Interview mit SAP-Vorstandsmitglied Gerhard Oswald

"Wir reduzieren unsere Tagessätze nicht"

13.06.2003
Die SAP AG versteht sich eindeutig als Softwarehaus, das im Lizenzgeschäft wachsen will, erzielt aber wesentliche Teile der Einnahmen mit Dienstleistungen. Gerhard Oswald, Vorstandsmitglied der SAP AG und verantwortlich für die Bereiche Service, Support und IT-Infrastructure, erläutert, wie SAP die Balance zwischen Software- und Dienstleistungsgeschäft halten will.

CW: Die SAP strebt ein Umsatzverhältnis zwischen Lizenzverkauf und Serviceeinnahmen von 70 zu 30 an, mittlerweile erzielt das Unternehmen aber annähernd 40 Prozent der Einnahmen mit Dienstleistungen. Müssen Sie zurückrudern?

OSWALD: Diese Situation hängt mit der generellen Marktentwicklung zusammen, denn die Wachstumsraten im Lizenzgeschäft sind derzeit nicht so hoch. Zugleich gibt es für uns aber noch eine gute Nachfrage nach Implementierungsprojekten.

CW: Warum reduzieren Sie nicht die Aktivitäten Ihrer IT-Beratungseinheit Global PSO?

OSWALD: Die SAP benötigt eine solche Einheit, damit sie über das Wissen verfügt, wie ihre Produkte eingeführt werden. Die gewonnene Erfahrung können wir in die Weiterentwicklung der Implementierungswerkzeuge oder in das Softwaredesign einfließen lassen. Außerdem verlangen viele Kunden, dass die SAP auch bei der Implementierung Verantwortung, entweder komplett oder in Teilen, übernimmt.

CW: Eine Umfrage des unabhängigen Marktforschungshauses Raad Consult aus Münster bescheinigt den Serviceleistungen der SAP zwar gute Noten, aber auch sehr hohe Preise.

OSWALD: Zurzeit gibt es einen Preiskampf im Markt, denn die Nachfrage nach Implementierungsprojekten ist insgesamt rückläufig. Wir haben uns dazu entschlossen, den Wettbewerb um niedrige Preise nicht mitzumachen. Wir reduzieren unsere Tagessätze nicht. Die Kunden vergleichen nun unsere Angebote mit den günstigeren Preisen der Partner.

CW: Muss SAP nicht auch im Servicegeschäft vertreten sein, um den Dienstleistungspartnern auf die Finger zu schauen? Nicht alle Partner sind in diesen Zeiten an einem schlanken Betriebsablauf beim Kunden interessiert.

OSWALD: Wenn die SAP im Servicemarkt nicht zugegen wäre, würde genau das passieren. Als Softwarehersteller können wir es nicht dem Markt überlassen, was er aus unserem Produkt macht, dass etwa durch unendliche Anpassungsarbeiten die Softwareinstallation nicht mehr Release-fähig ist - möglicherweise haben wir hier sogar zu lange zugeschaut. Wir wollen uns einmischen, können dem Kunden letztlich aber nicht die Implementierungsmethode vorschreiben. Wir empfehlen bestimmte Abläufe, viele Partner haben aber eigene Methoden. Teure Einführungs- und Implementierungsprojekte sind nicht im Interesse der SAP.

CW: Die SAP bestimmt also das Ökosystem...

OSWALD: ... bestimmen wollen wir nicht. Wir versuchen, es zu beeinflussen.

CW: Aber als wichtigster Spieler in dem Bereich haben Sie enormen Einfluss.

OSWALD: Die größten SAP-Beratungshäuser haben mehr Berater und Kunden als unsere Serviceorganisation.

CW: Die SAP formuliert aber doch die Regeln und Bedingungen für den SAP-Servicemarkt.

OSWALD: Ja, und wir erfüllen damit die Forderung der Benutzergruppe. Die Kunden wollen, dass die SAP mehr Verantwortung übernimmt. Wir machen auch Projekte, um zu zeigen, wie sich Implementierungs- und Maintenance-Kosten senken lassen. Wenn wir nur Software herstellen würden, die ausschließlich andere implementieren und möglicherweise Dritte via Application-Hosting betreiben, dann finden die Kunden bei Problemen niemals den Verantwortlichen.

CW: Wenn Sie die Partner als wichtigen Bestandteil des SAP-Ökosystems begreifen, dann müssen Sie aber auch für deren Zufriedenheit sorgen.

OSWALD: Wir investieren sehr viel in die Partnerbetreuung. Im Moment ist die Stimmung kritisch, weil weniger Projekte nachgefragt werden. Einige Häuser haben es versäumt, in der Wachstumsphase vorzusorgen und sich zu spezialisieren. Stattdessen wurde vielfach der erfolglose Versuch gestartet, international zu expandieren.

Gerade in Deutschland gibt es sehr viele Partner mittlerer Größe, also mit 100 oder 120 Mitarbeitern. Das sind zu wenige, um die gesamte SAP-Palette abdecken zu können. Immerhin produzieren 7000 SAP-Entwickler Tag für Tag neue Ergebnisse, die irgendwann auf den Markt kommen. Für die Service-Provider ist es eine große Aufgabe, ihren Mitarbeitern das aktuelle Wissen zu vermitteln. Die Partner sollten sich deshalb genau überlegen, in welche Bereiche, Kunden und Segmente sie investieren.

CW: Ist es für die SAP nicht zwingend erforderlich, ihren Partnern Arbeitsfelder zuzuweisen? Es gibt ja keinen Sinn, wenn sich alle Partner auf die Bankenbranche stürzen.

OSWALD: Das ist die Aufgabe unseres Part-ner-Managements. Es muss dem Service-Provider Hinweise und Tipps geben, in welche Richtung er sich entwickeln sollte. Vorschreiben können wir das aber nicht. Genauso wenig können wir die Strategie des Partnerunternehmens zertifizieren - obwohl so etwas für die Kunden sicher nützlich wäre. Momentan hoffen wir noch, dass unsere Spezialisierungsappelle fruchten. Die Boomphase der letzten Jahre hat dazu geführt, dass viele Partner vorsorglich Branchen und Trends in der Hoffnung besetzt haben, dass sich dort Geschäft entwickelt. Jetzt sind die Partner praktisch gezwungen, ihre Strategie von sich aus zu überdenken.

CW: Wie fügt sich eigentlich das Tochterunternehmen SAP SI in die Servicestrategie von SAP ein?

OSWALD: Mit SAP SI wollen wir eine Einheit haben, die sich auf Integrationsprojekte konzentrieren sollte, und zwar auch für SAP-fremde Komponenten.

CW: Nahe liegend wäre, dass Sie als Verantwortlicher für SAPs Sevicestrategie auch die Richtung der SAP SI beeinflussen.

OSWALD: Wir sprechen die Strategie und Richtung ab. Das operationale Servicegeschäft versuchen wir aber sehr stark an die Landesgesellschaft anzubinden, denn die betreut zum Gros auch die deutschen Kunden.

CW: Die SAP SI sorgt für sehr viel Ärger unter den Partnern. Sie ist eines der wenigen Unternehmen, das noch steigenden Umsatz verbucht, während nahezu alle SAP-Partner fallende Einnahmen verzeichnen. Die Vermutung liegt nahe, dass die SAP ihrer Tochter allzu sehr unter die Arme greift.

OSWALD: Die Grundstrategie der SAP SI ist so ausgerichtet, dass sie keine Branchen besetzt, die von Partnern bereits durchdrungen sind.

CW: Gibt es Pläne, die SAP SI in die Global PSO oder in die Serviceorgansiation der SAP zu integrieren?

OSWALD: Nein. Die Situation wird etwas dramatisiert, die Partner leiden derzeit unter dem Nachfragemangel. In den guten Zeiten, als es noch 20 bis 30 Prozent Wachstum gab, wurde dieses Thema nicht diskutiert. Wir wollen mit Hilfe des Partner-Managements Probleme offen ansprechen, denn es ist wichtig, dass die Partner zufrieden sind.

CW: Ende 2003 läuft die Wartung für die R/3-Releases 3.1i bis 4.6b aus. Anwender haben die Möglichkeit, die Wartung zu verlängern, wenn sie statt bisher 17 Prozent künftig 19 Prozent der Anschaffungskosten für Wartungsgebühren zahlen. Ist Ende 2003 endgültig Schluss?

OSWALD: Wir sind mit der Deutschen SAP Anwendergruppe, der DSAG, so verblieben, dass wir abwarten, wie sich die Investitionsbereitschaft 2004 entwickelt. Wenn die Anwender kein Geld für einen Releasewechsel haben, dann können wir nicht die Wartungsverträge auslaufen lassen. Viele Kunden haben ihr Budget reduziert und müssen nun die installierte Version ein weiteres Jahr nutzen. Wir überlegen, die Wartungsdienste zu verlängern. Das hängt auch davon ab, wie viele Kunden noch ältere Releases betreiben.

CW: Derzeit setzen mehr als 50 Prozent der Anwender Release 4.6b oder älter ein. Die Quote wird sich bis Jahresende vermutlich nicht wesentlich verändern.

OSWALD: Das sehe ich genauso. Wir haben den Beschluss vor mehr als einem Jahr gefasst. Zu dem Zeitpunkt war die Entwicklung noch nicht vorhersehbar. (jha/rg/ciw)