Lenovo X1 Fold angefasst

Wir müssen uns digital verändern, um erfolgreich zu sein

22.11.2019
Von 


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
In den knapp 14 Jahren seit der Übernahme des PC-Geschäftsbereichs von IBM hat Lenovo die Business-Marke ThinkPad nicht nur erfolgreich weitergeführt, sondern auch das Think-Lösungsportfolio auf andere Formfaktoren und Anwendungsbereiche erweitert. Thorsten Stremlau, Global Commercial CTO der Lenovo Intelligent Device Group (IDG), erläutert die dahinterliegende Strategie.

Das Stichwort laute Intelligent Transformation, erklärte der für die technische Strategie im Geschäftskundensegment von Lenovo verantwortliche Stremlau, also eine Anpassung an die jeweiligen Anforderungen der Kunden. Diese ändere sich allerdings über die Jahre. So habe vor fünf oder sechs Jahren bei den Anwenderunternehmen das Customer Experience Management im Vordergrund gestanden. Insbesondere um Umsatz und Profit zu steigern, befasste man sich mit Themen wie dem Net Promoter Score, also der Wahrscheinlichkeit, dass ein Kunde eine Firma oder Marke Freunden oder Bekannten weiterempfehlen wird.

Das Hauptquartier von Lenovo in Beijing
Das Hauptquartier von Lenovo in Beijing
Foto: Lenovo

Etwa vor zwei Jahren habe sich dann der Fokus bei den Kunden stärker in Richtung User Experience verlagert, so Stremlau. Die Intention dabei sei, auf diese Weise die Innovationskraft im Unternehmen zu stärken, denn die Anwender würden durch die bessere Bedienbarkeit ihrer Systeme und Anwendungen kreativer.

Employee Experience im Trend

Als neuesten Trend sieht der Lenovo-Manager den holistischen Ansatz der Employee Experience. Hier werde der Mitarbeiter bereits beim Bewerbungs- und Onboarding-Prozess in den Mittelpunkt gerückt, um ihn vom ersten Tag an zu motivieren und zu binden. Die Unternehmen versprächen sich von der Mitarbeiterzufriedenheit gleich mehrere Effekte, erklärte Stremlau: Der Profit gehe hoch, weil sich Mitarbeiter mit dem Unternehmen identifizierten und in Folge weniger Kosten verursachten sowie engagierter arbeiteten. Auf diese Weise würden automatisch auch die Ergebnisse in den beiden anderen Bereichen Kundenzufriedenheit und User Experience verbessert.

Thorsten Stremlau, Global Commercial CTO der Lenovo Intelligent Device Group
Thorsten Stremlau, Global Commercial CTO der Lenovo Intelligent Device Group
Foto: Lenovo

Eng mit der Employee Experience verbunden sei auch das Thema Choose Your own Device (CYOD), berichtete Stremlau. Es habe sich gezeigt, dass die Mitarbeiter von Unternehmen, die sich für diesen Ansatz entscheiden, nicht nur produktiver sind, sondern auch qualitativ hochwertigere Arbeit leisten. Und viel davon sei darauf zurückzuführen, dass den Angestellten die nötige Flexibilität gegeben werde. Lenovo ermögliche es daher Unternehmen, den Mitarbeitern mit verschiedenen Formfaktoren bei PCs, Tablets und Smartphones eine Vorauswahl zu bieten. Dies sei allerdings nur innerhalb des eigenen Produktportfolios möglich, räumte Stremlau. Er fügte aber hinzu, dass im Rahmen des Device-as-a Service-Angebots von Lenovo auch Apple-Geräte verwaltet würden.

Dass Lenovo in Sachen Endgeräte auch über die Bürowelt hinausblickt, zeigt das jüngste Engagement im Bereich Smart Glasses. Nachdem das Unternehmen 2018 bereits ein Mixed-Reality-Headset mit Windows herausgebracht hatte, präsentierte es Mitte dieses Jahres mit ThinkReality A6 eine Hololens-ähnliche Augmented-Reality-Brille sowie eine AR/VR-Plattform zur Erstellung von Anwendungen. Im Gegensatz zum Microsoft-Device ist das 380 Gramm leichte Lenovo-Headset allerdings nicht autark nutzbar, sondern basiert auf einem tragbaren Mini-PC mit Android-Betriebssystem, in dem ein ARM-Prozessor vom Typ Snapdragon 845 und der Machine-Learning-Chipsatz Intel Movidius verbaut sind.

Lenovo bietet mit ThinkReality A6 eine Hololens-ähnliche Augmented-Reality-Brille für Business-Kunden an.
Lenovo bietet mit ThinkReality A6 eine Hololens-ähnliche Augmented-Reality-Brille für Business-Kunden an.
Foto: Lenovo

Anwendungsbereich des A6 sind klar Business-Szenarien, denn wie Stremlau ausführt, sei die Zeit für Smart Glasses im Consumer-Bereich noch nicht gekommen. "Falls sie überhaupt kommt", fügte der Lenovo-Manager, der selbst am Explorer-Programm der Google Glass teilgenommen hat, hinzu. Damit sich Smart Glasses im privaten Umfeld durchsetzen, müssten sie noch viel leichter werden, erklärte er. Und selbst dann würde wohl niemand freiwillig eine solche Brille aufsetzen, wenn sie nicht besonderen Nutzen bringe.

Stremlau kann sich Smart Glasses daher nicht unbedingt als unmittelbaren Nachfolger für Smartphone und PC vorstellen. Er hält es aber für möglich, dass ein Anwender eine Datenbrille - ähnlich wie eine Art Lesebrille - für einen bestimmten Verwendungszweck aufsetzt. Also etwa, wenn er damit beim Arbeiten im Zug anstelle seines kleinen Bildschirms am Notebook auf zwei große virtuelle Displays zugreifen könnte. Ein entsprechendes Beispiel aus dem Fabrikumfeld wäre die Bedienung von virtuellen Monitoren und Tastaturen direkt an einer Maschine, so der Lenovo-Manager.

Experimente mit neuen Formfaktoren

Auch in anderen Bereichen arbeitet Lenovo an neuen Formfaktoren. So zeigte Smartphone-Tochter Motorola erst kürzlich mit der Neuauflage des Kult-Handys Razr ihre eigene Interpretation eines Mobiltelefons mit Falt-Display. Lenovo selbst stellte mit dem ThinkPad X1 Fold ein Windows-Tablet mit faltbarem OLED-Display vor. Dahinter versteckt sich ein interessanter Ansatz, wenngleich - so räumt auch Lenovo-Manager Strehlau ein - das für die zweite Jahreshälfte 2020 angekündigte Gerät sicher sehr teuer werde und nicht viele Kunden im ersten Jahr finden werde.

Apropos X1 Fold: Im Rahmen der Lenovo Accelerate in München bot sich die Gelegenheit, einen von weltweit zwei Prototypen zu bestaunen und anzufassen. Allerdings war das Gerät noch nicht voll funktionsfähig, denn wie Charles Sune, Director Worldwide Commercial Notebook Portfolio bei Lenovo, erklärte, habe Microsoft die Dual-Screen-fähige Version seines PC-Betriebssystems, Windows 10 X, noch nicht fertiggestellt. Die geplante Bedienoberfläche konnte daher nur in Form einer auf dem Gerät installierten PowerPoint-Präsentation simuliert werden.

Immerhin: Wie sich bei der Demo zeigte, handelt es sich bei dem X1 Fold nicht (nur) um ein Prestigeobjekt, sondern das faltbare Tablet ermöglicht auch vielfältige Nutzungsszenarien: Geknickt wie ein Notebook eignet es sich etwa gut für die (mobile) Teilnahme an Videokonferenzen mit Kollegen, da im oberen Teil die Gesprächspartner angezeigt werden. Im unteren Part wiederum befindet sich genug Platz, um parallel Präsentationen oder andere Dokumente einzusehen.

Alternativ kann man es in dieser Position dank virtueller Tastatur wie ein Notebook nutzen, wobei es im Kurztest wegen der gleichmäßigen Gewichtsaufteilung auf den oberen und unteren Teil etwas wackelig wirkte. Sune zufolge arbeitet Lenovo auch noch daran, das haptische Feedback bei der Eingabe zu verbessern.

Außerdem kann man mit dem X1 Fold dank des faltbaren Displays E-Books fast wie ein richtiges Buch lesen. Zum literarischen Genuss trägt darüber hinaus bei, dass das Gerät in einer schicken Lederhülle steckt. Diese erfüllt laut Sune aber noch einen anderen Zweck: Sie verbirgt das Scharnier des Biegemechanismus. Wie der Lenovo-Manager weiter ausführte, bestehe die größte Herausforderung bei faltbaren Displays darin, dass sich an der Biegekante der innere und äußere Radius unterschieden - was etwa bei Samsung zu den ernsten Problemen mit dem Galaxy Fold geführt habe…