um zehn Prozent gewachsen. Dabei hat uns unser Customer-first-Ansatz geholfen. Und wir haben vergangenes Jahr schon 27 Tage nach der Zusammenführung das erste gemeinsame Produkt herausgebracht: "ScaleIO Ready Node", eine softwaredefinierte Storagelösung basierend auf PowerEdge-Servern.

Des Weiteren haben wir viele Prozesse, etwa im Service und in der Logistik, vereinfacht. Jetzt laufen rund 40 Fabriken und 1800 Service-, Logistik- und Reparaturzentren weltweit unter einer Hand. Und schließlich ist es uns gelungen, den direkten Kontakt zu unseren Kunden zu halten. Die Zeiten sind herausfordernd, Business und IT wachsen immer mehr zusammen. Wenn Sie sich heute eine Bank, einen Maschinenbauer oder einen Automobilhersteller anschauen, dann sehen Sie, dass die Bedeutung der IT für deren Wertschöpfung enorm angestiegen ist. Wir sind für unsere Kunden in dieser heißen Phase ein One-stop-shop für Infrastruktur, Platform as a Service, Virtualisierung und Security.

Stichwort Customer first - das nehmen viele für sich in Anspruch. Was machen Sie anders als der Wettbewerb?

Eror: Nehmen wir als Beispiel den Servicebereich. Wenn ein Kunde ein Problem hat, kehren wir immer erstmal vor der eigenen Tür und suchen den Fehler in unseren Infrastrukturlösungen. Er kann natürlich auch in der Datenbank, der Applikation dem Netzwerk oder wo auch immer liegen, aber wir suchen immer zuerst bei uns selber. Das führt zu Vertrauen, wir haben einen guten Ruf, was den Kundenservice angeht.

Ein anderes Beispiel: In dem Maße, wie Kunden Cloud-Services nutzen, wird für sie das Thema Kostenkontrolle und Capex/Opex immer wichtiger. Wir haben darauf früh reagiert und in flexible Nutzungsmodelle investiert, um Kunden verbrauchsorientierte Konditionen für ihre IT-Ressourcen anbieten zu können. Dazu gehört auch das bedarfsgerechte Abrechnungsmodell von Virtustream.

Ich ermuntere auch unsere Mitarbeiter, die für Kunden zuständig sind, dass sie jede Woche zehn bis zwölf von ihnen anrufen oder besuchen. Ist der Kunde zufrieden? Hat er, was er braucht? Können wir unsere Leistungen verbessern? Last, but not least holen wir uns natürlich auch direkt Feedback von den Kunden: Wir haben eine Bewertungsskala von eins bis zehn geschaffen, und als zufrieden gelten Kunden nur, wenn sie uns die Noten von acht bis zehn geben.

Sie haben gesagt: Dell EMC ist um zehn Prozent gewachsen - noch während der Zusammenführung. Das ist verwunderlich. Musste Ihr Unternehmen nicht erstmal mit Redundanzen in den Produktangeboten fertig werden?

Eror: Unsere Produktangebote ergänzen sich gut, die Überschneidungen sind begrenzt. Wir profitieren von starkem Wachstum in unseren Kernbereichen. Im Serverbereich etwa haben wir kräftig zugelegt, auch in Deutschland haben wir Marktanteile gewonnen. Das gleiche gilt für Flash-Speicher-Systeme, und die Hyper Converged Technology ist regelrecht durch die Decke gegangen - ein direkter positiver Effekt der Zusammenführung. Im Client-Segment sind wir das 18. Quartal nacheinander gewachsen, auch VMware, Pivotal und Virtustream haben sich gut entwickelt. Es gab aber auch einen Bereich, in dem wir nicht gewachsen sind: Die Hybrid-Storage-Geräte, in denen auch Hard-Disks verbaut sind. Aber das war für mich keine Überraschung, der Flash-Trend war klar absehbar.

Viele Unternehmen befinden sich derzeit im Umbau, Stichworte wie Cloud Computing, Agile, DevOps und Microservices stehen für diesen Wandel. Wie stellt sich eine Dell EMC dafür auf?

Eror: Dell EMC und Pivotal haben in Deutschland bereits zwei Digital Labs gemeinsam mit Großkunden eröffnet: mit der Allianz in München und mit Volkswagen in Berlin. Wir sind bei Dell EMC schon lange Anhänger der Strategie Cloud first. Und bei Cloud Computing ist nicht die Frage wichtig, wo man etwas macht, sondern wie man es macht. Deshalb ist das ganze Thema agile Programmierung - und Pivotal ist ja einer der Urheber dieser Methode - ein Kernthema für uns.

So stellt sich Dell Technologies nach der EMC-Übernahme auf.
So stellt sich Dell Technologies nach der EMC-Übernahme auf.
Foto: Dell Technologies

Auch wenn wir Konkurrenten sind, haben wir Partnerschaften mit Amazon Web Services, Google, IBM, Microsoft. Da gibt es verschiedene Level. Lassen Sie mich das am Beispiel Google erklären. Google nutzt für sein Cloud-Angebot Tools von Pivotal und VMware, um Kunden im großen Stil Containerlösungen anzubieten. Dazu bringt Google das Open-Source-Orchestrierungs-Tool Kubernetes ein, Pivotal seine Platform-as-a-Service-Lösung Cloud Foundry und VMware den Management-Layer, um das Ganze über Google-Cloud- und VMware-Umgebungen hinweg zu steuern. Die Sales-Teams von Pivotal und VMware werden die Lösung auch vermarkten - übrigens unter der Marke "Pivotal Container Service". Sie sehen, wir glauben an Partnerschaft und Coopetition.

Im Zuge des digitalen Umbaus erwarten viele Anwender von ihrem Infrastrukturlieferanten auch Beratung und Services - auch auf dem Management-Level. Ist Dell EMC dafür aufgestellt?

Eror: Ein Schlüsselprodukt ist für uns in diesem Zusammenhang die Cloud Foundry von Pivotal, für die wir eine Reihe erstklassiger Berater aus dem gesamten Konzern zusammengezogen haben. Wir passen die Plattform an die individuellen Kundenbedürfnisse an und machen sie für Enterprise-Kunden einsetzbar. Wir stellen also Infrastructure und Platform as a Service, und wir geben Basisberatung, was man damit machen kann. Wir entwickeln aber nicht die Software für unsere Kunden. Die Applikationen überlassen wir unserem Ökosystem, den Alliance-Partnern. Uns ist wichtig, dass unsere Serviceorganisation überschaubar ist, denn es hilft unseren Partnern, ihr eigenes Geschäft auf die Beine zu stellen.

Es gibt einige Analysten, die kritisieren, Dell EMC sei nach dem Merger zu breit aufgestellt. Es fehle der Fokus. Eine IBM beispielsweise stellt ihr Analytics- und Watson-Know-how in den Vordergrund. Wie antworten Sie den Kritikern?

Eror: Wir schwimmen mit unserer breiten Produktpalette schon gegen den Strom, aber wir glauben, dass Firmen künftig mit wenigen, aber strategisch wichtigen und gut aufgestellten Partnern zusammenarbeiten wollen. Eine frühere HP teilt sich immer weiter auf, eine IBM verkauft das Client-Geschäft - wir machen es genau anders herum. Warum es funktioniert? Dell ist nun scheinbar ein Monolith, in Wirklichkeit aber eine Familie von verschiedenen Firmen mit der Mentalität von Start-ups. Kunden und Partner können sich aus unserem Angebot herausnehmen, was sie wollen und womit sie sich wohlfühlen.

Gartner hat geschrieben, dass Dell EMC den Anteil an der Forschung und Entwicklung reduzieren will. Ist das so?

Eror: Dem muss ich klar widersprechen. Der R&D-Invest von 4,5 Milliarden Dollar jährlich steht ohne Wenn und Aber.

Das Internet of Things (IoT) ist ein Megatrend, zu dem inzwischen fast jeder Hersteller seine Strategie aufgesetzt hat. Wie ist die von Dell EMC?

Eror: Früher war es so, dass häufig Trends ausgerufen wurden, die dann doch keine waren. Das ist heute anders. Die Industrie hat das Thema Internet of Things sofort aufgenommen und spannende Projekte aufgesetzt. Man denke etwa an Bosch, die für ihre IoT-Plattform übrigens Technologien von Pivotal und Dell EMC nutzen.

Wie stellt sich Dell EMC auf? Wir sind nicht das Unternehmen, das anfängt, Maschinen mit Sensoren auszustatten. Dafür gibt es Fachspezialisten und Hidden Champions. Auf der nächsten Ebene geht es aber darum, die Unmengen von Daten, die dort erhoben werden, zu verarbeiten. Das macht in der zentralen Cloud oder auf On-premise-Systemen oft keinen Sinn. Dann kommen unsere Gateways ins Spiel. Das sind im Prinzip abgespeckte Server, die die Daten direkt vor Ort analysieren. Davon verkaufen wir Millionen. In Zusammenarbeit mit Firmen wie Hortonworks oder Cloudera können wir sogar Realtime-Analysen vor Ort umsetzen. Und natürlich haben wir auch die Speichersysteme, um diese Datenmengen vorzuhalten.

Aber ich will ehrlich sein: Wenn Maschinen und Gegenstände rund um den Globus Daten produzieren und diese analysiert werden müssen, bedeutet das eine ganz neue Ära in der IT mit einem außergewöhnlich großen Datenvolumen. Das kann kein Hersteller alleine schaffen. Wir müssen hier zusammenarbeiten, und alle müssen offene Technologien verwenden.

Was tun Sie, um trotz Ihres indirekten Vertriebs den Kontakt zu den Kunden aufrechtzuerhalten und deren Feedback einzusammeln?

Eror: Wir laden beispielsweise jetzt im Herbst ein zu unserem großen Dell EMC Forum in Frankfurt und noch zu zwei kleineren in Potsdam und Hamburg. Mir ist es wichtig, dort Danke zu meinen Kunden und Partnern zu sagen, die mit uns den Weg der Integration gegangen sind und uns vertraut haben. Außerdem wollen wir natürlich unsere neuen Produkte und Lösungen zeigen. Natürlich, ganz wichtig, werden wir ganz viele Cases zeigen - vertikale Lösungen, Digitalisierungsbeispiele etc. Das sind Dinge, die wir gemeinsam mit unseren Kunden und Partnern erreicht haben. Die Herausforderungen, die heute anstehen, kann nun mal keiner mehr alleine bewältigen. Es geht immer mehr um partnerschaftliche Zusammenarbeit.