Interview

"Wir müssen uns im E-Business nicht verstecken"

26.11.1999
Mit Dietrich Jaeschke, Gründer und Vorstandsvorsitzender der PSI AG, sprach CW-Redakteur Gerhard Holzwart

CW: Was ist los mit PSI? Viele Beobachter trauen Ihrem Unternehmen nach den enttäuschenden Neun-Monats-Zahlen zumindest als Anbieter von ERP-Software nicht mehr viel zu. Auch die jüngste Kursentwicklung der PSI-Aktie war negativ.

Jaeschke: Das war eine übertriebene Reaktion der Märkte. Wir haben mehrmals gesagt, daß das "Psipenta"-Geschäft aufgrund der vielzitierten Millenniums-Problematik in diesem Jahr eher zäh verlaufen wird. Jetzt hat sich herausgestellt, daß es mehr als zäh war - es verlief zuletzt wie Kaugummi. Viele unserer Kunden sehen sich erst ab dem kommenden Jahr in der Lage, entsprechend Aufträge zu vergeben. Die Konsequenz daraus war, daß wir vor kurzem unsere ohnehin schon konservativen Prognosen nochmals nach unten korrgieren mußten und jetzt auch mit offiziellen Zahlen gekommen sind, die die Analysten enttäuscht haben.

CW: Die Verschiebung von Investitionsentscheidungen machen auch viele andere ERP-Anbieter, nicht zuletzt die SAP, für ihre zuletzt nicht gerade berauschenden Ergebnisse verantwortlich. Manche Kritiker sehen aber bei PSI auch strategische Defizite - etwa die nach wie vor mangelhafte Präsenz im US-Markt.

Jaeschke: Die Flaute im ERP-Geschäft hat ihren Grund, und den habe ich eben genannt. Das ist im übrigen keine Schutzbehauptung der PSI, sondern nachweisbare Realität des Marktes. Was unser zugegebenermaßen schwaches Standbein im US-Markt angeht, gilt nach wie vor: Wir suchen einen Partner, der uns produkt- und vertriebsmäßig ein Add-on bietet. Wenn wir fündig geworden sind, handeln wir.

CW: In den letzten Wochen ist der Eindruck entstanden, Ihr Unternehmen geht zurück zu den Wurzeln - verstärkt wieder die Aktivitäten im Systemgeschäft mit Energieleittechnik. Dort stimmen die Zahlen, und man konnte einige spektakuläre Abschlüsse melden.

Jaeschke: Der Eindruck ist falsch. Richtig ist, daß uns das Systemgeschäft wirtschaftlich im Moment große Freude bereitet. Ein Auftragsbestand in diesem Bereich von inzwischen über 160 Millionen Mark spricht Bände. Natürlich profitieren wir hier von der Deregulierung der europäischen Energiemärkte und, wenn ich das in aller Bescheidenheit hinzufügen darf, von unserem Know-how, spezifische Lösungen zu entwickeln. Früher konnten die Energieversorger Software kaufen, heute müssen sie es. Doch das alles heißt mitnichten, daß wir unsere Pläne und Erwartungen im Zusammenhang mit Psipenta reduziert oder gar aufgegeben hätten.

CW: Viele Analysten handeln die inzwischen recht billige PSI-Aktie als Geheimtip. Allerdings nur, weil sie davon ausgehen, daß aufgrund der Deregulierung der Energiemärkte das Systemgeschäft explodieren wird.

Jaeschke: Auch das ist wieder nur eine begrenzte Sicht der Dinge. Genauso wie es falsch war, zum Zeitpunkt unseres Börsengangs nur das Psipenta-Geschäft mit einer Wachstumsphantasie in Verbindung zu bringen.

CW: Sie selbst sprachen seinerzeit aber auch von nur noch verhaltenen Wachstumsraten im Systemgeschäft.

Jaeschke: Wir haben diesen Bereich vor gut einem Jahr auch anders akzentuiert, das gebe ich zu. Es ist aber müßig, darüber zu spekulieren, welcher unserer beiden Geschäftsbereiche stärker wachsen wird. Ich sage noch einmal: Die Energieversorger müssen heute in ihrem veränderten Wettbewerbsumfeld Software einsetzen - nicht nur zur Steuerung ihrer Anlagen, sondern beispielsweise auch zum Kunden-Management und zur -abrechnung. Insofern wird auch produkttechnisch einiges in Form skalierbarer Lösungen zusammenwachsen.

CW: Neben dem Systemgeschäft basteln Sie fleißig am Ausbau Ihrer ERP-Lösung. Sie wollen sich als Portallieferant positionieren und Tools für das Customer-Relationship-Management anbieten. Das schreiben sich auch viele Wettbewerber auf die Fahnen.

Jaeschke: Unternehmen wie SAP werden im Marketing immer besser als wir sein. Unsere Kunden schmeißen ihre Systeme aber nicht weg, nur weil einer laut E-Commerce schreit. Insofern gehen wir behutsamer vor. Übernahmen wie die von Ubis und Nentec zielten genau in diese Richtung. Mit den Entwicklungen dieser beiden Systemhäuser können wir unser eigenes Lösungsportfolio um das ergänzen, was unsere Kunden benötigen. Was die E-Business-Fähigkeit unserer Produkte angeht, müssen wir uns nicht verstecken.