Interview

"Wir müssen Online- und Offline-Welt verbinden"

15.09.2000
Mit Ferenc Szelenyi, Vorstand der Karstadt Quelle New Media AG, Essen, sprach CW-Redakteurin Karin Quack

CW: Die Karstadt Quelle AG hat angekündigt, in den kommenden fünf Jahren 400 Millionen Mark in ihre E-Business-Strategie investieren zu wollen. Was braucht es, damit sich diese Ausgabe rentiert?

Szelenyi: Zunächst einmal muss man sich über die Stärken und Schwächen des Konzerns im Klaren sein. Und dann sollte man das Thema E-Business aus der Kundensicht angehen. Wenn der Kunde nichts davon hat, können Sie das Thema getrost vergessen.

CW: Haben Sie das aus dem My-world-Projekt gelernt?

Szelenyi: My-world war tatsächlich nicht das, was der Kunde wollte. Es handelte sich um das Abbild eines klassischen Kaufhauses im Netz. Doch der typische Internet-Nutzer war vor fünf Jahren um die 35 Jahre, männlich, mit gehobenem Einkommen, technologiebegeistert und ein bisschen hip; der wollte seinen Boss-Anzug nicht bei My-world kaufen. Das haben wir damals zum Beispiel nicht gewusst.

CW: Mittlerweile hat sich die Zielgruppe stark verbreitert und verändert. Gäbe es heute vielleicht Chancen für ein solches Konzept?

Szelenyi: In gewisser Weise ja. Aber nachdem wir die Sache aus Kundensicht betrachtet haben, wissen wir, dass wir heute viel mehr tun können - beispielsweise die Online- mit der Offline-Welt verbinden.

CW: Wie soll das aussehen?

Szelenyi: Stellen Sie sich vor, Sie bestellen im Internet eine Hose, und sie passt Ihnen nicht. Vielleicht möchten Sie dann lieber in Ihr Kaufhaus gehen, um sie umzutauschen. Die Kombination zwischen on- und offline ist, so denken wir, viel smarter als der reine E-Commerce. Karstadt betreibt mehr als 200 Warenhäuser in Deutschland. Es wäre unklug, sie nicht zu nutzen.

CW: Haben Sie noch mehr aus My-word.de gelernt?

Szelenyi: Uns ist die Bedeutung der alten, vertrauenswürdigen Marken klar geworden. Es gibt zu viele "Irgendwas.de"-Adressen. Wir haben gelernt, dass es nicht nur schwierig, sondern für einen etablierten Konzern auch nicht sinnvoll ist, eine separate Online-Marke aufzubauen.

CW: Für seinen Online-Bereich erwarten Sie im laufenden Jahr Umsätze von 700 Millionen Mark. Ist das nicht zu hoch gegriffen?

Szelenyi: Sie dürfen nicht vergessen, dass wir bei Quelle.de und Neckermann.de heute schon signifikante Zahlen vorweisen können.

CW: Worin besteht denn Ihre neue E-Commerce-Strategie?

Szelenyi: Wir wollen alle .de-Aktivitäten des Konzerns mit den klassischen Marken neu aufbauen. WOM.de ist online gegangen, Karstadt.de wird in Kürze folgen, ebenso der Reisebereich C&N.

CW: Wo entstehen da Synergieeffekte?

Szelenyi: Alle Online-Shops werden die Logistikstärke des Konzerns nutzen. Warum sollte Karstadt eine Fulfillment-Abteilung aufbauen, wenn sie bei Neckermann und Quelle bereits brummt? Zudem haben wir Ideen, wie wir die Möglichkeiten des Cross-Marketing ausschöpfen können.

CW: Darauf reagieren die Kunden möglicherweise genervt.

Szelenyi: Wir wollen ihnen nichts aufdrängen, sondern sie ganzheitlich betreuen. Stellen Sie sich vor, Sie besuchen die Site von C&N-Reisen, weil Sie nach Cuba fliegen wollen. Vielleicht kann man Ihnen dann auf smarte Art und Weise auch eine CD des "Buena Vista Social Club" anbieten - über die Schwestermarke WOM.

CW: Wir haben bis jetzt nur über Ihre Business-to-Consumer-Aktivitäten gesprochen. Was läuft im B-to-B-Bereich?

Szelenyi: Wir haben beispielsweise beschlossen, uns an einer Internet-Plattform für den Textilhandel, genauer gesagt: an Texyard.com, zu beteiligen.

CW: Warum bauen Sie keinen eigenen Markt?

Szelenyi: Märkte machen überhaupt nur Sinn, wenn sie offen sind.

CW: Das sehen BMW und Volkswagen beispielsweise anders.

Szelenyi: Die Automobilhersteller sind in einer anderen Situation. Sie können ihre Lieferanten stärker bei den Konditionen einbinden als es bei uns der Fall ist.