Digitale Transformation der BMW Group

"Wir lösen uns von starren Hierarchien"

09.03.2017
Von 
Wolfgang Herrmann war Editorial Manager CIO Magazin bei IDG Business Media. Zuvor war er unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO und Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.

Wie BMW den kulturellen Wandel schaffen will

Geht es um digitale Transformation, prallen nicht nur bei BMW unterschiedliche Kulturen aufeinander: Hier die jungen, agilen Digitalisierer, dort die klassischen IT-Verantwortlichen, die naturgemäß einen Großteil ihrer Ressourcen in einen stabilen IT-Betrieb investieren. Wie gehen Sie damit um?

Im März 2016 präsentierte BMW-Vorstandschef Harald Krüger die Strategie „NUMBER ONE > NEXT“.
Im März 2016 präsentierte BMW-Vorstandschef Harald Krüger die Strategie „NUMBER ONE > NEXT“.
Foto: BMW Group

Jens Monsees: Zunächst einmal hat sich unser Vorstandsvorsitzender Harald Krüger im Rahmen unserer Strategie "NUMBER ONE > NEXT" persönlich des Themas kulturelle Veränderung angenommen. Gemeinsam mit dem Vorstandsteam hat er fünf Kernwerte benannt, die den Rahmen unserer Zusammenarbeit definieren. In Maisach vor den Toren Münchens veranstalten wir über einen Zeitraum von drei Monaten Workshops für 14.000 Mitarbeiter und führen sie durch die verschiedenen Aspekte unserer Strategie. Dabei erklärt der Elektroingenieur unsere neuen E-Antriebe und der Softwareentwickler unsere neuen Dienstleistungen. Viele Manager nehmen wir mit in Diskussionen mit Startups, beispielsweise in Shanghai oder New York und natürlich im Silicon Valley. Wir öffnen uns sehr stark gegenüber den neuen digitalen Arbeitsweisen und integrieren diese Stück für Stück in unsere Organisation.

Welche neuen Werte hat Herr Krüger denn ausgerufen?

Jens Monsees: Es geht um die Werte Verantwortung, Transparenz, Offenheit, Wertschätzung und Vertrauen.

Das sind sehr allgemein formulierte Werte, die nicht unmittelbar auf das Thema Digitalisierung hindeuten.

Jens Monsees: Diese Werte sind mit konkreten Handlungsmaximen hinterlegt und werden entsprechend im Unternehmen transportiert. Sie unterstützen auch die digitale Transformation. Wichtig dabei ist: die Kultur und die Organisation müssen zu den veränderten digitalen Arbeitsweisen passen - Stichwort Agilität, Liquidität und Cross-Funktionalität. Deshalb freue ich mich, dass diese Initiative vom Vorstand getrieben, aber eben auch durch individuelle Trainings vermittelt wird. Es gibt beispielsweise inzwischen einen BMW Group Culture Club, der sehr fruchtbar arbeitet und auch Feedbacks bottom-up an das Topmanagement zurückspielt. Im Unternehmen gibt es eine Aufbruchstimmung und wir wollen dieses Momentum nutzen, um die Digitalisierung auf allen Ebenen voranzutreiben.

Innovation Management bei BMW

Innovationen sind der Schlüssel zu einer erfolgreichen Transformation. Wie treiben Sie das Thema Innovation Management voran?

Jens Monsees: Wir haben zum Beispiel ein neues Format etabliert, das ich "Netzwerk digital" nennen würde. Es verbindet die verschiedenen Unternehmensbereiche der BMW Group, sprich: hier kommen die Themen Kunde, Fahrzeug und Prozesse wieder zusammen. Ich treffe mich dazu jede Woche für zwei Stunden mit Führungskräften aus unterschiedlichsten Bereichen. Dieses Netzwerk arbeitet sehr agil; es bilden sich immer wieder neue Verbindungen, andere werden gekappt, wenn ein Thema abgeschlossen ist. Eine Datenstrategie beispielsweise zieht sich quer durch alle Bereiche.

Müssen Sie dabei nicht auch tief in die Kernprozesse eingreifen?

Jens Monsees: Das tun wir. Wir haben ja unsere großen Prozesse wie zum Beispiel Idea to Offer, den Weg von der Produktidee zum konkreten Angebot an den Kunden. Hier greifen natürlich auch viele Digitalisierungsthemen. Wir arbeiten unter anderem mit Augmented Reality, um ein 3D-Muster eines Fahrzeugs mithilfe einer Brille betrachten zu können, ohne gleich ein physisches Modell aus Ton zu fertigen. Hier hilft uns die Digitalisierung, schneller zu werden und mehr auszuprobieren.

Ein wichtiges Thema dabei ist die Trennung von Software und Hardware. In der Vergangenheit haben wir eine Komponente wie zum Beispiel eine Ölpumpe eingekauft und anschließend mit einem Softwarecode ausgestattet. Heutzutage trennen wir das physische Produkt, sprich die Hardware, von der Software und aktualisieren diese regelmäßig. Remote-Fahrzeug-Updates wird es künftig in allen neuen Fahrzeugen geben - ob nun MINI, BMW oder Rolls-Royce.

Remote-Updates soll es künftig in allen neuen Fahrzeugen der BMW Group geben.
Remote-Updates soll es künftig in allen neuen Fahrzeugen der BMW Group geben.
Foto: BMW Group

Sie sind jetzt seit einem Jahr für die Digitalisierungsstrategie der BMW Group zuständig. Was waren die größten Herausforderungen?

Jens Monsees: Die erste große Aufgabe war im Grunde, die Vision zu schärfen und mit der Ist-Situation abzugleichen. Digitalisierung zieht sich durch sämtliche Bereiche und alle im Unternehmen sind erst einmal hochmotiviert gestartet. Wir haben bei bestimmten Themen wie etwa Analytics gesehen, wo wir noch besser werden können und die Kräfte gebündelt. Heute verfügen wir beispielsweise über einen Spezialisten-Pool, der den Fachabteilungen hilft, kundenrelevante Datenschätze zu heben.

Ein anderer entscheidender Punkt war die Frage, wieviel wir eigentlich in Zukunft selbst machen wollen. Welche Kooperationen müssen wir eingehen? Die BMW Group ist als Unternehmen deutlich offener geworden. Es gibt mehr Schnittstellen nach außen, weil wir die digitalen Welten unserer Kunden im Auto spiegeln. Ich würde behaupten, dass wir in Sachen Connected Car weiter sind als alle anderen klassischen Automobilhersteller. Darauf sind wir stolz und bauen diesen Bereich weiter aus. In Zukunft werden wir immer stärker auf Kooperationen setzen.