IFA-Chef im Interview

"Wir mussten traditionelle Denkmuster aufbrechen"

29.01.2010
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.

Geheimrezept: auf die Kunden hören!

CW: Von welchen Umbrüchen sprechen Sie?

Heithecker: Nehmen Sie SAP, um im IT-Markt zu bleiben: Deren Marktumfeld hat sich massiv geändert. Wenn eine SAP nun auf eine große IT-Messe geht, um den Mittelstand zu erreichen, dann müssen sich die Veranstalter etwas einfallen lassen. Welche Lösungen haben sie für solche Aussteller? Das ist schwierig, aber eine Pflichtaufgabe für jede Messegesellschaft, das herauszufinden.

CW: Vieles von dem, was auf einer Messe läuft, lässt sich auch im Netz erreichen. Haben virtuelle Messen eine Chance?

Heithecker: Ich wehre mich gegen den Begriff. Messe heißt für mich Menschen zusammenzuführen. Das kann ein virtuelles Produkt nicht. Es führt Informations- und Kommunikationswege zusammen, aber keine Menschen. Es ersetzt keine Messen, ich kenne kein erfolgreiches Beispiel.

Man braucht zur Messe additiv einen guten Webauftritt, damit der unterstützende Zugriff auf relevante Informationen einfach und transparent erfolgen kann. Wir haben ein erfolgreiches Modell mit unserem Virtual Marketplace aufgebaut. Während der IFA erfüllt es die normalen Informationsbedürfnisse: Wo finde ich welchen Aussteller mit welchen Produkten in welcher Halle? Eine Matchmaking-Komponente ist ebenfalls enthalten und in den Zeiten zwischen den IFAs bieten wir an, dass jeder seine Informationen dort einstellen kann, aktuell und kostenfrei. Das ersetzt aber keine Messe, es unterstützt sie lediglich.

Es ist auch nicht der erste Gedanke, wenn jemand Informationen über ein Unternehmen oder Produkte sucht, auf die Homepage der Messen zu gehen. Da gibt es andere Sites und Portale, die das beherrschen.

CW: Hat die IFA mit ihrem Consumer-Fokus einen Vorteil gegenüber klassischen B-to-B-Messen wie der CeBIT?

Heithecker: Nein, Messen sind grundsätzlich wichtig, denn kreative Ideen entstehen nur, wenn Menschen zusammenkommen. Nur elektronisch zu kommunizieren wird irgendwann schwierig, vor allem wenn es darum geht, Kontakte zu verstetigen. Der direkte Kontakt in den Märkten ist nicht zu ersetzen. Zurzeit müssen in den Unternehmen wahnsinnig Kosten gespart werden - bei den Ausstellern und den Besuchern. Umso wichtiger ist es, dass man Plattformen für den Austausch von Ideen schafft, face to face. Das geht. Je virtueller das Produkt, desto mehr persönliches Vertrauen in den Partner brauchen Sie.

CW: Demnach müsste ja das Münchner Modell der Discuss & Discover, das nicht besonders viele Besucher angezogen hat, prinzipiell richtig gewesen sein.

Ein bisschen Kongress darf sein

Heithecker: Zusammenkommen, Themen diskutieren, gemeinsame Lösungen finden - das ist immer wichtig. Liegt der Fokus aber zu stark auf dem Kongress, wird es schwierig. Ein Kongress kann eine Messe ergänzen, aber nicht ersetzen.

CW: Was ist dann der richtige Ansatz im B-to-B-Bereich? Kongress plus Messe oder Messe plus Kongress?

Heithecker: Für uns als Messegesellschaft, die wir hohe Infrastrukturkosten haben, ist eine Messe plus Kongress das bessere Geschäftsmodell. Wir erzielen nach wie vor die Haupteinnahmen über Standmieten. Müssten wir die Messe allein über Eintrittsgelder finanzieren, hätten wir ein Problem. Niemand wird mehrere Tausend Euro für die Teilnahme an einer Kongressmesse zahlen. Das Empfinden, für dieses Geld einen adäquaten Nutzen zu erzielen, ist nicht gegeben.

Im Prinzip läuft es auf einer Messe ja so, dass der Aussteller dem Besucher die Kommunikationsmöglichkeit finanziert. Der Messeveranstalter hilft ihm dabei, mehr Anreize zu bieten als einen reinen Messestand. Da muss man schauen, was ist das beste Format? Die conhIT zum Beispiel, unserer IT-Messe für die Healthcare-Branche, wird einen halben Tag mehr oder weniger geschlossen, damit Aussteller und Besucher gemeinsam an Kongressen, Seminaren und Workshops teilnehmen können.